Neun Gründe eine Aktie zu verkaufen

Vielleicht geht es dir ja wie mir und du schaust voller Bewunderung auf einen Chart wie den oben. Siehst du irgendeine Notwendigkeit, diese Aktie zu verkaufen? Oder denkst du wie ich, es sei sinnvoll, sie die ganze Zeit einfach zu halten? Oder gar nachzukaufen?

Rückblickend ist so eine Antwort immer ganz leicht zu geben. Sie lautet natürlich: Halten. Und unbedingt weitere Aktien zu kaufen. Der Kurs der  Aktie steigt von 15 Euro bis auf 150 Euro. Das sind 1.000 Prozent Gewinn in gerade einmal fünfeinhalb Jahren! Warum sollte irgendjemand seine Anteile an so einem Unternehmen verkaufen wollen?

Du hast Recht. Und doch habe ich es getan. Ich habe FACEBOOK bei 22 Euro mit einem Gewinn von 50 Prozent verkauft. Und das war falsch. Ganz falsch. Du kannst die ganze Geschichte gerne auch hier nachlesen. Aus meinen 2.000 Euro die ich in FACEBOOK investiert hatte, wären heute 20.000 Euro geworden. Autsch!

FACEBOOK ist nicht die einzige Aktie der ich lange Zeit hinterhergeschaut habe. Mir ist das auch mit PRICELINE (jetzt: BOOKING) und mit XING passiert. Beide Aktien habe ich mal im Depot gehabt – und habe sie dann mit einem guten Gewinn wieder verkauft. Nun ist an Gewinnen ja nichts verkehrt – aber eine gute Aktie zu verkaufen die noch viel mehr Gewinn bringen kann, ist das wirklich sinnvoll?

 

Wann solltest du verkaufen?

 

Wann ist es sinnvoll zu verkaufen? Diese Frage hat in dieser Woche ein Mitglied der Facebook-Börsengruppe „Kleine Finanzzeitung“ gestellt:

 

Hallo zusammen, häufig ist es sehr schwierig, den optimale Zeitpunkt für den Verkauf einer Aktie zu bestimmen, deshalb stellen sich folgende Fragen für mich: Welche Gründe sind für Euch für den Verkauf einer Aktie ausschlaggebend? Was muss geschehen, damit Ihr Euch komplett von einer Aktienposition trennt?

Zahari Slavov

 

Danke Zahari. Eine wirklich schöne Frage. Ich bin ihr bislang noch nie richtig nachgegangen. Das wird nun sofort nachgeholt.

 

 

Erster Grund: Dein Investment raubt dir den Schlaf

 

Nur mal angenommen, du hast eine sehr große Portion deines Geldes in das amerikanische Unternehmen TESLA investiert, weil du zutiefst von der Zukunft der Elektromobilität überzeugt bist – und nun kommen dir Zweifel, ob das wirklich so eine gute Idee war. Oder du hast in die deutsche Firma NORDEX investiert, weil du der Ansicht bist, diese Welt werde durch Windenergie eine bessere Welt.

Beides sind ehrenwerte Motive. Aber wie der Chart oben zeigt, kann ein Investment in einen Windanlagenbauer wie NORDEX eine schreckliche Achterbahnfahrt sein. In den letzten Jahren ging es von 5 Euro hoch bis auf 32 Euro – und dann runter bis auf 7 Euro. Schrecklich.

Zudem ist auch der Blick auf die letzten 20 Jahre nicht gerade vertrauenserweckend. Immerhin steht das Unternehmen immer noch um 89 Prozent im Minus gegenüber dem Jahr 2000.

Wir legen Geld an, um uns das Leben zu erleichtern und es zu verbessern. Unser Leben zu verbessern, das Leben unserer Kinder und das Leben unserer Enkel. Wenn eine Investment dir aber den Schlaf raubt, dann solltest du über einen Verkauf nachdenken. Sie verbessern dein Leben nicht.

Das ist ein guter Grund, sie zu verkaufen.

 

Zweitens: Du brauchst das Geld in den nächsten Jahren

 

Geld, das du in den nächsten zwei oder drei Jahren dringend brauchst, gehört nicht in den Aktienmarkt. Das muss nach einem acht Jahre dauernden Bullenmarkt immer mal wieder gesagt werden, denn wir werden auch wieder fallende Kurse sehen.

