Soll ich mir (jetzt) eine Immobilie kaufen? (3)

Sechs weitere Wege, wie eine Immobilie unglücklich machen kann

 

Erforsche deine Gefühle sagt Obi-Wan zum jungen Luke Skywalker in Star Wars. So ist es auch bei Immobilien, sagt der Finanzwesier in seinem Blog Beitrag zur Frage Haus kaufen – ja oder nein? Das Problem bei dieser Befragung der Gefühle: Menschen sind gnadenlos schlecht darin ihre Gefühle für Situationen einzuschätzen in denen sie noch nie waren.

Das sollte uns jetzt nicht wirklich überraschen. Für Situationen in denen Menschen noch nie waren, müssen wir nach Anhaltspunkten suchen, wie wir uns fühlen könnten. Den Rest erledigt unsere Fantasie. Deshalb reichen einige schöne Fotos von den Seychellen und von glücklichen Urlaubern dort– und schon können wir uns problemlos vorstellen, dass ein Urlaub dort uns glücklich machen wird. Punkt.

Wir haben also eine Vorstellung davon wie wir uns fühlen, wenn wir uns und unserer Familie einen super teuren Urlaub auf den Seychellen gönnen, den wir uns eigentlich gar nicht leisten können – fantastisch. Dort angekommen können wir den Urlaub aber nicht wirklich genießen. Wir sehen jeden Tag 1000€ vor unserem inneren Auge verschwinden und machen uns Sorgen um unser Konto. Und fühlen uns schlecht.

Erforsche deine Gefühle – dieser Rat ist besonders schwer zu beherzigen, wenn angeblich alle mit einer Entscheidung für ein Haus glücklich werden (stimmt nicht) und wenn zudem viele Menschen in unserem Umfeld auch diese Entscheidung treffen.

Ob eine Immobilie Menschen glücklich macht oder nicht, diese Frage ist sehr schwer vorauszusagen. Das liegt auch daran, dass wir alle davon ausgehen, dass wir dauerhaft ein Paar bleiben. Zumindest die Hälfte von uns irrt bei dieser Annahme.

Vermeide jede Scheidung. Das ist die wichtigste Finanzregel die Finanzwesir Albert Warnecke gerne nennt. Heute, im dritten Teil der Serie zu Immobilien soll es um sechs weitere Wege gehen, wie Immobilien uns unglücklich machen können. Können, nicht müssen.

 

Neuntens

 

Die meisten Menschen bedenken beim Bau eines Hauses nicht die negativen Folgen, die das für ihren Alltag haben kann. Das gekaufte Grundstück liegt weit außerhalb – weil Grundstücke dort günstiger sind. Längere Fahrtwege sind die Folge. Das Ergebnis: Noch weniger Zeit. Für Freunde. Für Sport. Für Hobbys. Die Stimmung in der Partnerschaft sinkt, weil ein Paar viele Dinge nicht mehr tut oder sich nicht mehr leisten kann, die die Stimmung heben.

 

Zehntens

 

Eine der häufigsten ganz praktischen Folgen einer Immobilie lautet: Mehr Arbeit. Das betrifft natürlich auch das Haus selber. Ein eigenes Haus macht immer mehr Arbeit, als ein gemietetes. Aber das ist es ja nicht alleine. Um die Abzahlungen des Kredits zu ermöglichen, müssen Paare nach dem Kauf oft mehr arbeiten, als zuvor. Oft erhöhen Männer ihren Einsatz im Beruf oder nehmen eine Arbeit an, die mehr Einkommen bei deutlich längeren Arbeitszeiten verspricht. Oder beide Partner erhöhen ihre Belastung. Eine zusätzliche Belastung im beruflichen Bereich kann die Partnerschaft über die Grenze des Erträglichen hinweg belasten. Die Zeit für den Partner ist zu knapp. Die Zeit für persönliches ebenso. Die bekannte Folge lautet: Unzufriedenheit.

 

 

Elftens

 

Wer ein Haus baut, der denkt, dass er bis ans Lebensende glücklich ein Paar bleibt. Bis das der Tod uns scheidet.

Leider ist die Hoffnung von Paaren auf ewiges Glück in vielen Fällen eine Illusion. Die Hälfte aller Ehen wird irgendwann geschieden. Das ist für alle eine schwere Zeit, für beide Partner und für die Kinder. Hat ein Paar eine Immobilie, dann ist eine Trennung erheblich schwieriger und seelisch belastender. Das Geld ist nach der Scheidung knapp. Wer bekommt das Haus? Kann einer alleine es überhaupt bezahlen? Muss das Haus möglicherweise verkauft werden? In manchen Fällen müssen die ehemaligen Partner eine Immobilie für deutlich weniger verkaufen, als sie einmal gekostet hat. Und so bleiben Schulden, die von beiden Partnern getragen werden müssen.

