Was ist das Equity Risk Premium und warum kann der Dow Jones am Montag auf 100.000 Punkte steigen?

Es war einmal mehr eine gute Woche an den Märkten. Der S&P 500 stieg mutig über die Marke von 2.900 Punkte, bevor ihm denn die Puste ausging und er wieder etwas zurückfiel. Ob APPLE, AMAZON, MASTERCARD oder FACEBOOK – viele Aktien machten ihren Besitzerinnen und Besitzern in dieser Woche einmal mehr Freude. Die Unternehmen schlagen sich gut – trotz Corona-Krise.

Wer die Aktie von APPLE im Depot hat, der kann sich seit Donnerstag über eine höhere Dividende freuen. Plus sieben Prozent. Zudem wird das Unternehmen für weitere 50 Mrd. Dollar eigene Aktien zurückkaufen.

Dividende + Rückkäufe ergeben zusammen die Shareholder Yield. Sie beläuft sich bei APPLE derzeit auf rund 7 Prozent (6,5-7,8 Prozent je nach Quelle).

 

 

Und Staatsanleihen? Amerikanische Staatsanleihen (10 Year Treasury) sind auf ein historisches Tief gefallen. Ihre Rendite liegt derzeit bei 0,62%. Eine Anlage in APPLE bringt derzeit also ungefähr das Zehnfache an Gewinn.

Den Abstand zwischen Staatsanleihen und Aktien nennt man das Equity Risk Premium. Und natürlich berechnet man dieses Premium  nicht mal so eben anhand der APPLE-Aktie und der Shareholder Yield.

Ich habe mir für diesen Teil meines Textes über das Equity Risk Premium die Hilfe eines richtigen Finanzexperten gesichert – Dr. Gerd Kommer.

 


 

„Return ist eine Kompensation für das Tragen von Risiko“

 

Interview mit Dr. Gerd Kommer

 

Herr Dr. Kommer, was ist das Equity Risk Premium?

Das Equity Risk Premium ist die Differenz zwischen der Aktienrendite auf der einen Seite und der so genannten „risikofreien“ Rendite, die Anleger erzielen können, auf der anderen Seite. Die risikofreie Rendite ist in der Wissenschaft definiert als die Rendite von kurzfristigen Staatsanleihen die AAA oder AA+ bewertet sind und kein Wechselkursrisiko haben. Das Volatilitätsrisiko und das Ausfallsrisiko sind bei diesen Anleihen also extrem gering. Für einen Amerikaner sind das natürlich kurzfristige amerikanische Staatsanleihen, für einen Schweizer Schweizer Staatsanleihen, für einen Italiener wären es Staatsanleihen von Deutschland, den Niederlanden oder einem anderen Eurozonenstaat mit AAA-Rating.

Niemand würde in Aktien investieren, wenn sie nicht mehr bringen würden als die risikofreie Rendite, den risk free return. Dafür müssen Anlegerinnen und Anleger dann die Volatilität von Aktien akzeptieren. Return ist primär eine Kompensation für das „Nehmen“ oder Tragen von Risiko.

 

Woher kennen wir die Höhe des Equity Risk Premium?

Die Standardmethode ist, es aus langfristigen historischen Renditen abzuleiten. Wir nehmen zum Beispiel die Aktienrendite aus den letzten 120 Jahren für den Weltaktienmarkt. Und als zweites nehmen wir den risk free return der USA oder eines gewichteten Durchschnitts aller Länder.

Die Finanzwissenschaftler Dimson, Marsh und Staunton (die Autoren der berühmten Studie „The Triumph oft the Optimists“) haben die globale Aktienmarktrendite für den Zeitraum von 1900 bis 2019 in Höhe von 5,2 Prozent p. a. berechnet, real, also inflationsbereinigt. Wenn Sie die amerikanische Geldmarktrendite für kurzfristige Staatsanleihen davon abziehen (0,8 Prozent real) dann ergibt sich ein historisches Equity Risk Premium in Dollar von 4,4 Prozent. Andere Rechnungen für andere Zeiträume kommen zu leicht veränderten Zahlen. Oft liest man auch die Zahl von etwa 3,5 Prozent.

 


 

Warum wir mit Aktien unser Geld vermehren können

 

Aktien können steigen und fallen (und im schlimmsten Fall auch ganz wertlos werden). Für diese Volatilität am Markt bekommen wir – ein Premium. Das Equity Risk Premium. Deshalb können wir mit Aktien unser Geld so gut vermehren. So einfach ist es schon.

Zurück zu APPLE und den rund 7 Prozent Shareholder Yield, die die Aktie im Moment hat. Das ist natürlich absurd hoch. Der Abstand zum Return von Staatsanleihen beträgt immerhin 6,3 Prozentpunkte. Um auf 4,5 Prozent zu fallen müsste die Aktie von APPLE von derzeit rund 280 Dollar auf etwa 400 Dollar steigen. Und wer an der Stelle lieber mit dem Wert von 3,5 Prozent für das Equity Risk Premium rechnet, der kommt schon auf 500 Dollar je Aktie.

