Warren Buffett und der Internet-Hype – eine Geburtstagsgeschichte

Heute ist der 90. Geburtstag von Warren Buffett. Aus diesem Anlass gibt es von mir eine Blick zurück auf die berühmte Rede, die er 1999 im Sun Valley gehalten hat. Seine Warnung vor dem Internet-Hype hat seinen Ruf, ein vorsichtiger und besonders realistischer Investor zu sein, maßgeblich geprägt.

Aber Buffett ist nicht nur vorsichtig, sondern auch lernfähig. Eine der wichtigsten These von Sun Valley, seine Warnung davor, dass die Internet-Unternehmen möglicherweise nie gute Investments werden, hat er 17 Jahre später umgestoßen. Sie war falsch. Und so hat er den größten Profiteur des (mobilen) Internets gekauft: Apple.

 

Warren Buffett Rede von Sun Valley

 

Es ist ein warmer Tag im Sommer des Jahres 1999. Warren Buffett tritt ans Rednerpult und schaut auf sein Publikum. Vor ihm sitzen Dutzende der einflussreichsten Wirtschaftsführer Amerikas. Viele von ihnen sind mit Privatjets hier nach Sun Valley gekommen, so wie Buffett und seine Familie auch.

Warren Buffett ist einer der reichsten Investoren der Welt. Wenn Buffett sich zur Wirtschaft äußert, dann hören viele Menschen ihm aufmerksam zu. Buffett wird an diesem Junitag eine der wichtigsten Reden seines Lebens halten. Dabei wird er etwa tun, was er bis dahin stets unterlassen hat: Er wird eine Voraussage über den Aktienmarkt machen. Der ist in seinen Augen hoffnungslos überbewertet.

Die Anlegerinnen und Anleger sehen das anders. Sie reißen sich um Aktien von Startups wie boo.com, Flooz oder pets.com. Die meisten dieser Unternehmen wird es in wenigen Jahren schon nicht mehr geben. Buffett ahnt das. Wie aber sagt man einflussreichen Investoren, dass sie gerade ihr Geld zum Fenster hinauswerfen? Wie sagt man eloquenten IT-Unternehmern, dass ihr Geschäftsmodell keine Substanz hat? Wie erklärt man ihnen, dass ihr Unternehmen, gemessen an den Erfahrungen mit vergangenen angesagten technologischen Innovationen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit schon bald in der Versenkung verschwinden wird?

 

Eine Manie – ist ein Hype – ist ein Bubble

 

Die Sonne strahlt an diesem Tag, das Sun Valley wird seinem Namen voll gerecht. Um an der Tagung in der einzigartigen Kulisse in den Bergen von Idaho teilnehmen zu können, bedarf es einer persönliche Einladung durch den Veranstalter Herbert Allen, der eine Finanzberatungsfirma leitet. Buffett war schon oft hier, hat mitdiskutiert und sich an der angenehmen Atmosphäre von Sun Valley gefreut.

Doch diesmal ist alles anders. Er wird ein klares Wort sprechen. Ein sehr deutliches Wort. Und er wird dabei zentralen Ansichten seines Publikums widersprechen. Da draußen glauben Millionen von Anlegerinnen und Anlegern, dass Börsenkurs unendlich mit einer Geschwindigkeit von 15 Prozent im Jahr steigen können – und mehr. Sie glauben dies, weil der Aktienmarkt seit Jahren schon nur noch eine Richtung kennt. Nach oben. Der Dot-Com-Bubble hat die Wall Street fest im Griff. Viele Menschen sind davon überzeugt, dass jetzt bereits die Zukunft des Internets und der kommenden Internetwirtschaft verteilt wird. Nur wer jetzt kauft, der wird an ihren Gewinnen beteiligt sein.

