Daimler, Conti, Leoni – ein Crash in Raten

Die deutsche Automobilindustrie hat eine der schlechtesten Wochen seit langem erlebt. Die Aktie des Zulieferers CONTI stürzte nach einer Gewinnwarnung tief – im Chart oben gut zu sehen.

Der Autohersteller DAIMLER wiederum hat im Zuge der Gewinnwarnung von CONTI das erwartete 12-Monat-Tief erreicht und geht jetzt in Richtung 50 Euro:

 

 

Auch DAIMLER musste vor einigen Wochen eine Gewinnwarnung herausgegeben – was den Abwärtstrend der Aktie beschleunigt hat. Damit ist die Aktie von DAIMLER wie von mir erwartet auf dem Weg zur 50-Euro-Marke.

 

Abenteuerliche Analysen

 

Um so erstaunlicher, dass Autoren der in ihren Analysen oft sehr treffsicheren Investmentgemeinschaft Motley Fool bis in die letzten Tage hinein Jubeltexte auf die Stuttgarter veröffentlichten. Die Aktie könne Anlegern für das nächste Jahrzehnt 17 Prozent im Jahr bringen. Puh. Ist mir da irgend etwas entgangen?

Die ganze Branche ringt mit dem jahrelangen Betrug mit den Abgaswerten von Diesel-Fahrzeugen sowie dem kommenden Wechsel von Verbrennungsmotoren hin zur eMobilität – und in dieser ungewissen Lage weiß fool.de ganz genau, wie hoch die Umsätze und Gewinne beim Unternehmen DAIMLER in fünf und in zehn Jahre ausfallen werden. Abenteuerlich.

Auch eine Rezession, wie sie in den nächsten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, kommt in dem Text nicht vor. Rezessionen sind für Automobilaktien die schwierigste Zeit – oft machen die Unternehmen dann, anders als von fool.de unterstellt, nur sehr geringe oder gar keine Gewinne. Die Aktien rauschen in die Tiefe. DAIMLER ist dann in der Regel für gerade einmal 20-35 Euro zu haben.

In der letzten Krise fuhr DAIMLER einen Rekordverlust von 2,6 Mrd. Euro ein. In der nächsten können daraus 5 Mrd. Euro werden, immerhin ist der Umfang des Geschäfts ja deutlich gewachsen.

 

Feige Analysten

 

Nicht nur Investment-Communities wie Motley Fool tun sich schwer mit einem realistischen Blick auf DAIMLER und die Automobilbranche. Wer einen Blick auf die offiziellen Analystenempfehlungen wirft, der staunt nicht schlecht über die hohe Zahl an Kaufempfehlungen. Es sind 34. Gerade einmal 14 Banken und Investmenthäuser sind so ehrlich, ihren Kunden reinen Wein einzuschenken und den Verkauf zu empfehlen.

Zudem bescheinigen eine Mehrheit der Analysten (52 Prozent) der Aktie ein Kurspotential von über 30 Prozent (rund 70 Euro). Abenteuerlich.

 

 

Ist das nur ein Crash – oder schon ein Meltdown?

 

Noch deutlich schlimmer als bei den beiden Großunternehmen CONTI und DAIMLER ist die Lage bei den Kleinen der Branche. Zum Beispiel bei ELRING-KLINGER:

 

 

Der Absturz von ELRING-KLINGER verwundert nicht, wenn man weiß, dass bei denen seit 2014 die Gewinne von Jahr zu Jahr sinken – was bitte soll dann der Aktienkurs machen? Er macht genau das, was im Chart oben zu sehen ist. Er fällt.

ELRING-KLINGER ist ein gutes Beispiel dafür, wie lange es mit einem Unternehmen in einem schwierigen Industriebereich an der Börse abwärts gehen kann. Seit fünf Jahren geht es in diesem Fall nach unten – und das um satte 64 Prozent. Doch halt, sind das wirklich nur 64 Prozent Kursverlust?

Nein. Die 64 Prozent im Chart oben sind der Kursverlust über 5 Jahre, seit August 2013. Vom Gipfel im Spätherbst 2013 aus gerechnet kommt das Unternehmen auf einen Kursverlust von 72 Prozent. Das ist mehr als ein Crash. Das kann auch gut als ein Meltdown durchgehen.

Bei LEONI, einem weiteren Zulieferer, ist der 5-Jahres-Chart ebenfalls ein einziges Grauen – wenn auch nicht ganz so schlimm wie bei ELRING-KLINGER:

 

 

Minus 17 Prozent in fünf Jahren. Doch das ist für Anlegerinnen und Anleger ja nicht alles, denn der Index (MDAX) hat in dieser Zeit 80 Prozent hinzugewonnen. Ein Investment in LEONI liegt also über fünf Jahre um 100 Prozent hinter dem Index. Jeder MDAX-ETF ist mithin einerseits besser für dein Depot gewesen – und zudem aufgrund der höheren Streuung eines ETFs über verschiedene Wirtschaftssegmente auch noch deutlich weniger riskant.