Mit den Worten fallende Kurse meine ich jetzt nicht die Korrektur die uns in den vergangenen Monaten beschäftigt hat. Solche Korrekturen sind in der Regel schnell vorbei, nach drei oder vier Monaten. Schauen wir mal, ob diese sich an die Regeln hält. In einer Korrektur fallen die Kurse ‚nur’ um 10-20 Prozent.

Mit fallenden Kursen meine ich einen echten Bärenmarkt, bei dem es für einen deutlich längeren Zeitraum (9-12 Monate) um 20-35 Prozent bergab geht und dann erst wieder bergauf. Mit einem richtigen Bärenmarkt hast du möglicherweise erst nach zwei bis drei Jahren den vorherigen Stand wieder erreicht.

Von einem solchen Bärenmarkt ist derzeit nichts zu sehen. Das kann auch noch zwei oder drei oder gar fünf Jahre dauern. Keiner weiß es genau. Aber es wird passieren – mit Sicherheit. Wenn du in dieser Zeit Aktien verkaufen musst, weil du das Geld brauchst, kann das einen hohen Verlust für dich bedeuten.

Die Zeitspanne für die du Geld, das du brauchst, aus dem Aktienmarkt ziehst ist keine feste Größe. Geht es um deine Rente die du aus Aktien bestreitest oder auch nur um einen Teil deiner Rente, dann kann es auch sinnvoll sein, das nötige Geld für volle fünf Jahre nicht im Markt zu haben.

Der Grund für diese Regel ist ganz einfach. Fallen die Kurse wirklich stark, dann wirst du – wie wir alle – Angst bekommen um dein Geld. Geht es um das Geld, dass du in den nächsten Jahren dringend brauchst, dann ist diese Angst möglicherweise deutlich größer, als wenn deine Rente ohnehin erst in 20 Jahren ansteht.

 

 

Drittens: Das Unternehmen hält nicht mehr, was es einst versprochen hat

 

Konglomerate wie COCA COLA (Chart oben), PROCTER & GAMBLE, UNILEVER und NESTLE waren bis vor einigen Jahren eine sehr gute Wahl für dein Depot. Das ist nun schon seit einigen Jahren anders. Die Konglomerate hinken dem Markt weit hinterher. Wer sie im Depot hat, der muss Jahr für Jahr mit Verlusten oder zumindest mit sehr kleinen Gewinnen leben. Und das ist auch dann so, wenn du nicht nur auf die Kursentwicklung schaust, sondern auch die recht ansehnlichen Dividenden einrechnest, die diese Unternehmen ausschütten.

Der Grund für diese Schwäche der Konglomerate – ich nenne es gerne  auch die Konglomerat-Krankheit – ist derzeit noch nichts ganz klar. Es ist leider auch völlig unsicher, ob diese Unternehmen, die von Marken leben, die bei Konsumenten sehr bekannt sind, je wieder zu einem starken Wachstum zurückkehren können.

Ich persönlich glaube das nicht. Ich gehe davon aus, dass die zwei Gründe für die Konglomerate-Krankheit AMAZON sowie Internet heißen. Beide, sowohl AMAZON als auch das Internet werden nicht verschwinden – im Gegenteil. Beide wurden und werden stets mächtiger.

Marken werden heute oft über das Internet bekannt. Unternehmen  brauchen keine Regelmeter bei Edeka oder Rewe zu kaufen, um ihre Kunden zu erreichen. AMAZON und das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, Marken auf ganz anderen Wegen bekannt zu machen (über YouTube zum Beispiel), haben nach meiner Auffassung zu der Konglomerat-Krankheit geführt.

Unten siehst du noch den Chart von NESTE als einen weiteren Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine Schwäche eines einzelnen Unternehmens handelt. Der Chart sieht beinahe genauso aus, wie der von COCA COLA (oben). Und in beiden Fällen beginnt die Krankheit im Jahresverlauf 2015.

 

 

Die nächste schwere Krankheit wird nach meiner Auffassung die „Erdöl-Krankheit“ sein. Zwischen 2025 und 2030 wird der weltweite Erdölverbrauch seinen Zenit erreichen. Peak Oil. Von da an geht er unerbittlich zurück. Wie stark? Niemand weiß es.

Nein, das alles passiert nicht etwa, weil es kein Öl mehr gibt. Andere Energiequellen wie Sonne und Wind werden schlicht günstiger sein. Die Verbraucher werden sich darauf einstellen. Und die günstigeren Energien nutzen. Zum Beispiel zum Autofahren.