Das Internet wird die Welt so wie wir sie kennen vollständig verändern. Nichts wird so bleiben wie es war. Das sind die Glaubenssätze dieser Zeit. Aus heutiger Sicht ist leicht zu erkenne, dass sie stimmen. Was die Anlegerinnen und Anleger im Jahr 1999 allerdings nicht ahnen: Die Internetwirtschaft wird die Welt in den kommenden Jahren und Jahrzenten noch viel stärker verändern, als sie es sich vorstellen können. Die Technologien die das bewerkstelligen werden, sind allerdings noch nicht einmal erfunden. Von der unglaublichen Dynamik des mobilen Internets ahnt niemand etwas. Das Smartphone hat keiner auf dem Schirm – Handys und PCs dominieren das Denken der Zeit. Es wird noch fast zehn Jahre dauern, bis das Smartphone auf der Bildfläche erscheint und den Chef von Microsoft, Steve Balmer, dazu veranlasst, öffentlich darüber zu lachen und seinen berühmten Satz zu sagen: „Nur wenige werden es kaufen. Es hat ja nicht mal eine Tastatur!“

Das Streaming von Filmen, das derzeit die internationale Medienlandschaft grundlegend ändert, ist technisch noch lange nicht möglich.

Die ganz großen Gewinner des Internets und des mobilen Internets wie Google, Facebook, Netflix und Apple gibt es zu dieser Zeit noch nicht einmal. Apple ist im Jahr 1999 eine kleine Computerfirma kurz vor dem Bankrott, die mit dem Internet wenig zu tun hat. Das wird sich erst mit dem iPod ändern (2001), mit dem Musikshop iTunes (2001) und mit dem iPhone (2007).

 

Die Verteilung der Zukunft

 

Aus heutiger Sicht ist klar: Erst die Jahre von 2010 bis 2020 werden jene unglaublich profitable Internetwirtschaft hervorbringen, wie wir sie jetzt kennen. Jene Welt, in der Unternehmen wie Facebook und Alphabet (Google) zwischen 20-40 Mrd. Dollar Umsatz im Quartal mit Werbeeinnahmen erzielen. Die FAANG-Welt. Viele dieser Unternehmen werden in den Club der Trillionäre aufsteigen, weil der Wert ihrer Unternehmen über die Größe der amerikanischen Trillion (europäisch: Billion) anschwillt.

Die Anleger des Jahres 1999 ahnen das alles nicht. Sie sind fest davon überzeugt dass die Verteilung der Zukunft jetzt bereits ansteht. Und sie sind bereit, für ihren Anteil am Kuchen hohe Preise zu zahlen. Reich werden sie nach ihrer Überzeugung dabei ohnehin.

Die CEOs und Investoren die da vor Warren Buffett sitzen, kennen nichts als steigende Aktienkurs von IT-Unternehmen. Sie werden sich noch fast ein Jahr an den Kursverläufen erfreuen. Bis zu dem Tag an dem die Blase platzt. Die meisten der Unternehmer die da vor Buffett im Publikum sitzen werden schon bald nicht mehr Chefs ihrer Firmen sein. Viele Unternehmen werden den Weg in die Insolvenz gehen, einige werden von anderen, solideren Unternehmen aufgekauft werden. Nur eine Handvoll von ihnen wird den kommenden Crash überleben. So wie Amazon. Oder Cisco.

 

Lernen aus der Börsenhistorie

 

Der amerikanische Aktienmarkt ist einer der besten der Welt. Er kommt langfristig auf einen Zuwachs von rund 7 Prozent pro Jahr. Hinzu kommen die Dividenden der Unternehmen. Diesen Return auch in der Zukunft zu erwarten, das ist realistisch – aber natürlich alles andere als garantiert. Und genau das wird Warren Buffett seinem Publikum jetzt erklären. Mitten im Internet-Bubble.

„Investoren erwarten in diesen Tagen viel zu viel vom Aktienmarkt“, beginnt Warren Buffett seinen Vortrag. „Ich werde heute erklären, warum ihre Erwartungen nicht realistisch sind. Das wird dazu führen, dass ich über den Gesamtmarkt reden werde, etwas was ich nicht gerne tue.“ Buffett macht eine kurze Pause und blickt auf sein Publikum. Buffett hat sich lange vorbereitet auf diesen Augenblick. Mögen die Anleger in Scharen Aktien von Firmen ohne reales Geschäftsmodell kaufen und ohne jede Gewinne. Er wird das nicht tun. Er wird hier und jetzt warnen.

„Eines sollte dabei klar sein: Obwohl ich über die Bewertung von Aktien sprechen werde, werde ich nicht voraussagen, was der Markt als nächstes macht“, fährt Buffett fort. Er wird auf die maßlose Überbewertung des Marktes hinweisen und er wird voraussagen, dass der Markt die Überbewertung in den kommenden Jahren abbauen wird. Weil der Markt das stets und immer getan hat, nach euphorischen Phase. Er wird keinen Crash voraussagen. Und schon gar nicht wird er sagen, wann der Markt die Überbewertung korrigieren wird.

