Darf ich mir nur eine Aktie kaufen?

Ich habe da mal eine Frage: Ich habe mir überlegt in einen ETF-Sparplan zu investieren und Amazon Aktien zu kaufen. Mehr nicht. Ich weiß, man sollte weit streuen aber so viel Geld habe ich dann auch nicht. Außerdem finde ich es spannend einen Teil von Amazon zu besitzen. Meinst du, dass das für den Anfang gut so ist? Oder würdest du mir was anders empfehlen?

Viele Grüße

Ron (20), Düsseldorf

Danke für die Frage, Ron. Ich habe sechs Anmerkungen dazu.

 

Erstens: Ich darf dir keinen Rat geben

 

Ich bin kein Anlageberater. Deshalb darf ich dir gar keinen Rat geben. Das ist bei allem was ich jetzt gleich noch schreiben werde sehr wichtig. Ich schreibe in der Regel so ziemlich das, was ich denke. Ich schreibe was ich selber an deiner Stelle machen würde. Ich kann und will dir aber keinen Rat geben. Ich will, dass du selber zu einer Entscheidung kommst. Das ist für uns alle der beste Weg wenn es darum geht Geld anzulegen – wir sollen selber Verantwortung übernehmen.

Zweitens: Das Wichtigste ist – anfangen

 

In diesem Punkt sind sich alle Anlageexperten ausnahmsweise mal einige. Warren Buffett sagt es. Peter Lynch sagt es. Und Ken Fisher sagt es auch. Das wichtigste ist, dass du anfängst – und sei es mit kleinen Beträgen und mit einer noch nicht ganz perfekten Strategie. Macht nichts. Hauptsache du fängst an!

Der Zinseszins wird es dir am Ende danken. Jeder Euro den du mit 20 Jahren anlegst ist etwa so viel wert wie 2,16 Euro mit 30 Jahren oder 4,66 Euro angelegt mit 40 Jahren. Für diese Rechnung bin ich von einem Return von 8 Prozent bei Wiederanlage aller Dividenden ausgegangen. Gut möglich dass es in den nächsten beiden Jahrzehnten deutlich höhere Renditen gibt. Bei einem Return von 10,5 Prozent wie es sie der MDAX in den letzten 25 Jahren bot, sind die Zahlen noch sehr viel höher. Dann ist jeder Euro heute soviel wert wie 7,37 Euro angelegt mit 40 Jahren.

Drittens: Breit streuen ist sehr wichtig

 

Diversifikation ist sehr wichtig. Aus diesem Grund finde ich es eine gute Idee, wenn du mit einer Anlage in einen oder mehrere ETFs anfangen willst. Ein ETF auf den MDAX sorgt dafür, dass du in immerhin 50 mittelgroße Unternehmen in Deutschland investiert bist. Das ist eine sehr hohe Diversifikation. Wenn du dann auch noch einen ETF auf den amerikanischen Index S&P 500 kaufst, dann hast du schon 550 Unternehmen in deinem Depot, aus zwei der größten Volkswirtschaften der Welt. Damit hast du breit diversifiziert. Du kannst natürlich auch einfach den MSCI World kaufen.

 

Viertens: Du darfst anlegen wie du willst

 

Du darfst dein gesamtes Geld in AMAZON anlegen wenn du so dermaßen begeistert bist von Jeff Bezos und seiner Firma – weil es dein Geld ist.

Die Frage ist allerdings: Ist das auch vernünftig?

Dazu kann man ganz verschiedene Meinungen haben. Ich persönlich würde nie mehr als 20 Prozent meines Depots in Aktien von AMAZON liegen haben wollen. Warum? Wegen des damit verbundenen Risikos. Jeff Bezos muss morgen nur einen schweren Autounfall haben – schon schmiert die Aktie ab. Und selbst ein so gutes Unternehmen wie AMAZON kann auch aus anderen Gründen Probleme bekommen, zum Beispiel wegen seiner marktbeherrschenden Stellung.

Ob du der Aktie von AMAZON mehr als 20 Prozent oder doch lieber weniger einräumen willst, das ist ganz alleine deine persönliche Entscheidung. Wenn du dich damit wohl fühlst, dann mach es.