Kaum ein Paar hat so eine negative Entwicklung einkalkuliert. Immobilien gelten als eine ausgesprochen sichere Geldanlage. Dabei schwanken sie stark im Wert und garantieren auch auf lange Sicht keinen sicheren Gewinn. Diesen Punkt haben viele Menschen derzeit nicht auf dem Radar. Die Immobilienpreise sind in den vergangenen zehn Jahren beinahe ständig gestiegen. Davor aber gab es lange Zeiträume, in denen die Preise für Immobilien stagnierten oder gar fielen. Schon gar in abgelegenen Gegenden Deutschlands wie Zittau, dem Harz oder dem Hochsauerland.

 

Zwölftens

 

Jennifer (45) und Matthias (47) haben einen Ehevertrag. Der sieht vor, dass bei einer Trennung das gesamte Vermögen Matthias gehört – inklusive Haus. Jennifer darf sich also um die beiden Kinder kümmern, das Haus verschönern und putzen und sie darf Matthias beim Aufbau und der Führung seiner Dachdeckerfirma helfen – der Ertrag aber gehört laut Vertrag ausschließlich ihm. Nur er steht im Grundbuch. „Ich wollte doch so gerne heiraten“, sagt Jennifer mit belegter Stimme. „Und er war dazu nur bereit, wenn ich den Ehevertrag unterschreibe.“ Seinerzeit hat ihr das nichts ausgemacht. Sie hatten damals gar kein Vermögen. Jetzt aber, rund 15 Jahre später, beträgt das Vermögen rund 1 Mio. Euro. Zwei Drittel davon macht die Immobilie aus.

Als sie den Ehevertrag unterschrieben hat, hat Jennifer natürlich auch ihre Gefühle erforscht. Aber da kaum Geld da war konnte sie sich nicht vorstellen wie sie sich fühlen würde, wenn alles was sie gemeinsam erarbeiten am Ende ihrem Mann gehört – grässlich.

Die Stimmung bei Jennifer und Matthias jetzt schon seit Jahren angespannt. Sex gibt es gar nicht mehr. Die beiden kuscheln noch ab und an. Matthias ist nicht bereit, den Vertrag zu ändern. Es ist alles seins – und so soll es auch bleiben. Wütend verlässt er die Beratung.

 

Dreizehntens

 

Paare mit Kindern haben in aller Regel den festen Wunsch zusammenzubleiben. Das ist zunächst einmal kein Problem. Wer wollte da schon dagegen sein! Die Frage ist aber: Wie? Viele Paare nutzen dazu einen problematischen Weg. Sie setzen sich nur noch wenig auseinander – der Harmonie zuliebe. Und genau das ist gefährlich. Paare die sich wenig auseinandersetzen sind einige Jahre später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit getrennt, als Paare die das tun. Ein Grund hierfür: In diesen Partnerschaften leidet die Erotik massiv. Paare mit einer seltenen Sexualität sind aber weniger glücklich mit ihrer Beziehung, als Paare, bei denen die Sexualität häufiger ist.

Welche Wirkung hat eine Immobilie auf die Bereitschaft von Paaren, sich auseinanderzusetzen? Sie ahnen es sicher: In vielen Fällen entwickelt sie sich negativ. Das Bedürfnis nach Harmonie ist nun noch größer als zuvor. Und so gefährdet das gemeinsame Haus das Fundament der Ehe. Weniger Auseinandersetzungen über strittige Themen – mehr Harmonie – weniger Sex – weniger Eheglück – weniger Auseinandersetzungen. Ein Zirkel mit einem oft schlimmen Ende.

 

Viertzehntens

 

Eine Immobilie kann ein Paar alle seine Ersparnisse kosten. Ist das Paar dann im Rentenalter, hat es keine Möglichkeit mehr, auf seinen Besitz zurückzugreifen, es sei denn, es verkauft sein Zuhause. Und wer will das schon.

Aber nicht nur im Alter geraten Paare in ernsthafte finanzielle Engpässe oder müssen den Gürtel enger schnallen, wenn sie sich den Traum vom eigenen Heim verwirklichen. Die Folge: Es bleibt weniger Geld für all die angenehmen Seiten des Lebens. So kann eine Immobilie dazu beitragen, dass seine Besitzer nach dem Kauf weniger glücklich sind, als zuvor. Sie überschätzen den langfristigen Einfluss der Immobilie auf ihr Zufriedenheitsgefühl. Und sie unterschätzen die hohen emotionalen Kosten, die der Verzicht auf Konzertbesuche nach sich zieht (zu teuer!), die reduzierten Urlaubspläne (zu teuer!), das früher so gewohnte Essen gehen (zu teuer!) und die selteneren Besuche bei entfernten Freunden (zu teuer!).

