Soll ich mir (jetzt) eine Immobilie kaufen? (1)

Neulich in einer Paarberatung: Bernd (42) erzählt von seinem wunderbar billigen Haus. Er zahlt nur 900 Euro, sagt er. Wow. Glückwunsch!

Man muss begeisterten Immobilienbesitzern nicht alles glauben. Natürlich hat er mir nur den Betrag genannt, den er an die Bank bezahlt. Wie hoch sind denn die Nebenkosten (Heizung, Müllabfuhr, Grundsteuer)? Oder sind die bei den 900 Euro schon mit eingerechnet? Natürlich nicht. Und die Instandhaltungsrücklage? Aber nein, auch nicht.

Nun sind wir schon bei 1.700 Euro die ihn sein Haus kostet und damit ziemlich weit von den 900 Euro entfernt, von denen er zu Anfang mit leuchtenden Augen sprach. Und dabei sind mit Sicherheit noch immer nicht alle Kosten berücksichtigt. Die Kosten für den Kauf eines Hauses zum Beispiel (Makler, Grunderwerbssteuer, Notar, Grundbucheintragung). Diese Kosten können bis zu 10% der Kaufsumme ausmachen. Fehlt jetzt immer noch etwas?

Streng genommen heißt die Antwort: Ja. Mein Klient hat beim Kauf 120.000 Euro an Eigenkapitel aufgebracht, Geld, das ich als Aktienbesitzer in den letzten Jahren im Aktienmarkt hatte. Und dort hat es eine Rendite erwirtschaftet. Mittlerweile bringen auch Staatsanleihen wieder Geld ein und er könnte rund 3% für sein Geld bekommen. Bei der Höhe seines Eigenkapitals wären das immerhin 3.600 Euro im Jahr – oder 300 Euro im Monat.

 

Immobilienbesitzer neigen dazu, regelmäßig Geld in ihre Immobilien zu stecken

 

Fehlt jetzt immer noch etwas? Aber ja! Mein Klient hat mir gerade erst von der neuen Pergola erzählt, die er gebaut hat. Seine Frau hat sie sich gewünscht – und hat sich anschließend nicht einmal gefreut. Du merkst schon: Bernd ist aus guten Gründen in die Paarberatung gekommen. Irgend etwas stimmt nicht zwischen ihm und seiner Frau Simone.

Die Kosten seiner letzten Baumaßnahme: Rund 1.000 Euro und rund 20 Arbeitsstunden. Die Kellertreppe muss Bernd demnächst auch noch instand setzen. Das alles kostet Zeit und es kostet Geld. Und das alles rechnet kein Haubesitzer dieser Welt ernsthaft in Heller und Pfennig aus.

Immobilienbesitzer neigen dazu, viel Geld in ihre Immobilien zu stecken. Das Bad könnte schicker aussehen, die Küche muss neu gemacht werden und, und, und. Das alles sind Kosten, die sie bei den 900 Euro, von denen sie bei Familientreffen und im Freundeskreis erzählen, nicht berücksichtigen.

Bernd ist mit seiner Immobilie sehr zufrieden. Er will so leben. Simone  dagegen würde gerne ein Haus kaufen, das deutlich größer, schicker und teurer ist. An dem Punkt können die beiden sich nicht einigen. Das Geld für so ein Upgrade haben die beiden eindeutig nicht. Simone fordert etwas, was ganz offensichtlich nicht zu bezahlen ist. Wie schon erwähnt: Mein Klient sitzt zwar als glücklicher Immobilienbesitzer vor mir, aber als ein unglücklicher Ehemann. Simone kann mit dem was sie hat nicht glücklich sein.

 

Lohnt sich eine Immobilie?

 

Die meisten unabhängigen Beraterinnen und Berater sind sich einig: Sie muss sich nicht lohnen. Eine selbstgenutzte Immobilie ist eine Lifestyle-Entscheidung. Punkt.

Aber die Rendite! Wie hoch die Rendite meines Klienten ausfallen wird, sollte er eines Tages verkaufen, das weiß derzeit noch niemand. Die vergangenen zehn Jahre mit stets steigenden Preisen verleiten viele Menschen dazu, von weiter steigenden Preisen zu träumen. Ist das wirklich realistisch?