Buffett wird seinem Publikum erklären, warum die Party bald vorüber sein wird. Und warum dann Billionen von Anlegerdollar in Gefahr sind, sich in Nichts aufzulösen. Buffett redet seinem Publikum nicht nach dem Mund . Deshalb ist seine Rede von Sun Valley eine der Sternstunden des Realismus. Des Realismus an der Börse. Und ein Augenblick für die Geschichtsbücher noch dazu.

 

 

Stay clear of the Hype

 

Buffett weiß, dass das ein Bubble ist der sich da draußen vollzieht. Eine Manie wie die Tulpenmanie der Holländer in den Jahren 1636 und 1637. Eine Tulpenzwiebel die für 5.000 Gulden verkauft wird, mehr als das Jahreseinkommen eines reichen Großkaufmanns.

Ein Hype wie der Florida-immobilien-Hype in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts der die Immobilienpreise in Miami höher trieb als die an der Fifth Avenue in New York. Ein Stück Land, das gerade noch 1.200 Dollar wert ist und wenige Monate später für 5.000, dann für 10.000, für 17.500 und schließlich für 35.000 Dollar verkauft wird (Florida-Hype). Bis der Markt zusamenbricht.

Buffett kennt die Börsengeschichte sehr genau. Er kennt die unglaublichen Übertreibungen von Kursen, nach oben wie nach unten. Seit es die Börse gibt, gehören Manien mit dazu. Die Anlegerinnen und Anleger neigen immer wieder zu solchen irrationalen Übertreibungen. Sie machen keine seriöse Rechnung auf. Sie achten nicht auf den Gewinn des Unternehmens. Sie lassen sich vielmehr von der Euphorie anderer Anleger anstecken. Herdenverhalten. Sie sehen nur den stets steigenden Kurs – und wollen mit dabei sein. Fear of missing out (FOMO).

So wie die Holländer einst ihren berühmt gewordene Tulpenmanie hatten und die Engländer den South-Sea-Bubble, so erleben die Zeitgenossen von Buffett das auch jetzt, im Juni des Jahres 1999. Die Dot-com-Blase. Kurssteigerungen von 20 Prozent im Monat bei einzelnen Aktien? Von 15 Prozent im Jahr für den gesamten Markt? Warren Buffett glaubt nicht, dass das lange gut gehen kann. Zudem kauft er als Investor ohnehin Unternehmen dann, wenn sie gerade günstig sind. Coca Cola hat er vor vielen Jahren bei einem KGV von 13 eingesammelt. Der Gewinn liegt im Einkauf. Ein Schnäppchen. Jetzt notiert Coca Cola schon bei 30, so wie der Gesamtmarkt gemessen am S&P 500 auch. Das ist hoch. Unhaltbar hoch.

 

 

Was ist realistisch an der Börse?

 

Ja, Aktienmärkte steigen auf lange Sicht. Kaum jemand glaubt so fest an diesen Fakt wie Buffett. Sein ganzes Leben hat er auf diese Tatsache aufgebaut. Der amerikanische Markt steigt seit nunmehr 200 Jahren mit annähernd dem gleichen Tempo. Der Chart des S&P 500 für die letzten rund 100 Jahre zeigt diesen Trend eindrucksvoll. Er ist aus dem Januar 2020 und zeigt den Index bei einem Stand von 3.336 Punkten. Wo er stehen wird, wenn Sie dieses Buch lesen? Who knows!

Mal gibt es Übertreibungen nach oben – die Kurse steigen zu schnell zu weit. Mal gibt es Übertreibungen nach unten. Die Kurse fallen scheinbar  ins Bodenlose, so als ob die amerikanische Wirtschaft niemals wieder auf die Beine kommen wird. Buffett hat beides schon erlebt. Die Euphorie Ende der 60er Jahre. Den Pessimismus der späten 70er und frühen 80er Jahre.

