Mach. Eine. Bilanz.

Kennst du die Geschichte von der Zahl der Autofahrer, die fest davon überzeugt sind, dass sie zur besseren Hälfte der Autofahrer gehören? Es sind in verschiedenen Untersuchungen regelmäßig zwischen 90 und 100 Prozent. Rein logisch ist das natürlich nicht möglich. Nur 50 Prozent können zur besseren Hälfte gehören. Aber das hält ganz offensichtlich viele Autofahrer nicht davon ab, etwas ganz anderes über ihre persönlichen Fähigkeiten zu glauben.

Das Erschreckende: Männliche, junge Autofahrer, die besonders viele Unfälle verursachen, haben in solchen Umfragen das größte Selbstvertrauen. Und überschätzen sich selber.

 

Selbstüberschätzung beim Geldanlegen

 

Leider ist das beim Geldanlegen ganz genau so. Eine hohe Zahl an Anlegern glaubt, dass sie den Index schlagen. Das Problem dabei: Es stimmt nicht. Stellt sich die Frage: Wie schaffen sie es zu glauben, dass sie den Index schlagen?

Die Antwort auf diese Frage hat zwei Teile.

Erster Teil. Sie machen keine Bilanz.

Zweiter Teil. Sie vergleichen sich nicht mit dem Index.

Sie gewinnen ihre Überzeugung also ohne ernsthaft zu schauen, ob ihre Aktienkäufe wirklich eine gute Idee waren. Nun könntest du sagen: „Meine Güte, sind die aber dumm!“ Ich sehe das ganz genau so. Das Problem ist nur: Viele Vorbilder der Privatanleger machen das ganz genau so.

 

 

Zahlreiche Dividendenblogs zum Beispiel behaupten, dass du mit Hilfe ihrer Strategie viel besser fährst. Am Ende des Jahres machen sie dann einfach keine Bilanz und schauen auch nicht wie der Index sich entwickelt hat – und behaupten weiterhin, ihre Strategie sei bahnbrechend gut. Dabei ist die Situation gerade bei Dividendenstrategien sehr gut untersucht:  Die allerbesten liegen in unabhängigen Studien über mehrere Jahre rund 20 Prozent hinter dem Index. Der Index ist klüger.

Auch manche Value-Investoren arbeiten ganz ähnlich und ‚vergessen’ einfach, ihre Aktientipps zu überprüfen. Neulich habe ich mir die Aktienempfehlungen auf einer bekannten Internetseite angeschaut. Die dort empfohlenen Aktien kamen im zweiten Halbjahr 2018 auf eine Performance von rund -11 Prozent. Ein Investment in den Index (MSCI World) steht für diesen Zeitraum ebenfalls im Minus allerdings nur für rund 7 Prozent. Der Index war also klüger. Macht nichts – die Betreiber der Seite wollen das lieber nicht wissen.

Mach eine Bilanz!

 

Ich möchte dich dazu bewegen, dass du eine Bilanz machst. Jedes Jahr solltest du also schauen, wie gut (oder wie schlecht) deine Performance war. Und dann vergleichst du dich mit dem Index. Schriftlich.

Verlassen sich Anleger nur auf ihre Erinnerung, fällt es ihnen interessanterweise sehr leicht, den Index zu schlagen. In einer Umfrage aus dem Jahr 1999 gaben 28 Prozent der Befragten an, sie hätten in den vergangenen 12 Monaten den Index geschlagen. Dann wurden sie nach ihrer Performance befragt.

 

 

Vier Prozent kannten ihre Performance überhaupt nicht. Aber sie wussten, dass sie besser waren als der Index. Das erinnert mich gleich wieder an die jungen und von sich selbst überzeugten ‚Value-Anleger’, die dich (angeblich) zu einem besseren Investoren machen wollen, aber schlicht nicht wissen, wie ihre eigenen Aktientipps abschneiden.