Wie die Rechnung für die letzten 12 Monate aussieht (Stand: September 2023), das wissen wir. Immobilien haben sich um rund 10% verbilligt – bei aktuell 6% Inflation. Das ergibt ein reales Minus von immerhin 16%.

 

 

Wie weit es noch nach unten geht bei den Immobilienpreisen, das kann niemand mit Sicherheit sagen. Hat Bernd Pech, dann sind die Immobilienpreise im Keller und er muss trotzdem verkaufen. Weil es zu einer Scheidung von Simone gekommen ist.

Die Renditen der letzten 50 Jahre sind auch bekannt. Da kamen Immobilien nach Abzug der Inflation, also real, auf 0,3% pro Jahr. Mehr nicht. Das erklärt der Finanzexperte Dr. Gerd Kommer. In seinem Video bei  Finanztip erläutert er, warum der Immobilienmarkt noch lange fallen kann, warum wir glauben, dass Immobilien eine gute Geldanlage sind  und warum uns ab 2030 demographisch bedingt möglicherweise ein Markt erwartet, auf dem eine hohes Angebot an Immobilien auf eine abnehmende Nachfrage trifft.

 

Zum Video mit Saidi von Finanztip und mit Dr. Gerd Kommer geht es hier.

 

 

 

 

16 Kommentare

  1. Reiner Nist

    Dachte früher auch so.
    Lebensqualität- Ist für jeden etwas anderes!
    Doch mit 65 Jahren sehe ich dies anderes.
    Es kann so viel passieren in der Zeit der Tilgung des Hauses.
    Wie jetzt gerade hohe Zinsen, hohe Baupreise, Arbeitslosigkeit, familiäre Probleme, Gesundheit etc.
    Klimaschutzgesetzt, Energiespargesetz, Grundsteuererhöhung etc.
    Kann man das Haus als Alleinverdiener stemmen?
    Nach Auszug der Kinder Haus zu groß.
    Mann möchte sich im Alter verkleinern – Hausverkauf bringt aber nicht das Geld für eine neue Eigentumswohnung.
    Wo bleibt dann die Lebensqualität??
    Ich gehe mit meiner Frau jede Woche schön zum Essen zum Wochenausklang, trinke gerne einen guten Wein, mache gerne mal einen kleine Kurzurlaub, nehme gerne mal meine Enkel mit in den Urlaub, besuche gerne mal ein Konzert, liebe es auch gerne mal zuhause zu sein und was gutes zu kochen.

    Mein Spruch zu meinen Kinder war immer das teuerste im Leben ist 1.ein Haus 2. das Auto.
    Der Spruch meiner Mutter war „Spare in der Zeit dann hast Du in der Not“.
    Ich Denke wenn man sich mit dem Gedanken einer Immobilie beschäftigt sollt man nicht unter 30 % Eigenkapital starten.
    Ich bin auch auf Teil II gespannt.

    Viele Grüße

    Reiner

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  2. Arne

    Ich glaube, für den durchschnittlichen Bürger ist die eigene Immobilie wegen des Zwangsspareeffektes trotzdem die richtige Wahl, da in der Realität kaum jemand konsequent die Differenz am Aktienmarkt anlegt. So sind Menschen nunmal. Daher sind Immobilienbesitzer durchschnittlich auch wesentlich vermögender im Alter als Mieter. Der Argumentation, dass das Eigentum reinen Konsum darstellt, kann ich auch nicht viel abgewinnen. Für das Wohnen muss man so oder so Geld ausgeben, da geht kein Weg dran vorbei. Wenn ich mir das Haus selber vermiete, kann ich weniger absetzen, das ist aus meiner Sicht der größte Nachteil. Bei uns in D ist der Effekt der langen Darlehenslaufzeiten und der dadurch fixierten Kosten auch nicht zu unterschätzen. Bei 20 oder gar 30 Jahren macht das zu den gestiegenen Mieten schon einen Unterschied.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Wer kauft zahlt 20-30% mehr als der der mietet. Durchschnittlich.
      Das Argument mit dem Zwangssparen ist in meinen Augen das spannendste. Niemand spart so konsequent wie Hausbesitzer, keine Frage.
      Deshalb sind Hausbesitzer am Lebensende oft vermögender als Mieter. Allerdings haben sie nicht viel davon. Aktien kann ich mit 70 Jahren oder mit 80 Jahren zunehmend verkaufen. Ein Immobilie wird in der Regel schlicht vererbt. Der Besitzer hat die Freude am wohnen, verkaufen will er sie hingegen nicht.