Die fallende Nachfrage wird die Erdöl-Firmen mächtig unter Druck setzen. Die Produzentenländer werden alles versuchen, um ihre Marktanteile und ihre Einnahmen zu halten. Doch das ist in einem zurückgehenden Markt bekanntlich eher schwer. Eine rückläufige Nachfrage wird auf den Preis drücken. Und auf die Gewinne.

Ich rechne schon im Vorfeld dieser Entwicklung, ab etwa 2020 mit einer deutlich erkennbaren „Erdöl-Krankheit“, die die Kurse von EXXON, BP, ROYAL SHELL DUTCH und GAZPROM über Jahre drücken wird.

 

Viertens: Du hast ein weiteres gutes Unternehmen gefunden

 

Manchmal verkaufe ich Anteile von guten Unternehmen, weil ich mir Anteile an anderen guten Unternehmen kaufen möchte. So habe ich APPLE Ende 2015 auf 20 Prozent aufgestockt – die Aktie war einfach zu günstig. Dafür mussten andere Aktien verkauft werden. CHIPOTLE habe ich schon im letzten Jahr erstmals gekauft (ganz schlechter Zeitpunkt) und in den letzten Monaten noch zwei Mal günstig nachgekauft (viel besser).

Auch diesmal musste ich mich von anderen Aktien trennen. Zuletzt hat es JOHN DEERE und SOUTHERN COPPER erwischt, zwei Zykliker, die ich ohnehin in den nächsten beiden Jahren reduzieren wollte.

 

Ups – jetzt ist der Text aber schon ziemlich lang geworden! Sieht so aus, als wenn es besser wäre, in einer Woche mit den restlichen fünf Gründen Aktien zu verkaufen weiterzumachen.

Stay tuned!

 

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8 Kommentare

  1. Felix

    Die Öl-Krankheit sehe nicht so. Von Peak-Oil spricht man seit Jahrzehnten. Die vielen sich entwickelnden Länder und die wachsende Weltbevölkerung wird noch sehr lange Öl nachfragen. Im Weltmaßstab spielen dei erneuerbaren Energie eine marginale Rolle.

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  2. Florian Wiedemann

    Hallo Sparstrumpf,

    erstmal vielen Dank für deinen sehr durchdachten Blog und die immer wieder tollen Beiträge. Du hast mir und bestimmt auch vielen anderen in den letzten Korrekturen viel Kraft gegeben die Positionen zu halten und ggf nachz kaufen.
    Der aktuelle Beitrag ist aber der für mich bisher interessanteste und auch tiefgreifenste, weil diese Frage meiner Meinung nach generell über Erfolg oder Misserfolg an der Börse entscheidet. Wann sollte man eine Position verkaufen?
    Meiner Meinung nach gibt es 3 Gründe:
    1. Wir sind tatsächlich in einem Bärenmarkt angekommen. Dann ist es generell besser einfach Cash zu halten. Die Frage ist halt nur, wann handelt es sich wirklich um einem Bärenmarkt und wann nicht und wann ist es vorbei? Dann muss ich schnell wieder rein:)
    2. Ich kann eine Aktie ja nur verkaufen wenn ich vollkommen davon überzeugt bin, dass die Aktie, die ich mir statt dessen kaufen will, besser läuft, als die die ich gerade verkauft habe. Was mich zu drittens führt:
    3. Die Aktie läuft nachhaltig (meiner Meinung nach ca 6 Monate) dem Gesamtmarkt hinterher.

    Viele Grüße aus München, bitte mach weiter, ich bin großer Fan
    Florian

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Warum sollte ich in einem Bärenmarkt verkaufen? Das leuchtet mir nicht ein. Ich würde kaufen.
      Wer 2008 und 2009 Aktien gekauft hat, der hat den großen Gewinn gemacht. Wer dagegen verkauft hat, der ist am ende nicht mehr wieder günstig reingekommen. Vor einem Bärenmarkt verkaufen und danach kaufen ist in meinen Augen nur theoretisch ein tolles Konzept – ganz praktisch kenne ich einfach niemanden, dem das gelungen wäre.
      Im Bärenmarkt kaufen – das ist dagegen sehr vielen gelungen – alles voran Warren Buffett.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian

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      1. Florian Wiedemann

        Wenn es gerade richtig abwärts geht braucht man halt auch echt starke Nerven, um zu halten bzw Stahlseile um nachzukaufen. Und vor allem wann soll man nachkaufen? Wenn das letzte Hoch x-y Wochen zurückliegt? Heißt es nicht immer „never catch a falling knife“?
        Ich denke die 200 Tage Linie mit etwas Puffer (vielleicht 3%) des zugrundeliegende Index bildet eine gute Börsenampel. Ist er drunter stegt man aus, steigt er drüber steigt man wieder ein. Der Ein- und Ausstiegszeitpunkt ist vielleicht nicht optimal, aber man hätte einiges an Verlusten vermieden und trotzdem die Gewinne erlebt, wie wenn man dauerhaft drin geblieben wäre.