Wenn du entscheiden willst, ob der Kursverlauf der Automobilwerte derzeit ein Crash ist oder doch schon ein Meltdown, dann ist es sinnvoll zu schauen, wie weit die Kurse der Unternehmen seit ihrem letzten Hoch in die Tiefe gegangen sind. Hier kommen die Prozentzahlen:

 

VW                                       – 47 Prozent                        (70 Prozent am Tief)

Leoni                                   – 46 Prozent

DAIMLER                            – 43 Prozent

CONTI                                 – 40 Prozent

BMW                                   – 33 Prozent                        (47 Prozent am Tief)

 

Wenn ein Markt mehr als 40 Prozent fällt, rede auch ich von einem Crash. Bei Märkten und Aktien die um 50-70 Prozent fallen darf das Wort Crash dann getrost gesteigert und von einem Meltdown geredet werden, einem Zusammenbruch oder einer Kernschmelze des Kurses.

Wir stehen derzeit im Schnitt bei einem Kursverlust der Branche von 42 Prozent. Und damit nur noch wenige Schritte von der 50-Prozent-Grenze entfernt.

 

Mein Fazit

 

Der gesamte Bereich der Autoindustrie und der Zulieferer ist derzeit für Anleger und Anlegerinnen extrem schwierig. Ich selber meide ihn, das ist bekannt.

Der Automobilbereich ist ohnehin extrem riskant. Das war auch schon in ruhigeren Zeiten so. Der Grund liegt vor allem in der hohen Konkurrenz der Unternehmen untereinander und im extremen Kapitalbedarf der Branche. Angesichts der anstehenden Veränderungen in diesem für Deutschland sehr wichtigen Industriezweig ist es derzeit sehr gewagt, auf die Aktien dieser Unternehmen zu setzen.

In grossmutters-sparstrumpf haben diese Aktien nichts verloren.

Über die Zukunft der deutschen Automobilindustrie sagt das alles im Übrigen gar nichts aus. Es wird sie weiterhin geben und sie wird weiterhin eine wichtige Rolle als Arbeitsgeber und Wirtschaftsmotor spielen. Ein Kauf sind die Aktien der Unternehmen trotzdem nicht.

Die Tabelle oben mit den Kursverlusten der einzelnen Unternehmen deutet in meinen Augen darauf hin, dass es ein Unternehmen gibt, dass die Krise am besten meistert. Es ist das Unternehmen, für das sich auch in der Börsengruppe “Kleine Finanzzeitung“ kaum jemand interessiert: BMW.

Die Umstellung auf Elektromobilität erfordert erhebliche Investitionen von den Unternehmen. Niemand weiß, ob die sich je auszahlen werden. Hinzu kommt, dass die Autobauer mit der e-Mobilität kaum Geld verdienen können – möglicherweise auf Jahre hinaus. Dazu müssten sie zumindest bei den Akkupreisen mit den Amerikanern (TESLA) mithalten können. Und davon sind sie sehr weit entfernt, weil ihnen die Größe in der Produktion fehlt. DAIMLER investiert in Kamenz 500 Mio. Euro. TESLA hat 5 Mrd. Dollar in die Hand genommen für die von ihnen betriebene Gigafactory – um die Preise nach unten zu bekommen.

Höhere Akkupreise für die deutschen Hersteller, das hat Folgen für die Profitabilität. Die Margen werden sinken.

Wer sich über all diese Entwicklungen im Automobilsektor wundert, der hat in den letzten Jahren den Kopf in den Sand gesteckt. Das alles war in der Wirtschaftspresse zu lesen. Schon seit Jahren ist auch klar, dass die Zulieferer besonders gefährdet sind, ganz besonders die Kleinen wie LEONI. Und noch viel mehr die ganz Kleinen wie ELRING-KLINGER.

Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer erleben derzeit einen Abwärtstrend, der noch Monate und auch Jahre anhalten kann. Wir erleben einen Crash auf Raten.

 

 

 

7 Kommentare

  1. Felix

    Ja, die dt. Autoindustrie steht vor schwierigen Zeiten. In diesen Zusammenhang würde mich die Einschätzung von Tesla interessieren. Ist Tesla der große Gamechanger der weltweiten Autoindustrie oder werden sie am Produktionsalltag Erker scheitern?