Bei alledem habe ich meine Rechnung jetzt noch nicht einmal mit den Zinsen gemacht, die derzeit für kurzlaufende Staatsanleihen gelten, sondern mit den deutlich höheren Zinsen, die 10-jährige Anleihen derzeit am Markt erzielen. Nehmen wir den niedrigeren Wert von kurzlaufenden Staatsanleihen (0,09%), dann müsste die Aktie von APPLE noch höher stehen. Sie müsste sich verdoppeln.

Das alles gilt natürlich nicht nur für die Aktie von APPLE, sondern für den ganzen Markt. Um dessen Höhe zu bewerten, greifen amerikanische Börsenpraktiker gerne zu einer Formel, die der von Gerd Kommer und der wissenschaftlichen Diskussion über das Equity Risk Premium ähnelt. Sie schauen allerdings lieber auf die Rendite, die langlaufende Staatsanleihen bringen, zum Beispiel 3,2 Prozent. Dann addieren sie ein Premium von 3 Prozent. In unserem Beispiel sind das dann:

3,2% + 3% = 6,2 Prozent.

 

Vor 18 Monaten standen Staatsanleihen (10-Year Treasury) in den USA noch bei 3,2 Prozent. Sie würden Anlegerinnen und Anlegern also einen Gewinn von 3,2 Prozent für die Zukunft bringen. Dann sollten Aktien 6,2 Prozent an Gewinn versprechen, um als angemessen bewertet zu gelten.

Machen wir eine kleine Rechnung, um hieraus das KGV (amerikanisch: PE) zu berechnen:

100 : 6,2 = 16,13 (PE – forward)

 

Auf den ersten Blick wird klar, dass die gesamte Formel ins Rutschen kommt, wenn die Gewinne (wie derzeit) deutlich fallen. Dann sollten Aktienbesitzer vorsichtig werden. Und die Kurse sollten fallen. Sollten. Nicht müssen.

Denn ins Rutschen kommt die Rechnung auch zur anderen Seite hin – wenn die Zinsen fallen (wie derzeit). Fallen sie von 3,2 Prozent auf 0,62 Prozent (+3% Aufschlag für das Risiko das mit Aktien einhergeht), dann sieht die Rechnung so aus:

100 : 3,62 = 27,6 (PE – forward)

 

Angesichts des derzeitigen Zinsniveaus könnten amerikanische Aktien also zu einem PE von 27 notieren – und wären immer noch fair bewertet.

Kann der Index noch höher steigen?

 

Ja, das kann er. Wenn die Zinsen von heute auf morgen ganz verschwinden und wenn die Regierung garantiert, dass sie für 50 Jahre so niedrig bleiben, dann würde der Aktienmarkt sich über Nacht mindestens verfünffachen, hat Warren Buffett einmal gesagt.

 


Mit seiner Bemerkung zu einem Dow Jones der über Nacht auf 100.000 springt, wollte Buffett darauf hinweisen, dass Aktienkurse und Zinsen in einer engen Verbindung zueinander stehen. Fallen die Zinsen auf Null Prozent und verharren dort für sehr lange Zeit, dann würde sich am Aktienmarkt etwas Ungewöhnliches abspielen: Die KGVs der Unternehmen wie das des Index insgesamt würde sich sehr stark erhöhen. In Buffetts Beispiel wäre das eine Verfünffachung der Kurse. Das bedeutet auch eine Verfünffachung des KGVs. Das steht üblicherweise bei rund 15 (forward). Fallen die Zinsen für 50 Jahre auf Null, dann stände es in Buffetts Augen möglicherweise bei 90. Und wäre trotzdem angemessen.

Mein Fazit

 

Weder sind Zinsen in ihrer Höhe festgelegt, noch müssen sich KGVs zwingend bei 15 oder 17 für den gesamten Index bewegen (obwohl sie das in der Regel tun). Schließlich muss aber auch das Equity Risk Premium nicht unbedingt da bleiben wo es in den letzten 120 Jahren stand – bei 3-5 Prozent. Es könnte auch viel niedriger ausfallen.

In der kommenden Woche geht es hier auf grossmutters-sparstrumpf im zweiten Teil meines Beitrags zum Equity Risk Premium um die Frage, ob dieses Premium möglicherweise deutlich fallen kann, wie sich die historische Zinsentwicklung auf die Bewertung von Aktien auswirkt, und warum fallende Zinsen ein gutes Zeichen für Aktien sind. Auch Dr. Gerd Kommer ist dann wieder mit dabei.

Stay tuned!

 

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8 Kommentare

  1. Jan

    Da durch den Aktienrückkauf sich der Anteil der übrigen Aktionäre erhöht, ist es aus meiner Sicht völig gerechtfertigt, dies dem Shareholder Yield zuzurechnen.