Ich persönlich würde das nicht tun. Aber ich bin 57 Jahre alt – und du bist erst 20. Das ist ein Unterschied der uns noch beschäftigen wird. Denn es ist überhaupt nicht einerlei, in welchem Alter wir solche Entscheidungen treffen.

 

Fünftens: Kommt drauf an wie alt du bist und wie viel Geld du hast

 

Wenn du gerade einmal 20 Jahre alt bist und dein erstes Geld gespart hast – zum Beispiel 1.500 Euro – dann darfst du ohnehin alles tun was du willst, wenn es denn nicht völlig absurd ist wie etwa der Kauf von Gold es in meinen Augen ist. Du musst im Moment noch nicht vernünftig sein, so lange du einen vernünftigen Plan hast wie du in Zukunft anlegen willst.

In dem Fall kaufst du dir eine einzige AMAZON-Aktie, denn zu mehr reicht dein Geld ja nicht. Du kaufst sie weil es dir Spaß macht an diesem wunderbaren Unternehmen beteiligt zu sein. Und wenn du wieder einmal Geld zum Anlegen hast, dann kaufst du dir die beiden ETFs. Oder machst einen Sparplan. So sieht die Welt mit 20 aus.

Ganz anders aber ist die Lage, wenn du wie ich 57 Jahre alt bist und wenn es sich bei den Summen die du anlegen willst um höhere Beträge handelt, zum Beispiel um 150.000 Euro. In dem Fall wirst du in einigen Jahren von dem Geld einen Teil deiner Rente bestreiten müssen. Wer in meinem Alter all sein Geld (oder auch nur einen sehr großen Teil davon) in AMAZON steckt, der handelt in meinen Augen hochgradig fahrlässig. Er darf das selbstverständlich immer noch tun, wir sind ein freies Land in dem Menschen ihre Geldanlage auf so etwas Seltsames wie auf den Kauf und die Vermietung von Schiffscontainern setzen dürfen. Oder auf den Bitcoin. Alles erlaubt.

Aber trotzdem würde ich in solchen Fällen natürlich immer warnen. Wer sein gesamtes Geld in meinem Alter auf eine einzige Aktie setzt, der gefährdet seine Rente. Sein Geld so anzulegen, dass ist einer der wenigen Wege auf denen es möglich ist, an der Börse sein gesamtes Geld zu verlieren.

Zurück zu dir. Du bist 20 Jahre alt. Für dich gibt es die gerade beschriebene Gefahr nicht. Wenn du dir vor lauter Freude über dein selbstverdientes Geld eine Aktie von AMAZON kaufst, dann ist das unter gar keinen Umständen kritisch für deine Zukunft. Geldanlage soll auch Spaß machen.

Und wenn dir die Parallele gefällt: Warren Buffetts erste Aktie war auch ein einziges Unternehmen. Er konnte sich im Alter von 11 Jahren nur drei Stück von der Firma seiner Wahl leisten – CITIES SERVICE . Und er hat es gemacht.

Diese Aktien kosteten ihn 111 Dollar. Klingt wenig – ist aber in Wahrheit doch eine ganze Menge Geld für einen Jungen in dem Alter. In heutigen Dollar gerechnet handelte es sich um die Summe von rund 1.800 Dollar. All dieses Geld hatte sich Warren Buffett zu der Zeit schon gespart. Zum großen Teil hat er es sich auch durch Arbeit verdient.

Bereut hat Warren Buffett den Kauf von CITIES SERVICE nie – wohl aber den viel zu frühen Verkauf. Er hat sein Investment mit einem Gewinn von nur 6 Dollar wieder beendet (nach heutigem Geld immerhin rund 100 Dollar). Die Aktie hat sich in den folgenden Monaten im Kurs verdoppelt. Der ganz große Gewinn ist ihm also entgangen. Weil er ungeduldig war.

 

Sechstens: Wer mit ETFs breit diversifiziert ist darf bei Einzelaktien unausgewogen sein

 

Diese Regel habe ich selber erfunden – weil ich sie einleuchtend finde. Wer die Hälfte seines Depots mit ETFs bestückt, der muss im Rest seines Depots keine besonders ausgewogene Mischung von Branchen oder Regionen berücksichtigen. Er darf da auch einseitig sein. Wichtig ist allerdings auch in diesem Fall, dass er bereit ist sich mit den Unternehmen die in seinem Depot sind auch zu beschäftigen.