Von denen die ihre Performance kannten, sagten in dieser Studie 10 Prozent, sie hätten um bis zu 12 Prozent zugelegt. Etwa ein Drittel gab an, es seien 13 bis 20 Prozent Zuwachs gewesen. Ein weiteres Drittel sagte, sie hätten zwischen 21 und 28 Prozent zugelegt. Nur ein knappes Viertel glaubte, mehr als 29 Prozent Rendite erzielt zu haben.

Mehr als 29 Prozent Rendite. Puh. Ist das realistisch? Wir werden das gleich sehen, wenn wir einen Blick auf den Index werfen. Die Anlegerinnen und Anleger die für diese Studie befragt wurden, hatten das zum großen Teil jedenfalls nicht gemacht.

 

Wie gut war der Index?

 

Bist du auch schon ganz gespannt, wie der Index in dem Jahr abgeschnitten hat? Die Untersuchung wurde in den USA gemacht und als Vergleichsindex wurde der Dow Jones genutzt. Der hatte im fraglichen Zeitraum – um 46,1 Prozent zugelegt.

 

 

Obwohl der Index um 46 Prozent zugelegt hatte, waren also Anleger der Überzeugung, dass sie mit einem Zuwachs von 12 Prozent, von 20 und von 28 Prozent besser waren als der Index.

So etwas nennt man Selbstbetrug. Oder in den Worten von Jason Zweig in seinem Buch über Neuroökonomie: „In jedem von uns lauert ein Hochstapler.“ Nur wenn wir den austricksen, dann haben wir eine echte Chance den Index zu schlagen. Oder wir haben eine echte Chance, unseren Anspruch besser zu sein als der Index aufzugeben – und uns mit dem Gewinn des Index zufriedenzugeben.

In der Untersuchung von 1999 wären immerhin drei Viertel derjenigen, die der Meinung waren den Index geschlagen zu haben mit dem Index besser gefahren. Oder auch viel besser gefahren. Zwischen den gerade einmal 12 Prozent die viele Anleger für sich reklamierten und den immerhin 46 Prozent des Dow klafft eine ziemlich breite Lücke.

 

Mein Fazit

 

Es nutzt nichts sich einzubilden, besser zu sein als der Index. Geldanlage ist eine zu ernste Sache, um sich über Erfolge zu freuen, die es nie gegeben hat. Es geht um die Zukunft deines Geldes. Also: Mach. Eine. Bilanz. Jedes Jahr. Und vergleich dich mit dem Index (zum Beispiel mit dem MSCI World).

Die Performance von grossmutters-sparstrumpf kannst du jedes Jahr im Jahresrückblick hier auf dem Blog erfahren. Oder du schaust in das wiki „Global Champions“. Sogar meine Sell-Empfehlungen der letzten Jahre habe ich neulich mal durchgerechnet und festgestellt, dass sie um 26 Prozent schlechter gelaufen sind als der Index. Das hat mich natürlich gefreut.

 

Mehr über deine Bilanz, den Vergleich mit dem Index und darüber wie du den Index schlagen kannst, erfährst du am 30. März beim zweiten Geldseminar von grossmutters-sparstrumpf. Derzeit sind noch zwei Plätze frei.

 

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12 Kommentare

  1. Muri

    Hallo Christian,
    grundsätzlich ist es völlig richtig zu prüfen und eine Bilanz zu machen, ich finde aber keinen einfachen Weg um es umzusetzen.
    ..
    Ich müsste genau den Wert des Depots zum 1.1. eines Jahres kennen (vllt durch Kontoauszug möglich).
    Im Laufe des Jahres werden Werte wieder verkauft und das Geld landet dann im Girokonto.
    Werte werden wieder gekauft, nun kommt aber ggf. wieder frisches Kapital zusätzlich vom Girokonto dazu oder das Gegenteil ist der Fall. Dieses müsste man alles wieder herausrechnen. Die Dividenden kommen ggf. auch noch hinzu.
    ..
    Wenn das Depot direkt am Girokonto angeknüpft ist, ist es sehr schwer alles auseinanderzuhalten,
    Der Aufwand ist einfach zu groß.