    Beispiel: Unternehmen hat insgesamt 100 Aktien ausgegeben. Wenn es 50 Aktien zurückkauft, gehört einem Aktionär mit einer Aktie danach 1/50 des Unternehmens, während es vorher 1/100 war. Wie dieser Anteil an der Börse bewertet wird, ist davon losgelöst.

    Zu recht kritisch gesehen wird aus meiner Sicht, wenn der Aktienrückkauf über Schulden finanziert wird. Das ist aber analog zur Dividende bzgl. einer zu hohen Ausschüttungsquote.

    Natürlich scheint der Investor bei der Dividende freier in seiner Entscheidung zu sein, worein er diese Dividende investiert. Andererseits kann er natürlich seinen Anteil am Unternehmen genauso gut durch Aktienverkäufe reduzieren. Vorteil bei den Aktienrückkäufen für den Aktionär ist zudem, dass im Gegensatz erst einmal keine Steuern anfallen, sondern diese auf den Zeitpunkt des Aktienverkaufs verschoben werden.

    Und @Chrisitan, danke für den Artikel.

    Antworten
  2. bernhard waibel

    Aktienrückkäufe einfach dem Shareholder Yield zuzurechen ist zwar üblich, meines Erachtens aber falsch. Es wird einfach unterstellt, dass ein Rückkauf zur Erhöhung des Kurses im gleichen Wertverhältnis führt. Ist das tatsächlich so?? Das hat noch keiner nachgewiesen. Vielmehr bestimmt Mr. Market den Wert der Aktie und nicht Aktienrückkäufe oder nur zu einem unbestimmten Grad. Für mich sind Rückkäufe keine Unterstützung der Shareholder sondern eher von kurzfristigen Spekulanten. Für Langfrist- Investoren in den jeweiligen Wert sind Rückkäufe eher Diebstahl ein Dividendenanstieg dagegen ist real.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Aktienrückkäufe sind nach gängiger Meinung eine Rückgabe des Geldes an einen Aktienbesitzer. Das sieht die Wissenschaft so. Das sieht Warren Buffett so. Eigentlich alle. Bis auf die Deutschen. Die misstrauen Aktienrückkäufen. Warum auch immer. Ich habe das noch nie verstanden.

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      1. Marko

        Man kann das Thema durchaus auch kritisch sehen. Aktienrückkäufe sind nur dann sinnvoll, wenn die Aktie tatsächlich unterbewertet ist. Wann das genau der Fall ist, darüber lässt sich natürlich streiten, aber im Zweifel findet das Management immer einen guten Maßstab, nach dem die Aktien des eigenen Unternehmens unterbewertet erscheinen. Verstärkt wird dieses Problem durch falsche Anreizstrukturen, wenn die Bonuszahlungen der Manager über Aktienoptionen an den Kurs gekoppelt sind. Wie schnell der Effekt von Rückkäufen verpuffen kann, haben wir zuletzt zum Beispiel bei einigen US-Airlines gesehen. Wären dagegen Dividenden ausgeschüttet worden, hätten die Aktionäre selbst entscheiden können, was sie mit dem Geld machen. Bis 1982 waren Buybacks in den USA übrigens verboten, da sie als Möglichkeit zur Marktmanipulation galten.

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        1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

          Zum Glück haben sich die USA da besonnen – vermutlich auch aufgrund der einhelligen Meinung in der Wissenschaft. Die sieht Aktienrückkäufe als rationalere Variante, den Anlegern ihr Geld zurückzugeben. Auch Warren Buffett sieht das bekanntlich so.
          Aus Sicht des Anlegers sind Rückkäufe in mehrerlei Hinsicht besser. Erstens führen sie für das Unternehmen zu den geringeren Kosten. Dividenden auszuschütten ist viel aufwendiger. Zweitens führen sie für den Anleger selber auch zu höheren Kosten. Er muss die Dividenden versteuern und er muss bei der Wiederanlage Gebühren bezahlen. Beides senkt seinen Return. Nicht sinnvoll.
          In Deutschland wird das Thema Rückkäufe leidenschaftlich gerne kritisch gesehen. Deutschland hinkt der Zeit in meinen Augen einmal mehr hinterher. Deutschland braucht bei den meisten relevanten Diskussionen die weltweit geführt werden zwischen 20 und 50 Jahre um aufzuschließen. Das ist in meinem Metier der Psychologie so. Das ist im Bereich der Geldanlage ebenfalls so. Schade. Aber vermutlich nicht zu ändern.
          Ich bin (und bleibe) im Herzen eben doch ein halber Amerikaner. Aber das hast du dir nach dem Beitrag sicherlich gedacht.

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  3. Willi Oellers

    Wunderbar beschrieben für einen Laien verständlich.

    Vielen Dank

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    1. Wolfgang Metz

      Ich schließe mich meinem Vorredner an. Allerdings tut’s den Augen weh, immer wieder „Equitiy“ statt „Equity“ zu lesen.

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      1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

        Schreibfehler. Ich schon korrigiert.

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