Die Vorteile dieses Vorgehens liegen auf der Hand. Wer sein Depot so ausrichtet, der kann sich auf sehr wenige Einzelaktien konzentrieren. Das ist viel einfacher als stets und immer über 15 oder 20 Aktien informiert zu sein.

Ich selber kaufe bevorzugt Unternehmen, über die ich auch gerne und viel lese. Weil sie mich interessieren. APPLE, FACEBOOK, AMAZON. Über diese Firmen lese ich fast jeden Tag neue Berichte. Ich bin sehr neugierig, wie sich der Technologiesektor weiter entwickelt. Sogar APPLEs Versuche, sich mit eigenen Prozessoren mehr und mehr von den Konkurrenten abzusetzen finde ich spannend. Ich lese jeden Text, den Ashraf Eassa auf fool.com dazu schreibt. Für mich ist das Lesen über ‚meine’ Unternehmen sehr wichtig. Ich kann die Firmen in die ich investiere auf diese Weise viel besser einschätzen.

Pharma-Unternehmen dagegen sind mir ein Gräuel – das siehst du an meinem Depot, in dem sich nur ein einziger Pharmawert befindet. Wer sich gerne mit diesen Firmen beschäftigt, für den sieht die Anlagewelt selbstverständlich ganz anders aus als für mich.

Fazit

 

Das waren meine sechs Gedanken. Nun bist du am Zuge. Du entscheidest, was du mit deinem Geld machst. Und wenn du dich entschieden hast, dann darfst du das Ergebnis gerne als Kommentar unter diesem Blogbeitrag hinterlassen. Für alle neugierigen Leserinnen und Leser.

 

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13 Kommentare

  1. Marius

    Im MDAX sind aber nicht nur mittlere deutsche Unternehmen. Das L in RTL Group steht z.B. für Luxemburg. Airbus Group hat eine Marktkapitalisierung von 77 Mrd. und ist damit größer als viele DAX Unternehmen. Airbus ist im MDAX, da in den DAX nur deutsche Aktien dürfen. Also weder deutsch (niederländisch) noch mittelgroß.
    Die im S&P 500 und MDAX enthaltenen Firmen sind eh alle Globalplayer, man ist also nicht nur in den Volkswirtschaften USA und Deutschland sondern weltweit investiert.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Danke Marius, das mit AIRBUS wusste ich schlicht nicht. Ansonsten hätte ich es nicht besser ausdrücken können. Natürlich ist jeder der in diese Unternehmen anlegt international investiert – deshalb bin ich persönlich so ein Fan dieser Kombination. Sie ist allerdings in den letzten Jahren auch schlicht unschlagbar gut gewesen. Ich schlage den MDAX mit meinem Depot (und seit zwei Jahren mit dem wiki) deutlich – aber Warren Buffett zum Beispiel schafft es ganz knapp nicht.

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  2. Marco Dargel

    Direktkauf ist immer günstiger. Du kann jeden Sparplan auch günstiger selber machen.

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    1. K.

      Stimmt nicht, manche Sparpläne sind kostenlos in der Ausführung.
      Der Verkauf der so erworbenen Anteile kostet natürlich trotzdem, aber keinen Cent mehr als der Verkauf von direkt erworbenen Werten.

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  3. Bernd Hansen

    Sehr gute Hinweise, die ich mir als „Anfänger“ sehr zu Herzen genommen habe. Sehr nützlich, hat mir Erfolg gebracht.

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  4. Joerg

    Hallo Christian, ich finde es zwar verstaendlich aus Motivationsgruenden mit 8-10% p.a. Rendite Beispiele vor Augen zu malen, um „die Pferde zum Saufen zu bringen“, aber das Wording
    „Jeder Euro den du mit 20 Jahren anlegst ist etwa so viel wert wie 2,16 Euro mit 30 Jahren oder 4,66 Euro angelegt mit 40 Jahren“ wird dann falsch, wenn nicht mit Real-Renditen gerechnet wird. Denn nach 10 oder 20 Jahren ist dann „der EURO“ eben nicht mehr „soviel wert“. Sondern wegen der Inflation wesentlich weniger.
    Alternativ koennte man die langfristige inflationsbereinigte Rendite abzueglich Kosten und Steuern fuer so ein Bsp ansetzen.