        VG Florian

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        1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

          Auch da hätte ich genau das Gegenteil geraten (und habe es selber auch schon oft gemacht. APPLE oder FACEBOOK kauft man natürlich gerade dann wenn sie unter der 200er-Linie liegen. Ja wann denn sonst? Dann sind sie doch billig. So wie du dir das vorgehen an der Börse vorstellst würde ich sagen: Kauf einfach und lass liegen – am besten ETFs. Dann hast du den Gewinn des Indexes. Und der ist in der Regel schon hoch genug.
          Schöne Grüße aus Berlin
          Christian

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          1. Florian Wiedemann

            Hallo Christian,

            sorry ich nochmal…
            In den letzten Jahren ist die Strategie -kaufe während der Korrektur die Gewinner der letzten Jahre- voll aufgegangen. Selbst bei einem kurzen, heftigen Crash (so wie die Finanzkrise) hätte bzw. hat das funktioniert, wenn man die Nerven behalten hat.
            Was sollte man Deiner Meinung nach aber tun, wenn der nächste Chrash nicht kurz und heftig, sondern langsam und schleichend ausfällt. Die Kurse fallen langsam aber beständig über mehrere Jahre, auf ein Tief folgt immer wieder ein noch tieferes Tief (fast wie bei Rudi Völler damals als Nationaltrainer:)). Die Indizes sehen die 200 Tage Linie schon seit Jahren die meiste Zeit nur noch von unten, wie z.b. der Nikkei von 89 – 03. Wenn man da in den Korrekturen immer nachgekauft hätte, wäre man heute zumindest was das Depot anbelangt, recht unglücklich. Auch ein Nikkei ETF wäre ziemlich bescheiden gewesen (Zwischen Anfang und Mitte der Neunziger, also während der Korrektur gekauft und bis heute gehalten, dann wäre man grad bei 0). Ich bin kein Crash Prophet und ich will es auch nicht sein, aber theoretisch kann das dem DAX – MDAX – S&P500 ja auch blühen… nicht heute, nicht morgen, nicht in 5 Jahren, aber irgendwann, wenn wir uns alle sicher genug fühlen, dass die „Kauf-während-der-Korrektur“ Strategie aufgeht.

            Viele Grüße und danke für Deine Antworten
            Florian

  3. Jirka

    Hmm. Der Argumentation, wie Amazon und Internet die Nahrungsmittel- und Konsumgüterhersteller verdrängen sollen, kann ich nicht ganz folgen.
    Sind das nicht nur andere Vertriebswege bzw. völlig andere Geschäftsmodelle?
    Gefr… (Nestlé), gesof… (Coca-Cola) und geschi… (Pampers by Procter & Gamble) wird doch immer.
    Solange Gewinne noch steigen, ist für mich das Geschäftsmodell in Ordnung und stagnierende Kurse führen wieder zu gesünderem KGV.
    Zinsentwicklung und politische Risiken haben zu viele Anleger in sichere Geschäftsmodelle getrieben. Die entsprechenden Aktien wurden zu teuer und aktuell normalisieren sich die Preise wieder. So würde ich das interpretieren.
    Der FAANG Hype erinnert mich an den neuen Markt. Natürlich hat das Thema Zukunft, aber die Phantasie ist schon stark eingepreist und der Innovationsdruck hoch. Ich sehe eher Potenzial bei den chinesischen Nachahmern Tencent, Alibaba und Baidu.

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  4. RK

    Mit meinen wenigen Verkäufen war ich bislang rückblickend meist unzufrieden, außer, als ich irgendwann mal RWE verkauft habe. Von Käufen ist man natürlich immer überzeugt, aber Verkäufe sind psychologisch einfach äußerst schwierig. Aber Ihr Artikel enthält wie immer viele interessante Gedanken, vor allem für jemanden, der Coca-Cola, Nestle und Shell („Erdöl-Krankheit“) in seinem Depot hat.

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