Das auffällige an diesen Bewegungen des Marktes: Immer wieder erwischt er die Anlegerinnen und Anleger auf dem falschen Fuß. Erwarten sie das Ende der Aktie, wie die Zeitschrift Newsweek in ihrem berühmt gewordenen Titelgeschichte „The Death of Equity“, dann passiert schon bald das Gegenteil. Kaum ist der Tod der Anlage in Aktien verkündet, da liegt das Schlimmste hinter den Marktteilnehmern. Die Kurse steigen in der Folge für beinahe 20 Jahre. Umgekehrt funktioniert die Gleichung ebenso: Je optimistischer die Erwartungen des Marktes sind, desto sicherer kommt es in der Folge zu lang anhaltenden schlechten Börsenphasen. Das ist 1929 so. So kommt es auch Ende der 60er und Anfang der 70er Jahren. Und schließlich wiederum Ende der 90er.

Es ist, als wenn die Anlegerinnen und Anleger sich nur schlecht erinnern könnten. Für sie sind nur die letzten fünf bis zehn Jahre präsent. Waren die sehr gut – dann erwarten sie weiterhin stark steigende Kurse. Verlief diese Zeit schlecht, dann erwarten sie genau das auch für die Zukunft. Die Mehrheit liegt mit ihren Erwartungen daneben. Beide Annahmen, die übertrieben optimistische wie die übertrieben pessimistische, sie sind gleichermaßen falsch. Der Index korrigiert beides, den übertriebenen Optimismus wie den übertriebenen Pessimismus. Deshalb kauft Buffett so gerne, wenn der Markt pessimistisch ist. Dann sind Aktien billig.

 

Die Euphorie und ihre Folgen

 

Hast du schon mal von der Euphorie der 60er Jahre gehört? Kaum ein Anleger kann sich daran noch erinnern. Es waren die sogenannten „go-go years“, in denen Firmen wie Polaroid, Telex, Control Data und Teledyne  zu unglaublichen Bewertungen gelangten. Auch das hat der Markt bald wieder korrigiert. Die Euphorie Ende der 20 Jahre ist im schlimmsten Aktien-Crash der neueren Börsengeschichte geendet.

Die Euphorie Ende der 90er Jahre ist heftiger als in den 60ern und erfasst große Bereiche des Aktienmarktes – weit über die Internetfirmen hinaus. Viele Anleger schauen täglich, ja stündlich in ihre Depots. Sie freuen sich an den stets steigenden Kursen. An ihrem angeblich ständig wachsenden Wohlstand.

 

 

Die neue Zeit, sie bringt Verluste

 

Niemand wird mehr ernsthaft arbeiten gehen müssen in der neuen Welt, die da entsteht – so die Annahme jener Zeit. Warren Buffett hat mit seiner Rede im Sun Valley versucht, einigen der Akteure diesen Zahn zu ziehen. Seine Warnung vor den viel zu hohen Kursen jener Tage lässt Buffett noch eine zweite wichtige Warnung folgen, auch sie getragen von dem fundierten Wissen von vielen Jahrzehnte der Börsengeschichte. Wissen ist Macht.

Anlegerinnen und Anleger neigen dazu, sich in neue, aufstrebende Unternehmen einzukaufen, wenn die Gewinner einer neuen technologischen Entwicklung noch lange nicht feststehen. Um das zu belegen hat Buffett eine eindrucksvolle Liste zusammengestellt. Er hält sie in die Höhe. Es ist die Liste aller amerikanischen Automobilhersteller der letzten 120 Jahre. Rund zweitausend Namen stehen auf seiner Liste. Es sind Seiten über Seiten voller Firmen die in den USA von der wichtigsten Erfindung des ausgehenden 19. Jahrhunderts und beginnenden 20. Jahrhunderts profitieren wollen. Wir heutigen kennen nur General Motors, Ford und Chrysler – und neuerdings auch Tesla. Doch in der Frühzeit des Automobils gibt es eine Unzahl von Firmen, die Autos herstellen. Fünfzig Jahre später sind die allermeisten von ihnen Geschichte. Aufgekauft, Verschmolzen, Insolvent. Gone.

Ganze drei Unternehmen überleben in den USA die bewegte Zeit der Gründerjahre des Automobils. Drei nur von ehemals zweitausend. Der Clou dabei: Alle drei sind kein besonders lohnendes Investment für Anlegerinnen und Anleger gewesen. Nicht anders läuft es mit späteren Erfindungen. Ob beim Flugzeug, beim Telefon, beim Radio oder beim Computer, immer ist das Ergebnis das gleiche: Es gibt sehr wenige Gewinner. Ihnen steht eine sehr große Zahl an Verlierer gegenüber. Und die Anleger, die voller Hoffnung und erfüllt von der Euphorie einer ‚neuen Zeit’ Aktien der aufstrebenden Unternehmen gekauft haben, verlieren in Scharen ihr Geld. Nur wer zufällig auf einen der wenigen Gewinner gesetzt hat, der kann sich glücklich schätzen. Er hat sein Geld deutlich vermehrt.