    Was wuerdest du hier nehmen?

    Bei einem Depot mit 100% Aktien eines Weltportfolios nimmt GerdK 5,2% p.a. an und rechnet dann noch „ein Drittel fuer Kosten und Steuern“ ab, also bleiben ~3,5% p.a Realrendite. Siehe:
    https://bit.ly/2slAgSP
    Dann werden nach 10 Jahren kaufkraft-/kosten-/steuer-bereinigt etwa aus 1 EUR -> 1,41 EUR oder nach 20 Jahren 1,99 EUR. Auch nicht schlecht, aber eben „kleinere Broetchen“ …

    Naja, ich hoffe auch auf weniger als „ein Drittel“ bei Kosten und Steuern. Und auf etwas mehr als 5% Realrendite in meinem Depot. Allerdings bewahrt eine konservative Einschaetzung vor spaeteren Enttaeuschungen.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Völlig richtig, die Inflation ist bei alledem nicht mitgerechnet.

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  5. JJ

    Hi,
    ich werde am Montag/Dienstag meine 4. Tranche (Erstkauf bei 600€…funny, oder?) amazon starten.

    lg

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  6. David Cazzetta

    Hallo Christian

    Ich hätte noch eine Anmerkung/Ergänzung (sozusagen Punkt 5b): Meines Erachtens ist es nicht nur wichtig auf das Vermögen abzustellen, sondern auch auf das Einkommen, resp. auf die Sparquote. Bedeutet: Wenn ich für die EUR 1‘500 bspw. nur einen Monat lang sparen muss, dann – so finde ich – darf man einen solchen Betrag ruhig auch einmal in eine Einzelaktie investieren, ohne dass das Portfolio gross diversifiziert ist (im Grundsatz also eigentlich diesselbe Aussage, die du bereits erwähnt hast). Bei einem Totalverlust benötigt man nur einen Monat, um das Geld wieder anzusparen. Kann man hingegen nur EUR 150 pro Monat sparen und benötigt für die EUR 1‘500 rund 10 Monate, dann muss man das Ganze vielleicht etwas überdenken. Ich persönliche finde die Diversifikation wichtig, finde aber gleichzeitig auch, dass oft übertrieben wird, da eine zu grosse Diversifikation für eine Outperformance auch hindernd sein kann.

    Ron hat jedenfalls eine schöne Anleitung erhalten, wie er vorgehen könnte bei seinem 1. Investment… Guter Artikel!

    Beste Grüsse
    David

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  7. Felix

    Das Lesen über die „eigenen“ Unternehmen mache ich natürlich auch. Es besteht aber auch ein Stück Gefahr, dass man sich damit zu sehr mit diesen Unternehmen identifiziert, die rosarote Brill auf hat und die Gefahren, wie etwa die überproportionale Abhängigkeit von Apple von einem einzigen Produkt, das iPhone, nicht kritisch genug sieht. Wichtig ist deshalb immer, auch gegenüber den Lieblingsunternehmen, sich eine gesunde Portion Skepsis zu bewahren.

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    1. Bernd Hansen

      Zustimmung

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  8. AlArenal

    Ich finde es auch erwähnenswert, dass es eine Alternative zum Kauf ganzer Aktien gibt – den Aktiensparplan.
    Anfang des Jahres begann ich mit ETFs und habe dann mehr zufällig gesehen, dass mein Broker (Consorsbank) auch Sparpläne auf Aktienfonds und Aktien aus DAX, MDAX, NASDAQ, Gloabl Stoxx 150 anbietet.

    D.h. wenn mir eine Amazon-Aktie für aktuell 1400 Euro ein zu großer Invest ist, dann kann ich diese bei meinem Broker auch ab 25 Euro besparen. Dafür zahle ich aktuell fix 1.5% auf jede Ausführung. Ist man einer Aktie interessiert, die bespart werden kann, macht es demnach Sinn gegenzurechnen, ob einem gebührenseitig der Kauf oder die Besparung günstiger kommt.

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    1. Mathias Müller

      Richtig,

      mache ich beispielsweise schon seit Jahren bei Amazon 🙂

      Antworten

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