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Was heißt „Erker scheitern“? Meine Meinung zu TESLA ist ziemlich klar, wird aber in der Regel nicht hier veröffentlicht, sondern in der Facebook-Gruppe „Kleiner Finanzzeitung“ diskutiert.
      TESLA ist von dem was sie als Marschrichtung für die eMobilität vorgeschlagen haben in der Tat ein Gamechanger. Für mich gar keine Frage. Allerdings gelten die Regeln der Automobilindustrie auch, wenn man TESLA heißt. Diese Regeln besagen, dass jeder Autohersteller zwei Maschinen herstellen muss. Die ersten ist ein Auto. Das kann TESLA wunderbar. Die zweite Maschine ist allerdings viel schwerer herzustellen. Diese Maschine ist die Fabrik, die Autos zuverlässig und in hoher Zahl herstellt. Die Komplexität der zweiten Maschine übertrifft die der ersten etwa um den Faktor 1.000. Deshalb arbeiten die meisten Ingenieure bei einem Autohersteller auch nicht im Bereich Entwicklung neuer Autos, sondern im dem Bereich, der die Maschine herstellt, die die Maschinen (Autos) herstellt. Und genau da hakt es für TESLA. Sie können einfach nicht all die Autos liefern, die die Käufer gerne kaufen würden.
      Natürlich kann TESLA auch dem Umstand nicht entkommen, dass der Bereich der Automobilhersteller ERSTENS sehr kapitalintensiv ist (TESLA steht ökonomisch gesprochen ziemlich kurz vor einer Pleite – was nicht zwingend heißt, dass sie Pleite gehen; sie brauchen aber frisches Kapital) und ZWEITENS ist er von sehr viel Konkurrenz geprägt. Bislang hatte TESLA keine ernsthaften Konkurrenten – aber das ändert sich langsam.
      Und noch ein Punkt: Service. Es ist unendlich schwierig seinen TESLA wieder in Gang zu bekommen, wenn man einen größeren Schaden hatte. Das Internet ist voller Horrorgeschichten, wie lange es dauert, bis ein Unfallwagen wieder fährt – in manchen Fällen ist das länger als ein Jahr. Schrecklich.
      Alles in allem ist TESLA für mich kein Investment, sondern eine Wette. Kann gut gehen, kann aber auch schief gehen.
      Ich war vor einigen Jahren in TESLA investiert. Die Gefahren beider Aktie überwiegen aber in meinen Augen den möglichen Gewinn. Also bleibe ich an der Seitenlinie – und wünsche TESLA alles, alles Gute.
      Ach ja, eines noch: die eMobilität wird sich am Ende über den Preis durchsetzen. Bloomberg New Energy Finance geht davon aus, dass in den nächsten etwa fünf Jahren, in allen großen Segmenten des Automarktes eAutos auftauchen, die billiger zu fahren sind, als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Der Verbrennungsmotor geht dann den Weg der Dampflock und wird ein Fall für Fans. Und für Länder, in denen die Infrastruktur noch keine eMobilität zulässt.

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      1. Felix

        „Erker“ ist versehentlich reingerutscht. Tesla ist aber auch, wie Apple, Kult bei seinen Kunden, die eher Fans sind. Und natürlich wird es auch Werkstätten geben, sobald eine kritische Masse Teslas auf den Straßen ist. Auch beim autonomen fahren sammeln Sie reale Erfahrungen, während alle anderen noch im Expermentierstadium sind.

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  2. Kirschniok

    Analysten haben keine Ahnung von Unternehmen wie zb.Daimler ich arbeite bei Daimler ich kann nur sagen tole Autos tole Produkte man muss um Daimler keine Sorgen machen

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    1. Gianmarco Giorgi

      und um das 2. L?

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  3. Pelzkragen

    Grundsätzlich gebe ich dir recht was deine Brancheneinschätzung angeht. Allerdings finde ich die Zahlen zum Teil unklar. Wie kommst du beispielsweise auf minus 40% für Continental über 5 Jahre?
    Am 30.8.13 stand die Aktie bei 114,20; am 24.8.18 nach dem letzten Einbruch nach der Gewinnwarnung bei 155,45. Ein Plus von 36%.

    Der DAX hat im selben Zeitraum 53% hinzugewonnen.
    Also ja, es gibt ein deutliches Performance-Gap zum Vergleichsindex. Was auch deine grundsätzliche Einschätzung stützt. Aber die Zahlen mit denen du jonglierst sind mir nicht ganz klar was z.B. Referenzzeitpunkte u.ä.angeht.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ich habe für CONTI wie für die anderen Unternehmen den Einbruch vom letzten Allzeithoch bis hinunter zum jetzigen Stand ausgerechnet (in zwei Fällen, BMW und VW zusätzlich noch den Abstand vom Allzeithoch zum letzten großen Tief). Dieser Abstand ist bei CONTI exakt 40 Prozent. Derzeit. Aber du hast recht, das hätte ich deutlicher sagen können. Ich habe das noch einmal umformuliert – jetzt ist es hoffentlich klarer.
      Danke also für den Hinweis.

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