Die neue Zeit, von Illustrierten, Zeitungen wie Börsenmedien gleichermaßen beschworen, sie ist in schöner Regelmäßigkeit verheerend für die Depots von Anlegerinnen und Anlegern. Sie sind mit ihren Investments zu früh. Weil sie den Verheißungen der Medien  vertrauen. Sie geraten wieder und wieder mit ihrem Geld in einen Hype.

 

 

Stay clear of the hype

 

So sieht in Buffetts Augen die Realität einer technischen Neuerung aus der Sicht des rationalen Anlegers aus. Sie sind für ihn ein schlechtes Geschäft. Ein sehr schlechtes Geschäft. Buffett hält die Liste mit all den zweitausend Autoherstellern in die Höhe – das Publikum mag kaum glauben, dass Buffett, der Altmeister des Investierens, ihnen, den mächtigen Lenkern der neuen Internet-Ökonomie, die Insolvenz und die Bedeutungslosigkeit ankündigt. Zu absurd ist dieser Gedanke für sie. Doch er behält Recht. Kaum einer der Pioniere des Internet-Zeitalters ist heute noch im Geschäft. Die großen Gewinne machen auch im Internet gerade einmal eine Handvoll Unternehmen: Apple, Alphabet (Google), Cisco, Facebook, Amazon und Microsoft. Die Geschichte wiederholt sich an dieser Stelle. Verlierer über Verlierer – und eine kleine Schar von Gewinnern.

Am Ende seiner Rede schaut Buffett hinaus in den Sommer von Sun Valley. Sein Publikum ist still, scheinbar geschockt. Der Börsenhype mit all seinen Begleiterscheinungen hat viele von ihnen voll im Griff. Buffett war noch nie ein Herdenmensch. Er war immer schon ein unabhängiger Kopf. Einer der gegen den Strom schwimmt. Doch der Strom gegen den er hier anschwimmt ist so mächtig. Das hat auch er noch nicht erlebt. Trotz seiner über 50 Jahre im und mit dem Aktienmarkt.

Buffetts Rede wird ihn berühmt machen, zu einer lebenden Legende. Die Überbewertung des Marktes wird abgebaut werden. Das ist seine feste Überzeugung, mit der er am Ende Recht behalten wird. Der Markt hat  diese Übertreibung in der Tat abgebaut.

Seine Zuhörer können sich nicht wirklich freuen an seiner Rede. Sie klatschen ihm Beifall der in stehende Ovationen übergeht. Aber sie können und wollen ihm nicht folgen. Buffett, das ist die alte Zeit. Die neue Zeit, sie ist in ihren Augen anders. This time is different.

 

Ein böses Ende

 

Der Crash setzt langsam ein. Der Markt wird die starke Übertreibung abbauen. Das war Buffetts These. Wie und wann der Markt das machen wird, auf diese Frage hat Warren Buffet keine Antwort gegeben. Er hat keine Glaskugel. Im März des Jahres 2000 erreicht der Markt sein Hoch. Die Kurse bröckeln zunächst nur ein wenig, dann noch ein wenig, und schließlich noch ein wenig mehr. Bis zum Ende des Jahres hat die NASDAQ rund 50 Prozent nachgegeben. Doch das ist nur der Anfang. Dies ist keine Korrektur, die nach einigen Monaten schon wieder ausgestanden ist. Dies ist ein Crash. Am Ende sind weltweit 5 Billionen Dollar Anlegergelder verschwunden.

Buffetts Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway macht auch in dieser Zeit gute Gewinne. Ihr Kurs steigt auch in der Krise. Buffett hat auf Firmen mit Substanz gesetzt. Er hält Aktienpakete von Coca Cola, die auch jetzt enorme Gewinne machen. Zudem hat er in den Jahren des Hypes Cash gehortet wie kaum ein anderer. Den kann er jetzt für Käufe nutzen.

