Amazon kauft Whole Foods Market

von STEPHAN HEIBEL
Nun ist es offiziell: Amazon will mit aller Macht auch zum führenden Supermarkt weltweit werden. Dabei setzt Amazon nicht auf Massenware des Alltags, sondern auf hochpreisige Bio-Produkte, die von amerikansichen Yuppies in Ballungsgebieten ohne Rücksicht auf den Preis nachgefragt werden.

Amazon hat bereits die Infrastruktur, um Kunden in Ballungszentren binnen weniger Stunden zu beliefern. Nun werden Supermarktprodukte zu erschwinglichen Preisen – vermutlich günstiger als in den meisten Supermärkten selbst – noch am gleichen Tag nach Hause geliefert. Durch die Übernahme von Whole Foods sichert sich Amazon ein etabliertes Beschaffungsnetzwerk, um organische Nahrungsmittel in großer Menge frisch zum Kunden zu bringen.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Amazon das Supermarktgeschäft angreifen würde. Auszugsweise gibt es schon seit einigen Jahren Produkte bei Amazon, die man eigentlich im Supermarkt vermutet. Whole Food hat stets einen großen Bereich für frische Mittagsmahlzeiten reserviert. Es ist nun absehbar, dass diese Mahlzeiten ebenfalls nach Hause geliefert werden können. Damit ist Amazon perspektivisch auch im Restaurant- und Lieferservicegeschäft.

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All das sind Geschäftsbereiche, bei denen es nicht den Margendruck gibt, dem die Massenprodukte der Supermärkte wie Brot, Milch, Eier und Butter ausgesetzt sind. Durch den „Bio-Touch“ sichert sich Amazon gleich das Hochpreissegment, wird zahlungskräftige Kunden ansprechen.

 

Die Folgen

 

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Bereiche erkenne ich, die nunmehr umgewälzt werden. Das Ausgehen, Shoppen und ähnliches wird künftig lediglich zum Zweck des Anschauens neuer Produkte genutzt. Der Einzelhandel wird zum Ausstellungsraum, Umsatz wird zunehmend Online gemacht.

Amazon zahlt einen Aufschlag von 30% für Whole Foods, das Unternehmen wird nun mit 13 Mrd. USD bewertet. Amazon hat 21 Mrd. USD Cash in der Bilanz, kann die Übernahme also locker stemmen. Es handelt sich jedoch um die größte Übernahme, die Amazon jemals getätigt hat. Es handelt sich gleichzeitig ebenfalls um die größte, jemals getätigte Übernahme im Supermarkt-Geschäft.

Bislang ist Whole Foods Market nur in den USA vertreten. Lidl und Aldi sind in den USA unterwegs. Der Markt ist lukrativ, die Amis sind nicht so preissensibel wie wir Deutsche. Aldi und Lidl verdienen gut mit ihren knapp kalkulierten Margen. Durch Marken wie „Trader Joes“ hat auch Aldi inzwischen hochpreisige Produkte im Sortiment. Amazon wird nun vom oberen Preissegment Druck erzeugen.

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AMAZONS Konkurrenten mussten kräftige Verluste hinnehmen, nachdem der Kauf von WHOLE FOODS durch AMAZON bekannt wurde.

 

Kaufen oder Verkaufen?

 

Wer derzeit noch Aktien von irgendeinem anderen Supermarkt aus den USA besitzt, der sollte sich überlegen, sich von ihnen zu verabschieden. Kroger (-15%), Walmart (-6%) und Target (-10%) sowie die Kmart-Mutter Sears Holding (-5%) haben sämtlich in der vergangenen Woche kräftig Federn gelassen. Soviel ist bekannt: Wo Amazon den Markt betritt, bleibt kein Stein auf dem anderen. Wettbewerber fusionieren, gehen unter, nur wenigen gelingt es, sich eine Nische zu sichern.

Doch es ist nicht nur die Logistik, die Amazon den Wettbewerbern voraus hat. Es ist auch die IT. Amazon ist Vorreiter der Cloud, wertet sämtliche Kundendaten nach Marketing-Gesichtspunkten aus und bietet so seinen Kunden gezielt neue Produkte an. Das geht inzwischen bei Amazon unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz sogar so weit, dass dezentrale Auslieferungszentren bereits Produkte vorhalten, die Sie vermutlich in den kommenden Tagen bestellen werden. Anders ist die Lieferzeit von wenigen Stunden am gleichen Tag der Bestellung bei dem riesigen Produktangebot von Amazon nicht zu realisieren.

 

Amazon in Deutschland

 

Von den USA nach Deutschland ist es noch ein weiter Weg für Amazon. Und ich gehe davon aus, dass auch in Deutschland zunächst einmal hochpreisige Produkte angeboten werden. Erst in einem zweiten Schritt werden dann die Massenprodukte mit kleiner Gewinnmarge „auch“ angeboten. Ich gehe daher davon aus, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis wir unsere Einkaufsgewohnheiten grundlegend umstellen werden.