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  3. Sven

    Und wenn man die geliebte Immobilie dann nach 25-30 Jahren abbezahlt hat, fängt man auch schon wieder an zu renovieren. Fenster, Türen, Heizung (bestimmt zwischendurch auch schon mal). Eigengenutzte Immobilien sind Luxus und man sollte gut abwägen ob es einem das wert ist. Die finanzielle monatliche Belastung, kann einen schon zusetzten. Man hört es im Umfeld immer wieder: Dieses Jahr fahren wir nicht in Urlaub, wir machen unseren Garten schön. Dafür ist das Geld einfach nicht mehr da.
    Sowie der Herr Thiel in seinem Artikel schreibt 1700 Euro monatliche Kosten! Die müssen erstmal verdient sein
    Klar gibt es Gutverdienende, aber die Größe und der Luxus der Immobilie wird immer den Verdienst angepasst. So das am Ende das gleiche bei raus kommt. Investiert klug, macht was für die Altersvorsorge fahrt in Urlaub und steckt nicht alles in die vier Wände.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Die „Liebe“ zu den eigenen vier Wänden kann Menschen stark verändern. Und sie kann sie auf mittlere und lange Sicht sehr unglücklich machen. Leider. Aber das Thema kommt dann demnächst.

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  4. Christian

    ich habe 3 Häuser, eines in einer Stadt in Bayern, eines in den Alpen und eines in Griechenland mit Panorama Meerblick – das ist Lebensqualität. Wenn mir z. B. jemand für mein Haus in Griechenland 5.000.000 € zahlen würde, ich würde es nicht hergeben. Was soll ich mit 5 Millionen Euro? Verprassen? Auf Kreuzfahrtschiffen herumlungern?
    Ich habe ein paar Aktien, mehr brauche ich nicht. Ein gutes Leben ist wichtiger!

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  5. Jonas

    Hallo,
    ich kenne einige, die im eigenen Haus wohnen, ich selbst auch. Bei fast allen trifft zu, was im Beitrag oben nur in einem Satz nebenbei erwähnt wird – Lifestyle und Sicherheit. Aus meinem eigenen Haus kann mich niemand raus schmeißen (sofern es abbezahlt ist). Bekannten von mir ist das passiert, nach über 20 Jahren im Mietobjekt mit Mitte 60. Da steht man heute dumm da und darf sich was anderes suchen.
    Für mich haben Renditeüberlegungen o.ä. überhaupt keine Rolle gespielt. Ich wollte und will in einem Haus leben, mein Sohn ist mit Garten und Platz zum spielen aufgewachsen und keiner kann mir wegen Eigenbedarf kündigen. Für die wenigsten Eigenheimbewohner spielen Renditeüberlegungen eine Rolle. Was nutzen mir Aktienrenditen, wenn ich nicht so leben kann, wie ich möchte?
    Gruß Jonas

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      So soll es sein, Jonas.
      Mein Vater pflegte zu sagen: „Eine Immobilie entzieht sich jeder ökonomischen Kalkulation.“ Und so war es auch. 25 Jahre lang fiel der Preis des Hauses das er sich gebaut hatte (und zwar auch nominal, also bevor die Inflation mit eingerechnet wird, real dürfte das Haus Jahr für Jahr 4-5% an Wert verloren haben. Ihn hat das nicht gestört. Er hat sich an seinem Haus gefreut. Und genau so soll es sein. Man muss sich das allerdings auch leisten können. Deshalb werden eigengenutzte Immobilien von vielen Finanzcoachs und -beratern als eine Form des Konsums angesehen.