 

And the winner is – Apple

 

Erst 17 Jahre nach seiner Rede vom Sun Valley wird Buffett sein Urteil über das Internet zumindest in einem Punkt revidieren. Er hatte gewarnt, dass Autohersteller noch nie ein gutes Investment für Anlegerinnen und Anleger waren. Über Fluggesellschaften hat er das gleiche Urteil gesprochen. Sie waren ein Graus für die Anlegerinnen und Anleger und der Grund dafür ist ganz einfach: Es ist die große Konkurrenz, die ihnen zu Schaffen macht. Auch bei der neuen Internetökonomie hätte das so kommen können. Doch das ist erkennbar nicht der Fall. Buffett hat sich in diesem Punkt geirrt. Genau das Gegenteil ist passiert: Das Internet bringt einige der profitabelsten Firmen der Geschichte hervor.

Diesen Teil seiner damaligen Warnung wird Buffett deshalb verwerfen – und wird das erfolgreichste Unternehmen kaufen, dass das mobile Internet hervorgebracht hat. Apple.Wie seinerzeit auch Coca Cola wird er Apple kaufen, als die Aktie bei einem unglaublich niedrigen KGV steht, bei 13, zu Preisen von um die 120 Dollar je Aktie. Wenige Jahre später notiert Apple zu 500 Dollar. Und zu einem KGV von knapp 38.

 

Aus der Börsengeschichte lernen

 

Buffett hat in aller Ruhe 17 Jahre gewartet, ehe er sein Investment in Apple gemacht hat. Er konnte das tun, weil er aus der Börsengeschichte gelernt hat. Nicht der frühe Vogel fängt den Wurm – belohnt wird vielmehr der geduldigste Anleger. Warren Buffett hatte diese Geduld. Er hat sich Zeit genommen um zu schauen, welche Gewinner das Internet und in der Folge das mobile Internet hervorbringt. Ein Unternehmen, dass Jahr für Jahr 50-60 Mrd. Dollar Gewinn einstreicht, wie Apple es tut, ein Unternehmen, dass eine der wertvollsten Marken der Welt aufgebaut hat. Das ist genau die Sorte Unternehmen, die Buffett als Investment liebt und die er wohl auch in den kommenden Jahre bevorzugen wird. Starke Marken mit einer hohen Profitabilität und einem Geschäftsmodell, dass er verstehen kann.

 

 

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8 Kommentare

  1. Obiwlan

    dann frage ich mich allerdings warum Du apple verkauft hast….. Warren hält sicher noch seine Anteile

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ich habe APPLE nicht verkauft. Käme mir nicht in den Sinn. Ich habe die Aktie von 17 Prozent auf unter 15 Prozent reduziert. Das ist immer noch üppig für eine einzelne Position. Nein, in dem Punkt folge ich Warren Buffett nicht. Ich bleibe bei einem hohen Maß an Diversifikation. Das hat Warren schon immer anders gemacht. Darf er. Ich bleibe bei meiner Linie.

      Antworten
  2. Oliver G.

    Hallo Christian,

    irgendwie habe ich allerdings trotzdem das Gefühl, dass wir uns wieder in der selben Situation wie 99/00 befinden:
    10 Jahre enorme Kursanstiege, der Corona-Crash war binnen 3 Monate schon wieder erledigt – obwohl die Corona-Auswirkungen gerade in den USA mittlerweile richtig heftig sind… und trotzdem eilt die Nasdaq von einem all-time-high zum nächsten (u. entfernt sich immer dabei immer weiter von ihrer 200-T.-Linie!)
    Tesla verdient in ihrem originären Business kein Geld, trotzdem ist die Marktkapitalisierung mind. genauso hoch wie die Big Three, die 4x soviele Autos verkaufen u. dabei auch noch Gewinne machen…. – hatten wir das nicht schon mal?

    Getrieben wird dies alles von Billionen neu erschaffenem fiatmoney – hüben wie drüben…
    Dass keine Zinsen mehr gezahlt werden, finde ich ja gut , aber müssen denn Schulden wirklich einfach nie mehr zurück gezahlt werden? Oder ist meine Erziehung hierzu einfach überholt?

