Sag mal Christian, haben wir derzeit eigentlich einen Crash?

Danke für die schöne Frage! Nein haben wir nicht. Das Tempo des Abschwungs ist zwar sehr ungewöhnlich (um nicht zu sagen: historisch noch nicht dagewesen). Gut möglich, dass die Börsenhistoriker es eines Tages dann den Corona-Crash nennen werden, obwohl es nach den Zahlen gar kein Crash ist.

Kommen wir also zu den Zahlen. Wie stark sind die Kurse zurückgegangen?

Wir haben im MSCI World (Chart) einen Rückgang von fast genau 30 Prozent vom Hoch. Ziemlich genau da steht auch der S&P 500.

 

 

Deutlich schlechter sieht es im DAX aus. Im Monatschart für den DAX ist gut zu sehen, dass er zwischenzeitlich schon sehr nahe an die Grenze von -40 Prozent gekommen ist. Er ist im Übrigen auch genau an dieser Stelle abgedreht und wieder nach oben geschnipst. Fürs erste.

 

 

Beim DAX sind ganz offensichtlich einige große Spieler (wie Hedgefond-Manager Ray Dalio) aktiv, die mit großen Beträgen auf fallende Kurse gesetzt haben.

 

Was ist ein Crash?

 

 

Ein Crash ist ein Börsenereignis, dass den Index mehr als 40 Prozent des Kurses fallen lässt. Alles darunter ist ein normaler Bärenmarkt, wie es ihn an der Börse alle 5-10 Jahre im Durchschnitt gibt. Die meisten Bärenmärkte sind eher milde und bewegen sich im Bereich von minus 20 bis minus 30 Prozent. Bislang ist das auch bei diesem Bärenmarkt der Fall. Noch. Das kann sich in den nächsten Wochen ändern.

 

Haben die Crash-Propheten also doch recht?

 

Na ja. Die wichtigsten Crash-Propheten hier in Deutschland verkünden uns den größten Crash aller Zeiten. Den haben wir eindeutig nicht. Sie würden wohl sagen: Noch nicht.

Wer Recht behält? Who knows!

Die bekanntesten deutschen Crash-Propheten sind Weltuntergangspropheten. Sie verkünden den völligen Zusammenbruch der Wirtschaft und/oder der Finanzmärkte, des Euro, der Immobilienmärkte und zum Teil auch der gesamten staatlichen Ordnung. Nichts davon ist bislang passiert und ich halte es auch für sehr unwahrscheinlich, dass etwas in diese Richtung folgen wird.

# Die EZB wird für die Stabilität des Euro sorgen – und sollte genau das auch tun.

# Die EU-Kommission wird für den Zusammenhalt der EU sorgen – und sollte genau das auch tun.

# Der Euro ist stabil. Eine Alternative zu ihm gibt es in meinen Augen nicht.

# Die Bundesregierung wird, wie viele andere Regierungen auch viel Geld in die Hand nehmen, um die Folgen der Krise abzufedern – und sollte genau das auch tun.

# Die Immobilienmärkte werden ihren unaufhörlichen Aufwärtstrend unterbrechen. Möglicherweise werden sie ihn nach der Krise auch nicht wieder aufnehmen. Es gibt (derzeit!) keine Anzeichen für Probleme in dem Bereich.

# Der Innenminister wird die Situation nutzen, um gegen rechtsextreme Gruppierungen und den profaschistischen Flügel der AfD vorzugehen, die beide das politische Chaos brauchen (das die Weltuntergangspropheten interessanterweise ja herbeizuschreiben versuchen) um an Macht und Einfluss zu gewinnen und die bereit sind, dieses Chaos auch herbeizuführen.

 

Die wirtschaftlichen Folgen

 

In der Wirtschaft sieht es aktuell deutlich schlechter aus. Unzählige schon zuvor schwache Unternehmen sind bereits insolvent, wie zum Beispiel die bekannte Restaurantkette VAPIANO, die gerade in dieser Woche den Insolvenzantrag gestellt hat.

Hinzu kommen all die Unternehmen, die jetzt neues Geld brauchen, um die Krise zu überleben. Die Liste dieser Firmen ist sehr lang. Es stehen einige bekannte Namen darauf. Viele von ihnen kommen aus dem Bereich der Automobilindustrie.

Wie auch in der letzten Krise 2008/09 wird DAIMLER vermutlich schon in wenigen Monaten neues Geld brauchen. Weil sie ihre Rechnungen sonst nicht mehr bezahlen können. Das gleiche gilt für TUI, LUFTHANSA und etliche andere bekannte deutsche Aktiengesellschaften.

 

Was tun?