Manchmal wird die Immobilie sogar zur finanziellen Falle. So wie bei Ludwig (58) und Eva (55). Ludwig hat sich vor zwanzig Jahren Hals über Kopf in ein Haus verliebt. Ein Haus mit Blick auf die Elbe. Wunderschön. Bald darauf kam das Elbhochwasser. Ludwig und Eva haben viel Geld aufnehmen müssen, um die Schäden zu beseitigen. Dabei ist das Haus nicht einmal mehr zu verkaufen. Es steht jetzt ganz offiziell in einem Bereich, der als Überschwemmungsgebiet gilt. Fünf Jahre hat Eva noch bei Ludwig ausgehalten. Es gab keine Freude mehr mit ihm. Sie ist ausgezogen. Ihr gesamtes Geld hat sie verloren. „Ja, dann ist das so“, sagt sie. “Aber ich wollte mir meine Lebensfreude nicht nehmen lassen.“

 

Fazit

 

Vierzehn Wege, wie eine Immobilie privates Unglück nach sich ziehen kann. Kann – aber nicht muss. Immer wieder gehen Menschen diese gefährlichen Wege. Welchen grundsätzlichen Fehler machen sie dabei? Sie setzen den Glücksfaktor für den Besitz eines Hauses oder einer Wohnung schlicht zu hoch an. Und sie kümmern sich bei der Befragung ihrer Gefühle zu wenig um die negativen emotionalen Kosten ihrer Entscheidung.

Wichtiger als eine Grundsteinlegung fürs eigene Heim ist immer, für einen festen Grund für die eigene Partnerschaft zu sorgen. Dazu gehört, dass wir genug Zeit füreinander haben. Für das Gespräch. Und für eine lebendige und häufige Sexualität.

Matthias hat mit seiner Gier (Alles meins!) das Gebot der Fairness verletzt und so seine Beziehung in eine bedrohliche Schieflage gebracht. Am Ende hat er viel Streit mit Jennifer, keinen Sex und schlaflose Nächte, weil Jennifer ihn zu verlassen droht. Was für ein hoher Preis für ein Haus!

Wie sagte Warren Buffett: Der Kauf seines Hauses war die zweitbeste Investition seines Lebens. Die erste sollte immer unsere Partnerschaft sein. In sie zu „investieren“ ist wichtiger als alles andere. Außerdem sollten wir alle „Kosten“ berücksichtigen, die eine Immobilie nach sich zieht, auch die Kosten für unsere Zufriedenheit, wenn wir durch einen Hauskauf mehr arbeiten müssen als bislang und weniger Zeit für die angenehmen Dinge des Lebens haben. Denn die Freude an dem schönen Haus lässt nach. Die Arbeit und die Kosten aber bleiben.

 

Buchtipp

 

Christian Thiel: Wieso Frauen immer Sex wollen und Männer immer Kopfschmerzen haben. Die populärsten Irrtümer über Beziehung und Liebe.

 

 

3 Kommentare

  1. Joachim Hofmann

    Lieber Christian Thiel, sehr wertvolle Beiträge für einen rationaleren Umgang mit der Frage nach dem „eigenen Heim“ – noch ein weiterer Grund, den ich in meiner Eigenschaft als Energieberater täglich erlebe: 75% aller Bestandsimmobilien sind komplette Sanierungsfälle, sog. WPBs „worst performimg buildings“ – nicht dass diese wirklich „schlecht“ wären, nur die Anforderungen (an Neubauten) sind in den letzten Jahren wg. einer „klimapanik“ -Politik derartig hochgeschraubt worden, dass zw. Neu- und Gebraucht eine extreme Schere aufgegangen ist. Die Politik plant den gesamten Bestand (!) bis 2050 – also in nur 26 Jahren „klimaneutral“ zu machen. Das sind ca. 150k€ pro EFH, obwohl scheinbar alles „in Ordnung“ ist.
    Da kommt ein rendite-fressender Kosten-Tsunami auf uns zu, den kaum jemand auf dem Schirm hat.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Wichtiger Punkt. Danke Joachim!

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  2. Marc

    So ist es in leider sehr vielen Fällen.
    Wenn schon, sollte jeder seine eigene Immobilie mit seinem eigenen Geld anstreben. Der, der beim anderen wohnt ,kann ja dann eine Art Miete bezahlen.
    Bei derTrennung gibt‘s dann weniger Probleme.

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