    Heilt denn die neue Technology wirklich alles? Und was ist, wenn die große (arbeitslose!) Masse künftig einfach kein Geld mehr hat für diese neue Technik?
    Grundeinkommen für alle wäre ja eine gute Lösung, aber die ganz ganz Großen wollen das nicht finanzieren, (drücken sich ja erfolgreich vom Steuern zahlen) u. den Mittelstand wird’s ja dann auch bald nicht mehr geben…

    Ich bin normalerweise ja wirklich Berufsoptimist („langfristig steigen sie immer“), aber derzeit wird mein Bauchweh immer schlimmer…

    Was ist deine Meinung hierzu? (Aber bitte keine medizinischen Bauchweh-Ratschläge ;))

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Hallo Oliver,
      das müsste jetzt eine sehr lange Antwort werden – oder gar ein richtiger Blog-Beitrag, um auf alle deine Bedenken einzugehen.
      Erstens: „Ich habe das Gefühl“ ist immer sehr trügerisch. Gefühle zu haben ist leicht. Aber stimmen die auch? Damals waren viel Billionen Dollar in Unternehmen investiert, die keinerlei Aussichten auf relevante Umsätze und Gewinne hatten. Das ist heute völlig anders. Die NASDAQ eilt auch deshalb von Hoch zu Hoch, weil die Firmen die im Index vertreten sind gezeigt haben, wie gut sie in einer Krise wie dieser sind.
      Zweitens: Die Zentralbanken haben die Krise mit Geld erstickt. Die Staaten haben dem ihrerseits noch Rettungspakete zur Seite gestellt. Das hat geholfen. Zum Glück. Und es wird weiterhin helfen.
      Drittens: Aktien werden in ihrer Bewertung (KGV) an den Zinsen auf festverzinsliche Staatsanleihen gemessen. Die sind in den USA in den letzten 18 Monaten um 2,5 Prozent zurückgegangen. Gemessen an den Zinsen sind Aktien derzeit sogar noch zu billig (allerdings nur, wenn die Zinsen so niedrig bleiben – und wer bitte weiß das schon?).
      Viertens: TESLA ist ein Sonderfall und alleine dazu könnte ich ganze Bücher schreiben. Nur ein Beispiel: DAIMLER ist an der Börse in der Tat nur rund 45 Mrd. Dollar wert. Um den Enterprise Value zu berechnen, werden allerdings immer auch die Schulden berücksichtigt. Dann liegt DAIMLER schon bei 170 Mrd. Dollar. Du siehts das ganz gut bei Yahoo.Finance auf der Seite von DAIMLER unter Statistics: https://finance.yahoo.com/quote/DAI.DE/key-statistics?p=DAI.DE
      Im Gegensatz zu DAIMLER mit dem enormen Schuldenstand hat TESLA kaum Schulden und sehr viel Cash. Wie das Math TESLA gegen DAIMLER am Ende ausgeht? Ich bin gespannt. Aber ich setzte nicht einen Cent auf einen Automobilkonzern. In dem Fall stehe ich an der Seitenlinie. Und fühle mich dort sehr wohl.
      Fünftens: Schulden werden in den USA schon seit 200 Jahren nicht zurückgezahlt. Wenn es mal einer macht (es gab zwei Versuche) kollabiert die Wirtschaft anschließend. Das kann man sehr schön bei Ken Fisher nachlesen in seinem „Little Bool of Market Mythos“. Wenn der Staat hingegen Schulden gemacht hat, lief die Wirtschaft gut. Widerspricht unser Intuition – aber Fakten sind nun mal Fakten. Wir sollten sie zu Kenntnis nehmen.
      Sechstens: Die Massen werden nicht dauerhaft arbeitslos sein. Dafür sorgt das ganze Geld ja, das die Staaten in die Hand nehmen. Würden sie es nicht in die Hand nehmen, dann hätten wir tatsächlich eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine länger dauernde und sich verschärfende Rezession.
      Siebtens: Die amerikanische Notenbank Fed hat ihr Mandat verändert. Sie ist jetzt in erster Linie für eine sinkende Arbeitslosigkeit zuständig. Sie wird die Zinsen für Jahre bei Null halten. Und sie wird deutlich mehr Inflation zulassen als in der Vergangenheit.
      Achtens: Nein, auch die Schulden die sie während des 2. Weltkriegs gemacht haben, haben die Amerikaner nie zurückgezahlt. Sie haben auf Wachstum gesetzt und dann kam noch ein wenig Inflation hinzu – und schon sanken zwar nicht die Schulden in absoluten Dollar, aber die Schulden relativ zum Bruttosozialprodukt. Von anfänglich 120 Prozent (1946) bis schließlich nur noch 35 Prozent (1976). Die absolute Höhe der Schulden war nie gesunken.
      Neuntens: Schulden muss man sich leisten können. Da die Zinsen in den USA regelrecht kollabiert sind, können sie sich jetzt deutlich mehr Schulden leisten, ohne einen einzigen Dollar mehr dafür zu bezahlen. DAs Paradies für neue Schulden.
      Zehntens: Wehe wenn die Zinsen steigen! Wenn das passiert wird es schwierig. Und genau deshalb wird es vermutlich nicht passieren. Keine Regierung Trump oder Biden kann und wird das zulassen.