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ein guter Broker sollte eine Performance-Funktion habe und sie dir automatisch auswerfen. Die Deutsche Bank (bei der ich bin) tut das.
      Ansonsten tut es aber auch ein ganz normales Depotkonto – Depot. Ich bekomme nie Dividenden aufs Girokonto – sondern immer aufs Depotkonto. Da gehören sie ja auch hin. Und Verkäufe auch.

      Antworten
  2. Florian

    Hallo Christian,

    vielen Dank für den Artikel. Ich habe genau das vor einigen Wochen gemacht. Und es war nicht einfach. Die Erkenntnis, dass ein Tagesgeldkonto besser performt hätte, tut schon weh. Man muss sich eingestehen, dass man einige Fehler gemacht. Aber: es hilft ungemein diese Fehler aufzuschreiben und so aus diesen zu lernen. Falls man das nicht tut, verdrängt man sehr gerne seine Fehler und wiederholt diese.

    Bei mir waren es vor allem unnötige Verkäufe, die mich jetzt ärgern. Wer meine Bilanz nachlesen möchte, kann das in meinem Blog tun: https://rationalhandeln.de/2019/04/14/investieren/depot-jahresrueckblick-2018/.

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Danke für so viel Ehrlichkeit.

      Antworten
  3. Niko

    Ich habe mich mit Einzelaktien verzockt und danach Bilanz sowie Konsequenzen gezogen – seitdem nehme ich „den Index“ (namentlich FTSE All-World“) und fertig. Keine Spaßaktien, keine Beimischung, keine dividendengebenden Kühe oder -tragenden Bäume. Einziger Nachteil: es ist furchtbar langweilig. Aber wenn ich Spiel, Spaß und Spannung haben will kaufe ich mir lieber ein Ü-Ei.

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Danke Niko für dein freimütiges Bekenntnis. Es ehrt dich, dass du die Konsequenzen gezogen hast.

      Antworten
  4. Matthias

    Hallo Christian,

    vielen Dank für deinen Artikel. Ich habe einige ETFs und seit kurzem auch Aktien. Meine Frage nun: Soll ich alle Werte zusammen mit dem Index vergleichen, auch wenn ein ETF sogar direkt den MSCi World abbildet.

    Benutzt du deine Software zur Billanzerstellung oder verwendest Excell?

    Viele Grüße
    Finanzmatze

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ich nutze keine Software – für mich macht das wikifolio und die Deutsche Bank. Ich mache es mir also sehr einfach. Eine Bilanz ist natürlich vor allem für die Einzelaktien wichtig.

      Antworten
  5. Marco Dargel

    Hm, nein, ich denke eher, dass Du es Dir zu einfach machst. Mache eine Bilanz hätte auch bedeuten können, dass Du keine Amazon mehr hast. Sie war nicht jedes Jahr ein Riese. Bis jetzt hattest Du nur Glück. Du hättest Yahoo auch 1998 kaufen können. Du hättest auch Apple wegen schlechter Performance verkaufen können. Ich habe schon über Deine Aussage nachgedacht und möchte Dir mal ein paar Fehler aufzeigen. Ich habe mal Adidas verkauft.. zu 78 oder so. Der Kurs fiel weiter. Ich hatte Bilanz gemacht. Und die sagte verkaufen. Adidas lief damals schlecht und fiel sogar auf 56 oder so. Du findest Dividenden Aristokraten Panne okay: Aber die Geschichte hat mich auch einiges gelernt. In 10 Jahren wäre es das erste mal in 200 Jahren, dass alle Techführer noch zu den Top 5 gehören. Geschichtlich gehen mindestens drei unter. Ich meine, dass haben sie früher gemacht. Kann heute anders sein. Es kann heute alles anders sein. Und erst wenn die ersten Techriesen baden gehen, wirst Du verstehen, warum man Aristokraten mag. Der einzige Techriese aus dem Jahre 2000 , der heute noch eine Rolle spielt, ist Microsoft. Damit ist es ein Ausnahmeunternehmen.