 

Für diese Firmen gibt es drei Wege um zu überleben. Eine Kapitalerhöhung (der norwegische Staatfonds ist derzeit ebenso liquide wie viele andere Staatsfonds auch), staatliche Hilfen oder eine direkte Staatsbeteiligung. Der Staat wird ihnen also Geld leihen, damit sie weiterleben können.

Zu welchen Bedingungen das passieren wird, das ist derzeit noch völlig unklar. Es hängt davon ab, wie die Politik ihre Maßnahmen gegenüber der breiten Öffentlichkeit begründen kann und ob die Bevölkerung bereit ist, solche Stützungsmaßnahmen zu akzeptieren.

Das gleiche wird auch in den USA passieren. Die schwachen und verschuldeten Spieler werden reihenweise Probleme bekommen. Selbst ein vor wenigen Wochen noch für solvent gehaltenes Unternehmen wie BOEING hat um 60 Mrd. Dollar Staatshilfe gebeten, weil sie die Krise der weltweiten Luftfahrt und die gleichzeitige Unternehmenskrise die sie mit dem fahrlässig fehlkonstruierten Flugzeug 737 MAX durchmachen finanzielle möglicherweise nicht mehr überleben können. Auch GENERAL ELECTRIC könnte schon in wenigen Monaten faktisch insolvent sein, ebenso wie viele Ölförderer.

 

Der Ölpreis

 

Im Schatten der Corona-Krise, die nun die meisten entwickelten Volkswirtschaften erfasst hat, hat sich am Ölmarkt ein Drama epischen Ausmaßes vollzogen, dessen Folgen gravierend seien können. Hier kommt der Chart des Ölpreises für die letzten drei Monate:

 

 

Ein Einnahmeverlust von nahezu 60 Prozent ist für viele Ölförderer tödlich (und für einige Staaten die von diesen Einnahmen abhängen ebenfalls). Auch hier werden wir in den nächsten Monaten reichlich Insolvenzen und neuen Kapitalbedarf (sprich: faktische Insolvenz) sehen. Das betrifft vor allem die kleineren Firmen in den USA, die durch Fracking fördern.

Aber auch die etablierten Player sind in extremer Bedrängnis. Sie werden, bleibt es bei dem niedrigen Preis, hohe Abschreibungen vornehmen müssen und ihre Dividenden drastisch reduzieren. Der Kurs von ROYAL SHELL DUTCH zeigt die enorme Schieflage, in die der Konzern gerutscht ist.

 

 

Minus 60 Prozent – das ist ganz ohne Frage ein Crash.

 

Wie geht es weiter?

 

Das kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Fest steht wohl folgendes: Das Leben geht weiter. Und es wird uns weiterhin gut gehen. Die Krise wird enden. In einigen Woche. Oder in einigen Monaten. Dann werden wir erleichtert aufatmen. Und uns den Sorgen des Alltags zuwenden, die derzeit in den Hintergrund treten.

Das Rheinische Grundgesetz fasst das sehr gut in einem Satz zusammen:

 

 

Corona wird weder dem Leben auf diesem Planeten ein Ende bereiten, noch die Zivilisation dazu bringen, auseinanderzufallen.

Wir haben derzeit ganz ohne Frage ein ernsthaftes Problem. Da hilft kein Jammern und kein Klagen. Probleme sind dazu da, um sie zu lösen. Und genau das werden wir jetzt tun.

 

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10 Kommentare

  1. Marcel

    Der grosse Unterschied zu 2008 besteht darin, dass die Politik, und zwar in allen betroffenen Industrieländern, relativ früh erkannt hat, dass schnell gehandelt werden muß. Und die Hilfen sind überall GROSS dimensioniert, sowohl in Deutschland, in der EU / EZB, in China und zuletzt auch in den USA. Insofern wird wie es die bereits angeschlagenen Unternehmen hart treffen, und soweit diese Unternehmen nicht „systemrelevant“ sind, wird der eine oder andere Player verschwinden. Für uns Investoren ist es deshalb wichtig auf Unternehmen zu setzten, die ausreichend Cash haben, wenig oder gar nicht verschuldet sind! Also ein bereinigendes Gewitter und wie Christian Thiel auch hervorgehoben hat, wird die sich ankündigende Immobilienblase gestoppt.
    Ich glaube, dass – je nach Dauer der Beschränkungen – die globale Wirtschaft gestärkt wird. Gut, es wird einige Monate, vielleicht auch ein bis zwei Jahre dauern, bis die Wirtschaft wieder rund läuft. Da die Börse die Zukunft abbildet, kann es in den nächsten Monaten schneller aufwärts gehen als gedacht. Ich bin dabei – als Optimist!

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  2. Katrin

    Das denke ich vom Prinzip her auch.

    Sicherlich wird es nach der Krise eine Aufholjagd geben. Wie nach einem Krieg: Wiederaufbau. Wir (also der Westen) waren ja vor Corona ziemlich saturiert und wussten nicht mehr, wohin mit dem Geld. (In Summe meine ich, im Einzelfall natürlich nicht.)

