Gastbeitrag von Ronny Ams (Investieren-mit-kopf.de)
Vielleicht hast du schon einmal von Social Trading gehört? Im deutschsprachigen Raum ist die Plattform Wikifolio der größte und bekannteste Vertreter. Mit Slogans wie „Gemeinsam besser investieren“ oder „Hier können Sie Ihrem Geld bei der Arbeit zusehen“ wird mächtig die Werbetrommel für das moderne und trendige Social Trading gerührt. Doch kannst du als Privatanleger tatsächlich von Investitionen über Wikifolio profitieren oder gibt es unter Umständen zu hohe versteckte Gebühren? Im folgenden Artikel möchte ich dir die Plattform Wikifolio etwas näher bringen und hinter den glamourösen Trend schauen.
Ein soziales Netzwerk für Privatanleger
Wikifolio ist eine Art soziales Netzwerk für Privatanleger. Dabei geht es weniger um das Verknüpfen von sozialen Netzwerken wie das etwa bei Facebook der Fall ist, sondern um einen transparenten Versuch, Anlagestrategien zu veröffentlichen und von den besten Tradern profitieren zu können. Der Begriff „Wiki“ steht für eine Website, die es ihren Nutzern erlaubt, Inhalte zu veröffentlichen und zu ändern. Ähnlich wie bei „Wikipedia“ geht es in erster Linie darum, das gemeinsame Wissen und die gemeinsamen Fähigkeiten und Erfahrungen der User zu bündeln, damit Kunden davon einen Nutzen haben.
Was auf der Wikifolio-Plattform geschieht
Ein registrierter Nutzer eröffnet ein Musterdepot, welches öffentlich einsehbar ist. Ab einem gewissen Zeitpunkt kann dieses Portfolio über die Bank Lang & Schwarz zu einem investierbaren Zertifikat emittiert werden, welches dann zum Beispiel von Ihnen gekauft werden kann. Bis es jedoch soweit ist, müssen andere Nutzer ihr Interesse bekunden. Bevor ein Zertifikat zum Verkauf angeboten werden wird, müssen mindestens 10 andere User unverbindlich bereit sein, eine Summe von mindestens 2 500 Euro zu investieren. Außerdem muss das erstellte Wikifolio-Depot bereits drei Wochen alt sein.
Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, kann der Besitzer die Emission beantragen. Wird diesem Antrag stattgegeben, können Sie dieses Zertifikat über einen Broker kaufen. Mittlerweile bieten auch recht viele große und bekannte Banken Wikifolio-Zertifikate zum Verkauf an. Es ist gut möglich, dass du auch bei deiner Bank Wikifolio-Zertifikate kaufen kannst.
Beinahe das ganze Börsenspektrum
Hat ein Trader ein Musterdepot eröffnet, kann er fast die gesamte Vielfalt der Börsenlandschaft nutzen. Es ist möglich Aktien, ETFs, Rohstoffe, Zertifikate, Fonds oder Hebelprodukte zu handeln. Es gibt jedoch in seltenen Fällen einige kleinere Unternehmen, deren Aktien auf der Wikifolio-Plattform nicht gehandelt werden können.
Der Besitzer eines Wikifolios ist dazu verpflichtet, sein Anlageuniversum zu veröffentlichen und ist im Anschluss daran gebunden. Angenommen ein Wikifolio würde den Namen „Nebenwerte Deutschland SmallCaps“ tragen. Dies impliziert, dass nur Aktien aus Deutschland mit geringer Marktkapitalisierung gehandelt werden können. Der Trader könnte nicht, weil es ihm so passt, plötzlich in Gold investieren oder einen ETF kaufen. Darüber hinaus müssen Besitzer eines Wikifolio-Depots ihre Handelsidee ausführlich erläutern. Diese Beschreibung der Handelsidee wird von der Wikifolio-Redaktion vor der Emission geprüft. Achte daher stets auf das gewählte Anlageuniversum und die Handelsidee des Wikifolio-Zertifikats.
Die Kostenstruktur des innovativen Tradings
Social Trading ist eine innovative und transparente Investitionsmöglichkeit. Letztendlich ist es jedoch egal, ob eine Geldanlage konservativ oder innovativ strukturiert ist, denn am Ende entscheidet die zu erwartende Rendite über einen Kauf. Eines der wichtigsten Kriterien bei der Entscheidungsfindung sind die Gebühren. Um die tatsächlichen Gebühren eines Wikifolio-Zertifikats einschätzen zu können, solltest du einige Kennzahlen beachten. Die Kosten eines Kaufs sind abhängig von folgenden Faktoren:
- Performancegebühr
- Zertifikatsgebühr
- Aktueller Indexstand
- Kauf-/Verkaufskurs (Ask and Bid)
- Steuern
Wikifolio kann günstig sein, muss es aber nicht
Die wichtigste Kennzahl beim Kauf eines Wikifolio-Zertifikats ist die Performancegebühr. Sie beträgt zwischen 5% und 30% und ist nur fällig, wenn der Indexstand des Zertifikats einen neuen Höchststand erreicht. Das ist eine wichtige Information, denn viele Anleger sind fälschlicherweise der Meinung, dass die Performancegebühr bei jeglichen Gewinnen beglichen werden muss.