      Ups – es ist eine sehr lange Antwort geworden!

      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian

      P.S.: Ich habe die enorme Inflation in den 70er Jahren miterlebt. Das war strangulierend für Hausbesitzer und Unternehmen. Die Zinsen in den USA stiegen bis über 15 Prozent. Und das war sehr schlecht für die Aktienmärkte. Damals pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass es nur noch eine Frage weniger Jahre ist, bis der Kapitalismus und das Weltfinanzsystem zusammenbricht. Nichts davon ist passiert. Du siehst, ich bin sehr vorsichtig, wenn es um den Weltuntergang geht. Bisher wurde er immer, aber wirklich noch immer vertagt. Auf nächstes Jahr.

      Antworten
  3. mick.jay

    Netter Kommentar Grandma!

    Aber auch Buffett hat Eisenbahngesellschaften und Banken und Öl- und Gas-Companies und Fluggesellschaften in seinem Portfolio.
    … und ist eigentlich bei apple erst sehr spät eingestiegen.

    Auch ich halte Warren für einen der Grössten, aber ich antworte mit einem anderen Grossen der Branche-Zitat:
    Peter Lynch:
    Investoren, die sich auf Korrekturen vorbereiten oder versuchen, Korrekturen vorwegzunehmen, haben weit mehr Geld verloren, als durch Korrekturen selbst verloren gegangen ist.

    Soll heissen, ich schichte jetzt nicht meine ganzen Tec-Aktien in zum Beispiel Teva (hält Warren ebenfalls grosse Position) und J&J und CocaCola um.
    Auch Grandma ist ja ordentlich über wikifolio & Co in Tec investiert. Wie ist den die eigene Meinung DAZU?

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Alle Unternehmen müssen sich mittlerweile so positionieren, dass sie Softwarelösungen bzw. das Internet bzw. Apps (also das mobile Internet) in ihre Aktivitäten einbauen. SHERWIN-WILLIAMS tut das. MASTERCARD auch. NIKE, DISNEY, CHIPOTLE, STARBUCKS – ja selbst JOHN DEERE. Wir leben in einer Welt, in der die Unterscheidung zwischen Tec und Nicht-Tec bald keinen Sinn mehr ergibt.
      Ich lese extrem viel in diese Richtung und frage mich, welche Unternehmen gut positioniert sind. Einige von denen werden als Tec-Unternehemn angesehen – andere hingegen nicht.
      Fest steht: Seit einem guten Jahr habe ich auch 7 Prozent High-Tec im Depot, sowohl privat als auch im wiki Global Champions. Dieser Anteil wächst derzeit leicht und soll zumindest 14 Prozent erreichen.
      Und dann wird sich Grandma erneut überleben, wie es mit High-Tec weitergeht.

      Antworten
      1. mick.jay

        danke für die knackige Erwiderung!

        Meinen Tec-Anteil habe ich z.Z. noch deutlich höher…. irgendwas mit 35-40%.
        Tatsache ist: eine konstante jährliche Rendite von über 20% bekomme/bekam ich in den Jahren zuvor mit meinen ETF auf MDAX, MSCI World einfach nicht hin.
        Daher mein klares Bekenntnis zu Einzelaktien und auch nur in Ausnahmen noch aus „deutschen Landen“!

        Antworten
        1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

          Yep. Die 10er Jahre waren Jahre in denen Technologieaktien das Rennen machten. Die 20er Jahre werden uns in etwa das doppelte Tempo an Veränderungen bringen, wie das hinter uns liegende Jahrzehnt. Software is eating the world.

          Antworten

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