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      1. Werner Deil

        Es würde mich interessieren, wo ihr Vater das Haus hatte. Habe viele Jahre in münchen,und Oberbayern (Garmisch, Starnberg) mit Immobilien mich beschäftigt. Mir ist in keinem einzigen Fall vorgekommen, dass eine Immobilie (Wohnung oder Haus) im Wert gefallen ist. Übrigens waren die ganzen Zeiten die bankzinsen teilweise höher, wie jetzt, die rund 4 – 5% Zinsen. Die letzten Jahre, vor der Zinserhöhung, waren teilweise die Steigerungen exorbitant. Wie mehrmals nach dem Krieg, wird die jetzige Zinserhöhung sich bald erholen. Unser Problem bei Immobilien ist doch das geringe Angebot und unser immer höherer Wunsch nach größerer Wohnfläche. Zuzug aus dem Ausland nicht vergessen. Aus den Antworten der Mitleser sind richtigerweise weitere wichtige Argumente zu sehen. Hier haben wir eine 78 jährige Frau, die in einer gemieteten Wohnung von dem neuen Eigentümer gekündigt wurde, wegen Eigenbedarf. Die Frau ist in dieser Wohnung geboren und sagt, dass sie lieber stirbt, wie auszuziehen. Macht keinen Spaß das mit zu erleben. Ich lebe übrigens von täglich stundenlangem beschäftigen mit Aktien. Das.ist neben Golfen mit meinen 86 Jahren die einzige erfreuliche Beschäftigung, auch wenn es mal wieder abwärts geht.

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        1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

          Die Immobilienpreise sind in weiten Teilen Deutschlands bis vor ein paar Jahren gefallen. Im Harz. Im Hochsauerland. In Zittau.
          Es ist alles eine Frage von Zuzug oder Wegzug. Und natürlich hat es auch damit zu tun, dass so eine Immobilie altert. Sie kann nach 20 Jahren durchaus sehr viel weniger wert sein – der Sanierungsbedarf ist ja auch höher.
          In Burg hat ein Bekannter von mir eine Immobilie geschenkt bekommen. Der Verschenker hatte sie mal für 10.000 Euro bekommen – und wollte sie unbedingt loswerden. Er war den Ärger mit den Mietern leid.
          In Sachsen-Anhalt kann ich ein gutes Einfamilienhaus (leerstehend) für 20.000 Euro bekommen.

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  6. Thomas

    Hallo Christian, vielen Dank für deinen Beitrag. Aber fehlt da nicht ein „k“ ??
    „warum wir glauben, dass Immobilien (k)eine gute Geldanlage sind und warum uns ab 2030 demographisch bedingt möglicherweise ein Markt erwartet, auf dem eine hohes Angebot an Immobilien auf eine abnehmende Nachfrage trifft.“
    Gruß Thomas

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Aber nein. Ich finde ohne das „k“ ist es genau richtig.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian

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  7. Adam

    Hier stehen 16,2 Millionen Einfamilienhäuser. Wenn in jedem 5 Menschen wohnen würden, wären alle untergebracht und es bräuchte kein einziges Mehrfamilienhaus in Deutschland.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Meine Eltern wohnen zu zweit auf 250 Quadratmeter Wohnfläche. So ist das leider mit Immobilien. Sind die Kinder aus dem Haus, ist das Haus zu groß.
      Derzeit leben extrem viele Menschen auf extrem viel Wohnraum den sie nicht brauchen. Aber kaum jemand möchte sein Haus aufgeben. Ich kann das gut verstehen. Das Herz hängt an den eigenen vier Wänden.

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  8. Florian

    Hallo Christian,

    die eigene Immobilie steigert das Lebensglück. Gerade in einer Großstadt kann dich dann niemand rausschmeißen. Besonders schön ist das ganzen dann, wenn du Kinder hast oder schon etwas älter bist. Ich denke, da pfeifen die meisten auf die Rendite und freuen sich im Eigenheim zu wohnen.

    Interessant ist auch die Frage, warum reiche Menschen ihr Kapital nicht zu 100% in Aktien anlegen, auch wenn es rational am sinnvollsten wäre. Ich habe mal gehört, dass da das Verhältnis eher 50:50 ist (kann aber auch sein, dass das nicht stimmt).

    Ich freu mich schon auf Teil 2.

    Viele Grüße
    Florian

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Hallo Florian,
      Immobilien steigern nicht das Lebensglück. Sie steigert bei einigen Menschen das Lebensglück (ich hoffe, das ist der größere Teil) und bei anderen verringert es sie zum Teil sogar ganz erheblich. Darum wird es demnächst gehen in Teil zwei oder drei der Serie.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian

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