    Und wer weiß: Vielleicht wird nach dieser Krise das so oft beschworene Problem der sog. „Zombieunternehmen“ ja gelöst sein… Jedenfalls wird es auch eine Bereinigung geben. Und das ist nicht unbedingt schlecht.

    Wer die Krise allerdings nicht aussitzen kann oder will, der hat ein Problem.

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  3. Unkenntlich

    Und was ist mit der Deutschen Bank? Der Höchstpreis lag vor Jahren bei ca. 95 Euro. Und jetzt? Keine 6 Euro.

    Das sieht nicht gut aus. Da kann man mir erzählen was man will. Und dann bezahlen die auch noch 1,5 Milliarden Euro an Boni, an die eigene Mitarbeiter. Die wollen absahnen, bevor alles zusammenbricht. Das ist meine Vermutung. Gruß

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Die DEUTSCHE BANK passt gut in die Reihe der Unternehmenen, deren Aktien schon seit vielen Jahren für Frust bei den Anlegerinnen und Anlegern sorgt. Möglicherweise wird auch die DEUTSCHE frisches Geld brauchen. Das ist derzeit nur schwer zu erkennen. Sie wird es bekommen. Und sie wird nicht zusammenbrechen. So wie auch DAIMLER und TUI nicht zusammenbrechen werden. Es sind nur allesamt schlechte Investments – für Langfristanleger.

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      1. Unkenntlich

        Schon 2008 vergessen? Welche Bank wurde in die Pleite geschickt? Lehman Brothers oder?

        Woher hast Du die Zuversicht, dass die Deutsche Bank auch gerettet wird?
        Was ist der Unterschied zwischen Lehman Brothers und Deutsche Bank?

        Daimler und TUI? Wer soll die retten? Auch der Staat?
        Dann kommt auch noch die Lufthansa dazu. Die rufen auch nach Geld.

        Hoffentlich kommen demnächst nicht weitere Unternehmen mit Hilferufe nach dem Staat.
        Schauen wir mal.. Wir leben in spannende Zeiten.

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        1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

          Die Politik hat den schwierigen Effekt der (vollständig unnötigen und extrem teuren) Insolvenz von LEHMAN sicherlich nicht vergessen. Nachher war jedem klar, dass es viel billiger gewesen wäre, der Übernahme durch BARCLAYS zuzustimmen.
          Ja: Wir leben in spannenden Zeiten. Und da kommen noch ganz viele Hilferufe, auch in den USA.

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  4. Marco

    Hallo,
    guter Beitrag. Absolut richtig, keiner weiß, wohin die Reise geht. Die kommenden Wochen werden noch so richtig spannend.
    Ruhe bewahren ist wichtig. Aber auch gesellschaftlich ist es eine komische Zeit.

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  5. Marc

    Guter Beitrag, glasklar!
    Einige Crashpropheten scheinen derzeit geradezu vor Freude zu strahlen, ohne zu bedenken, daß es ihnen auch an den Kragen geht, wenn ihre Prophezeiungen wahr werden. Daran wird auch die Whiskysammlung nicht allzuviel ändern.

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  6. Oliver

    Bei VAPIANO stimme ich dir ehrlich gesagt absolut nicht zu! Das Unternehmen hatte schon lange Monate, wenn nicht Jahre, vorher Probleme seine Bilanz und auch überhaupt das Geschäftsmodell in Ordnung zu halten. Die Insolvenz hat mit der aktuellen Situation nichts zu tun!

    Auch die Autobauer oder BOEING haben im Vorfeld von Corona Fehler begangen! So sollte man diese Unternehmen auch bewerten und behandeln. Natürlich hängen an diesen Unternehmen eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, doch in der Krise sollte sich gerade auch um den Mittelstand, der Stütze des alltäglichen Lebens, gekümmert werden.

    Sinngemäß lautet ein Zitat von Buffett: “ Erst bei Ebbe erkennt man diejenigen, die keine Badehose an haben“. So richtig wirklich ist ja noch gar keine Ebbe, doch augenscheinlich wackeln schon jetzt die ersten Unternehmen.

    Der Ölpreis scheint mir in diesem Zusammenhang eher ein politischer Stellvertreterkrieg der Systeme zu sein. Es wäre schön, wenn die vermeintlich mächtigen „Herren“ dieser Welt, doch noch erkennen, dass sie Otto-normal-Verbraucher dienen und nicht ihrem eigenen Geldsäckel, ihren Lobbyisten.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Völlig richtig. Wobei der niedrige Ölpreis die Weltkonjunktur stützt (auch wenn er möglicherweise für einzelne Unternehmen zu einem Problem wird).

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