Jedes neu eingerichtete Wikifolio-Depot startet mit einem Index von 100. Das heißt der Kauf eines Stücks würde sie ungefähr 100 Euro kosten (je nach Kauf- und Verkaufskurs). Angenommen ein im Januar emittiertes Zertifikat erreicht im Mai einen Index-Höchststand von 140 Euro. Du kaufst nach einem Sommerloch im September zu einem Preis von 120 Euro das Stück ein. Die Performancegebühr wird nun erst fällig wenn der alte Indexhöchststand von 140 übertroffen wird.
Achtung Performancegebühr
Die Performancegebühr wird bei der Erstellung eines Wikifolio-Musterdepots vom Trader festgelegt. Sie kann im Anschluss nicht einmal vom Besitzer verändert werden und wird bei Fälligkeit in den aktuellen Indexstand eingepreist. Die höchstmögliche Gebühr von 30% sagt aus, dass Sie bei einer getätigten Investition nur 70% des Gewinns für sich einstreichen dürfen. Die restlichen 30% werden je nach investierter Summe aller User zwischen dem Trader und der Wikifolio-Plattform aufgeteilt.
Es ist regelrecht unsinnig, Zertifikate mit hoher Performancegebühr zu erstehen, selbst wenn sie eine gute generelle Performance erzielt haben. Als Privatinvestor mit langfristigem Anlagehorizont frisst dir diese Gebühr einen großen Teil des Zinseszinseffekts auf. Achte also unbedingt auf die Performancegebühr. Sie sollte vorzugsweise das Minimum von 5% wählen.
Der Preis der Teilhabe
Neben der Korrelation zwischen der Performancegebühr und dem aktuellen Indexstand sollten Sie wissen, dass jedes Wikifolio-Musterdepot eine generelle Zertifikatsgebühr von 0,95% p.a. aufweist. Sie wird auf täglicher Basis in den Indexstand eingepreist. Ein weiterer Kostenpunkt ist der jeweilige Kauf- bzw. Verkaufskurs. Üblicherweise liegt, wie beim Kauf von allen Wertpapieren, der Verkaufspreis etwas unter dem Kaufpreis. Du solltest jedoch Wikifoliozertifikate nur während der Handelszeiten kaufen und ein Limit setzen.
Wikifolio – Ein Geschenk für Heavy Trader
Einer der häufigsten Anlegerfehler von Privatinvestoren sind zu viele Trades. Das kostet einen großen Teil der Rendite, denn die Gebühren und die Steuern müssen durch aktives Handeln übertroffen werden, um passive Investments oder eine Benchmark schlagen zu können.
Einer der großen Vorteile der Wikifolio-Plattform ist das Traden innerhalb eines Zertifikats. Die Trades in jedem Wikifolio-Musterdepot sind (fast) kostenlos. Lediglich die Kauf- und Verkaufskurse müssen beachtet werden. Du kannst daher ein Zertifikat kaufen und es im Sinne eines Buy & Hold-Investments halten. Obwohl innerhalb des Zertifikats beliebig viele Trades stattfinden können, musst du weder Ordergebühren noch Steuern zahlen. Als langfristige Anlage ermöglicht Social Trading somit eine Buy&Hold-Strategie für Heavy Trader. Das ist eigentlich ein Widerspruch in sich und einer der Vorteile der Wikifolio-Plattform.
Mein Geld kommt nicht in fremde Hände
Ein rational denkender Privatanleger würde korrekterweise die Frage stellen, ob es vertretbar ist, sein Geld in fremde Hände zu geben. Diese Frage muss sich im Endeffekt jeder selbst beantworten, aber vielleicht kann ich dir bei der Entscheidungsfindung behilflich sein.
Was dafür spricht: Ein Finanzberater – unabhängig davon, für welche Institution er arbeitet – steht mit Ihnen in einem Interessenkonflikt. Er ist gezwungen, dir Produkte zu verkaufen, welche die höchst mögliche Provision liefern. Eigentlich müsste seine Berufsbezeichnung Finanzprodukteverkäufer lauten.