    Wir alle haben mal eine Serie, wo wir an der Börse recht haben. Kennt jeder. Die entscheidende Farge ist aber, was wir verlieren, wenn wir unrecht haben. Und nur damit Du das weissst. Ich hatte schon mal erklärt, dass Dividendenwerte Mist sind und Techwerte die Zukunft. Allerdings nicht heute. Ist schon lange her. Allerdings wurde ich verbrannt und denke heute anders. Du erinnerst mich an mein früheres Ich. Ich habe damals genauso gedacht. Ich wollte sogar mein Börsendiplom mit Techwerten machen. Und dann wurde ich zerstört. Du bist nicht auf eine Zeit vorbereitet, wo Du Dich irrst. Und Techwerte können ganz schhön schnell verbrennen.

    Ich mache mal eine völlig bkloppte Aussage. In 15 Jahren sind 4 der größten 5 Techreisen von heute unbedeutend. Klingt lustig? Klang 2000 auch lustig

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Mir ist deine Darstellung viel zu einfach. Ich kenne die Zeiten des Neuen Marktes und der Technologie-Blase der Jahre 1998-2000 ziemlich gut. Der Fehler den viele Anlegerinnen und Anleger machen war in meinen Augen, dass sie von 1998-2000 unbedingt nur Technologie-Aktien im Depot halten wollten. Nach dem Crash dann wollten sie ab 2002 nur noch Dividendenwerte haben.
      Und das ist genau verkehrt herum. In den Jahren 1998-2002 wären die meisten mit mehr Substanzwerten besser gefahren. Aktien wie ADIDAS, NOVO NORDISK oder NIKE um jetzt mal drei meiner Lieblingsaktien zu nennen. Ab 2002 aber beginnt in der Tat der große Siegeszug der Technologieaktien (der noch lange nicht zu Ende ist).
      In meinem Depot findet sich eine Mischung von sehr vielen Substanzwerten (DISNEY, JOHN DEERE, STARBUCKS um mal noch ein paar zu nennen – aber auch APPLE gehört mittlerweile dazu) und den Unternehmen, die gerade die Zukunft unter sich aufteilen. Wer die nicht im Depot hat, der kann dem Index hinterherschauen. Was du vermutlich tust (und das ist auch völlig in Ordnung so). Aber ich werde das weder tun noch hier auf dem Blog propagieren. Ich schaue nicht mit sogenannten Dividendenaktien (die Jahr für Jahr nur 80 Prozent von dem bringen, was der Index schafft) regelmäßig dem Index hinterher. Wenn – dann kaufe ich den Index. Und Ruhe ist.
      Wenn es mir nicht mehr gelingt, den Index zu schlagen, dann werde ich genau das tun: Den Index kaufen. Solange ich aber durchschnittlich um 5 Prozent im Jahr vor dem Index liege, werde ich mich darüber freuen. Und das Depot freut sich – weil es sehr schön wächst.

      Antworten
  6. Joerg

    Danke Christian,
    wo bleiben die Begeisterungsstuerme?
    Komisch, schreibt gar keiner hier hin, weshalb Er keine Bilanz macht?

    Da hilft nur Spekulieren: Ich schreib‘ mal in’s Blaue:
    – zu faul, zu muehsam, Schmerzvermeidung?
    – es geht gar nicht (nur / kaum / wenig) um die reale Rendite?
    – sondern?
    – um „recht haben“?
    – um „ich will spielen“ (Homo ludens)
    – oder um „passives Einkommen“ 🙂 Kurse sind egal!
    (also Real-Rendite-Konzept noch unklar/unverstanden?)

    Bester Vorwand:
    „Ja aber, abgerechnet wird erst zum Schluss – bis dahin kann noch viel passieren – hol‘ ich alles auf – wird Dein PlanB auch noch zurueckfallen “

    alle wollen nur „in ruhe leben“, aeh anlegen …

    Welche Gruende gibt’s noch?

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Es kränkt das Ego, würde ich sagen, Jörg. Aber das Thema ist nicht wirklich kontrovers. Deshalb die Ruhe hier.

      Antworten

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