Doch für die Supermarktketten in Deutschland sollte die Übernahme von Whole Foods Market durch Amazon ein Weckruf sein, sich heute schon eine Online-Strategie einfallen zu lassen. Warum nicht auch hier zunächst einmal mit hochpreisigen Bio-Produkten beginnen, und diese frei Haus liefern?

Der bisherige Ansatz in Deutschland, von Anfang an fast die vollständige Produktpalette liefern zu wollen, findet aufgrund der hohen Liefergebühren nicht wirklich Anklang.

 

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Aktionäre konnten mit der Amazon-Aktie in den letzten fünf Jahren 350 Proznet Gewinn machen. Zuletzt durchbrach der Kurs die magische 1000-Dollar-Marke.

 

Die Amazon-Aktie

 

Amazon ist 480 Mrd. USD wert, im abgelaufenen Jahr wurden 142 Mrd. USD umgesetzt. Die Gewinnmarge bei Amazon ist mit 2,9% (operative Marge) sehr gering. Allerdings steht Amazon schon seit vielen Jahren in der Kritik, die tatsächlichen Kosten der unterschiedlichen Geschäftsbereiche nicht transparent zu machen. Soll heißen: Einige Bereiche sind sicherlich hochprofitabel (Amazon Cloud Services), während andere Bereiche Verluste schreiben (Fire-TV, bisherige Supermarktprodukte).

So wird Amazon nicht vor dem Hintergrund der geringen operativen Marge bewertet. Das KGV 2018e ist vor diesem Hintergrund mit 87 exorbitant hoch aber wenig aussagekräftig.

Amazon verfügt über Wachstumsraten im Umsatz von 20%. Eine solche Wachstumsgeschwindigkeit ist bei kleinen Start-Ups durchaus üblich, nicht aber beim Weltmarktführer mit einem Umsatz von 142 Mrd. USD. Und der Gewinn wächst sogar überproportional, wenn auch stark schwankend, mit durchschnittlich 27% p.a. – zumindest erwarten das die Analysten für die kommenden fünf Jahre.

Nach meinen Kriterien dürfte das KGV von Amazon dem zweifachen Gewinnwachstum entsprechend, also 2×27= 54. Mit einem KGVe von 87 ist Amazon also tatsächlich sehr hoch bewertet. Doch die 2,9% operative Marge sind dem Expansionsdrang des Gründers und CEOS Jeff Bezos geschuldet. Aktionäre warten auf den Tag, an dem er zufrieden ist und statt mit Kampfpreisen weitere Marktanteile gewinnt einfach nur die Früchte seiner Arbeit erntet. Dann wären deutlich höhere Gewinnmargen möglich, dann würden Investitionen nicht mehr den Gewinn aufzehren.

Dann wäre ein Gewinnsprung zu erwarten und das KGV sähe plötzlich günstig aus.

Mit solchen Phantasien brauchen wir uns nicht aufzuhalten, denn Jeff Bezos ist noch jung und denkt nicht im Traum daran, sein Expansionsstreben einzudämmen. Dennoch hilft diese Vorstellung, sich das Kursniveau von Amazon schön zu rechnen. Das machen Aktionäre seit nunmehr fast 20 Jahren.

Denn seit Amazon Ende der 90er an die Börse ging, ist das Bewertungsnvieau kontinuierlich so exorbitant hoch gewesen. Jeff Bezos genießt für seinen Expansionsdrang also einen Bewertungsaufschlag. Wer in Amazon investieren möchte, der sollte nicht auf eine günstige Bewertung warten, sondern lieber einfach einsteigen und die Position mit einem engen Stopp Loss absichern. Wer auf einen günstigeren Kurs wartet, der läuft Gefahr, nie zum Zuge zu kommen.

 

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Stephan Heibel (48) hat eine Banklehre absolviert, Volkswirtschaft studiert und unter anderem einige Jahre in New York gelebt und gearbeitet. Er gibt seit 2005 den Börsenbrief Heibel-Ticker heraus. Den Heibel-Ticker gibt es in einer Gratis-Variante und als kostenpflichtiges Angebot. Stephan Heibel lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Hamburg.

 

Mehr zur AMAZON-Aktie

 

Die ausführliche Begründung, warum AMAZON eine der Aktien im Depot von grossmutters-sparstrumpf ist findest du hier.

Interessanterweise haben auch reine Value-Anleger die Aktie von AMAZON in den vergangenen Jahren als Investment entdeckt. Ein spannender Text vom Value-Anleger Michael C. Kissig (intelligent-investieren.net) findest du hier. Er hat die Aktie auf seiner Empfehlungsliste.

 

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2 Kommentare

  1. Jimbo Jones

    Na, hatte W. Buffet mal wieder einen top Riecher, als er sich vor ein paar Monaten von seinen Wal-Mart Anteilen trennte?
    Warum nur…

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ja, das hat er. Und sowohl Buffett als auch Charly Munger haben AMAZON in den allerhöchste Tönen gelobt bei dem letzen Shareholder-Meeting in Omaha. Warum aber kauft er dann nicht AMAZON?

      Antworten

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