Zwischen dir und einem Wikifoliotrader besteht kein Interessenkonflikt, sondern eine Interessenkongruenz. Die Gewinne des Traders sind unmittelbar an seine Performance gekoppelt, womit du die gleichen Interessen teilen. Darüber hinaus werden automatisch Statistiken und alle Trades veröffentlicht. Diese Informationen würdest du von einem Fondsmanager niemals bekommen. Trader haben auch die Möglichkeit, ihre Käufe und Verkäufe über die Kommentarfunktion zu erläutern.
Was dagegen spricht: Hat ein Besitzer eines zertifizierten Musterdepots keine Lust mehr zu arbeiten, dann kann er die Schließung des Zertifikats beantragen. Ab diesem Zeitpunkt kannst du das Zertifikat nicht mehr kaufen, sondern nur noch verkaufen. Eventuelle Verluste können so mit diesem Zertifikat nicht mehr ausgeglichen werden.
Kein Platz für Angeber
Die große Stärke des Wikifolio ist die Transparenz. In Börsenzeitschriften, Onlinemagazinen und auf vielen Finanzblogs wird gemogelt und getrickst. Statistiken werden vorteilhaft ausgelegt, Zeiträume bestmöglich gewählt, Verluste einfach verheimlicht und Gewinne stets hervorgehoben.
Auf der Wikifolio-Plattform ist dafür kein Platz. Die Anlagestrategie und alle darin enthaltenen Handlungen sind für dich als Investor jederzeit einsehbar. Das ist ein riesiger Vorteil, denn du kannst ohne die oben erwähnten Mogeleien die tatsächlich besten Trader herausfiltern und somit realistisch auf eine gute Performance hoffen.
Es ist eine Binsenweisheit zu sagen, Rendite aus der Vergangenheit bedeutet nicht zwangsläufig Rendite in der Zukunft. Doch Wikifolio bietet die Transparenz, eine fundierte Entscheidung über kompetente Trader treffen zu können. Auf der Wikifolio-Plattform schaut man den Tradern über die Schulter. Dadurch hat man in gewisser Weise Einblick hinter die Kulissen von erfolgreichen, aber auch erfolglosen Anlegern. Dies hat einen ungemein hohen Lerneffekt.
Achtung Herr Lehmann
Wikifolio-Zertifikate unterliegen dem so genannten Emittentenrisiko. Anders als zum Beispiel ETFs, die unter dem Schutz des Sondervermögens stehen, sind Zertifikate nicht vom Emittenten abgekoppelt. Du erhältst beim Kauf von Wikifolio-Zertifikaten auch keine Anteile an den Unternehmen, die im Musterdepot stehen. Sollte der Emittent Lang&Schwarz insolvent sein, wären deine Investitionen faktisch null Euro wert.
Das Emittentenrisiko ist das größte Risiko der Wikifolio-Plattform. Selbiges ist im Jahr 2008 bei der Insolvenz der Bank Lehmann-Brothers geschehen. Alle Privatanleger, die damals Zertifikate besaßen, verloren ihre gesamte investierte Summe. Der Emittent stellt im Übrigen auch die Kurse auf der Wikifolio-Plattform.
Handelt ein Trader nun Wertpapiere, die er kauft oder verkauft, unterliegen diese keiner Handelsaufsicht. Die Kursstellung wird daher weniger geprüft als dies normalerweise der Fall ist.
Fazit
Wikifoliozertifikate sind meiner Meinung nach eher für Privatanleger mit hoher Risikotoleranz geeignet. Beachtest du die Gebührenstruktur und findest du langfristig erfolgreiche Wikifolio-Trader, kannst du mit einer überdurchschnittlichen Rendite entlohnt werden, denn Rendite kommt von Risiko.
Jedoch wäre ein Risiko eben kein Risiko, wenn es sich nicht ab und an realisieren würde. Achte insbesondere auf eine gut diversifizierte Asset Allocation. Du kannst Wikifoliozertifikate als renditestarke Beimischung im Depot erachten. Ich würde je nach Risikotoleranz eine Gewichtung von 5-20% empfehlen.
Sollte dein Interesse bezüglich der Wikifolio-Plattform geweckt sein, kannst du hier einen Überblick über fünf der meiner Meinung nach besten Wikifolios erhalten: http://www.investieren-mit-kopf.de/category/wikifolio/die-besten-wikifolios/
Ich bin selbst in Wikifolio-Zertifikate investiert und berichte ab und an über den Erfolg bzw. Misserfolg. Wenn dir das Emittentenrisiko zu heikel ist bzw. du dein Geld lieber selbst verwalten willst als es einem Wikifolio-Trader zur Verfügung zu stellen, dann sollten du einen Bogen um Social Trading machen.
Ronny Ams führt den Blog investieren-mit-kopf.de
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