Der Ölpreis kommt der Inflation zu Hilfe – und der Konjunktur

Noch vor zwei Wochen hatte ich ausgerechnet, dass das Öl ab dem 28. Dezember einen positiven Beitrag zur Inflationsdämpfung leisten wird. Und dann kam am Markt (wie immer) alles ganz anders.

Der Preis für WTI – grob gesprochen ist das der amerikanische Ölpreis – ist nun kurz davor, die 70 Dollar zu unterschreiten. Und damit ist er year over year jetzt schon im negativen Bereich. Von nun an leistet er einen negativen Beitrag zur Inflation. 

Die amerikanische Regierung wird (wie auch die Europäer) weiterhin daran arbeiten, den Ölpreis zu senken. Dazu haben beide einige Hebel (die strategische Ölreserve; Verhandlungen mit Venezuela; Deals mit Russland hinter den Kulissen; die Sanktionen gegen russisches Öl).

Fallende Ölpreise – die Pessimisten werden darin wiederum eine schwächere Weltwirtschaft erkennen. Die Optimisten sehen hingegen den starken Impuls für die Konjunktur, den eine niedrigere Ölrechnung den Volkswirtschaften bringt. Die Wirtschaftsdaten sind derzeit sowohl für die USA als auch für Deutschland deutlich robuster als erwartet.

Das billige russische Öl (Russland muss sein Öl unter Marktpreis verkaufen um es loszuwerden) hat einigen Volkswirtschaften Asiens in den letzen Monaten sehr genutzt. „Ein Konjunkturprogramm für Südostasien“, hat der Aktienexperte Andreas Beck die Öl-Sanktionen des Westens gegen Russland genannt. Der indische Aktienmarkt hat darauf mit einem deutlichen Signal reagiert – er notiert auf Allzeithoch. 

Und nicht nur das Öl ist billiger geworden. Ob Bauholz oder Kupfer – die starken Anstiege nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind Vergangenheit. Noch wichtiger, zumindest für die Stabilität der Welt, auch der Weizenpreis notiert wieder annähernd da, wo er vor der Krise stand. Hier kommt der Chart:

Weltweit fallende Ölpreise könnten dafür sorgen, dass die Rezession, die derzeit von vielen Akteuren immer noch verkündet wird (es ist die am häufigsten angekündigte Rezession der modernen Zeitrechnung) schlicht ausfällt. In den USA warnen mittlerweile drei große Banken (J.P. Morgan, Goldman Sachs und die Bank of America) vor einer möglichen Rezession. Viele Anlegerinnen und Anleger denken ähnlich. 

Dabei wächst die Wirtschaft in den USA derzeit sehr robust – im vierten Quartal werden 4% Wirtschaftswachstum erwartet. Der Arbeitsmarkt ist (in Deutschland wie in den USA) ebenfalls sehr stark. In den USA ist die Zahl der offenen Stellen nach wie vor höher als die Zahl derer, die eine Arbeit suchen. In Deutschland tun sich viele Branchen schwer, Personal zu bekommen.

Mein Fazit

 

Die Rezession könnte also (weitgehend) ausfallen. J.P. Morgan, Goldman Sachs und die Bank of America werden dann nicht um Argumente verlegen sein, warum sie sich so sehr geirrt haben. Der fallende Ölpreis und sein stimulierender Effekt auf die Wirtschaft wäre unabsehbar gewesen. Das ist natürlich nicht die Wahrheit. Warum diese drei Akteure ihre pessimistischen Vorhersagen treffen (und optimistische Argumente unter den Tisch fallen lassen), das ist eine spannende Frage.

Vermutlich schreiben sie schlicht das, was das Publikum gerade denkt. Vor einem Jahr waren alle optimistisch (völlig zu Unrecht). Derzeit sind alle pessimistisch. Ich bleibe (wie auch vor einem Jahr) Contrarian.

Die Lage ist besser als ihr Ruf. Und die Börsenampel von grossmutters-sparstrumpf steht weiterhin auf Grün.

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8 Kommentare

  1. Blog 99bit

    Ich denke das du recht hast wenn du schreibst „Vermutlich schreiben sie schlicht das, was das Publikum gerade denkt.“
    Die meisten Leute wolle auch nur hören was ihnen grade passest.

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  2. Marco

    Hallo Christian,
    wie bedeutungsvoll für eine kommende Rezession sind eigentlich die derzeit stark invertierten Zinskurven?

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Die waren oft ein guter Hinweis auf eine Rezession. Aber nicht immer. Die Inversion vom Herbst 2019 hat keine Rezession vorhergesagt (auch wenn eine kam – die Corona-Rezession). Am Ende sind wir klüger. Wenn sehr viele Marktteilnehmer sich auf eine pessimistische Sicht einigen, dann kann das ebenso in die falsche Richtung deuten wie die Tatsache, dass gerade sehr viele Marktteilnehmer optimistisch sind.
      Derzeit (noch) optimistisch sind: Morgan Stanley, Zacks Investment, Ken Fisher. Na immerhin.

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  3. Benni

    Wie komme ich zur kleinen Finanzzeitung? Finde diese nicht auf FB – danke

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Es gibt zwei gute Wege. Der erste: Du gehst auf die neuen Seiten der Kleinen Finanzzeitung:
      https://kleine-finanzzeitung.de
      Dort gibt es einen Facebook-Button, gleich unter dem Schriftzug der Kleinen Finanzzeitung.
      Der zweite: Ich habe auf der Startseite auch einen Hinweis auf diese Gruppe. Und einen Button. Du findest sie in der rechten Randspalte.

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  4. Thomas

    Nachvollziehbar, auf jeden Fall habe ich mich jetzt schon mal von einem Teil meiner Ölaktien getrennt, die am All-time-High notieren. Natürlich sind die im Artikel genannten Banken auch hier bullish, aber sinkende Ölpreise versprechen für den Ölsektor erst einmal keine weiteren Kuranstiege.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ja, die Charts der Ölunternehmen sprechen auch eine klare Sprache. Ich warne seit dem Sommer vor diesem Effekt (zumeist in der Facebook-Aktiengruppe „Kleine Finanzzeitung“). Im nächsten Jahr werden die year-over-year Vergleiche beim Umsatz wie beim Gewinne für die Ölunternehmen sehr schwierig. Fallende Gewinne – das mag der Markt bekanntlich gar nicht.

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  5. Thomas

    Christian, danke. Diese Schlussfolgerungen erwartet man z.B. von GS, JP Morgan und der Bank of America. Warum zögern sie diese hinaus? Weil sie warten wollen oder müssen, bis sich bei solchen Prognosen mehr Sicherheit bestätigt und sich weniger Fehleinschätzungspozenzial gezeigt hat? Müssen sich die grossen Publikumsfonds auf solche Prognosen verlassen? Dann können sie ihrerseits auf die Einschätzungen der Grossbanken verweisen und sich eigene Studien dazu ersparen. Wir brauchen sie nicht.

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