Warum Amazon seinen Cash-Flow in den nächsten Jahren verdoppeln kann

Kaum ein Unternehmen wurde von Anlegerinnen und Anlegern in den vergangenen Jahren so schwer begriffen wie AMAZON. Der Online-Riese ist ein Unternehmen das rasend schnell expandiert, mal mit 20 Prozent Wachstum beim Umsatz, mal mit 30 Prozent. Aber AMAZON weist kaum je Gewinne aus. Weil der Chef, Jeff Bezos, stets neue Ideen hat, was er mit dem rein kommenden Cash anfangen kann.

Oh weh – dieses KGV, hieß es dann oft von Seiten von vorsichtigen Anlegerinnen und Anlegern. Ein Unternehmen das kaum Gewinne macht, hat ein astronomisches KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis). 1:100 oder noch höher. Logisch. Es steckt alles Geld das reinkommt in die Expansion. Ich habe noch nie Schwierigkeiten gehabt, dieses Vorgehen von Jeff Bezos zu verstehen. Warum soll er anderen Unternehmen Raum zum Wachstum lassen, wenn er selber diesen Raum besetzen kann?

Anhänger von niedrigen KGVs kommen bei AMAZON nicht auf ihre Kosten. Sie meiden die Aktie. Sie haben damit eines der erfolgreichsten Unternehmen der vergangenen 20 Jahre nicht im Depot. Fast 500 Prozent stehen in Euro gerechnet für die Aktie von AMAZON zu Buche.

 

 

Understanding Amazon

 

Neulich sah ich auf einer deutschen Webseite die nahezu unglaubliche Behauptung, dass DAIMLER als Geldanlage genauso gut sei wie AMAZON. Oh weh! DAIMLER geht schweren Zeiten entgegen – während AMAZON noch immer mit einem unglaublichen Tempo wächst. Der Return bei AMAZON lag in den vergangenen zehn Jahren bei unglaublichen 33,4 Prozent (Quelle: Morningstar).

Pro Jahr!

Der amerikanische Aktienmarkt insgesamt hat es in dieser Zeit ‚nur’ auf 14,4 Prozent gebracht. Und DAIMLER? Kommt auf 5,3 Prozent Return (inkl. Dividenden).

AMAZON schlägt DAIMLER in den letzten zehn Jahren um Längen. Ich habe wenig Zweifel, dass das auch in den kommenden zehn Jahren so sein wird. Einen Return von 33 Prozent erwarte ich bei AMAZON für diesen Zeitraum allerdings nicht. Das dürfte sich so nicht noch einmal wiederholen.

 

Aber wie wollen die denn je Gewinne machen?

 

Wie kann AMAZON Gewinne machen? Diese Frage wurde schon vor Jahren so beantwortet: Wenn ein Unternehmen es schafft, eine der wertvollsten Internetadressen des Planeten zu schaffen, dann wird es eines Tages damit auch Geld verdienen. Ich kann jeden verstehen, der sich und sein Geld einer so vagen Versprechung nicht anvertrauen wollte.

Mich hat diese Erklärung allerdings schon immer überzeugt. Was auch daran liegt, dass ich selber leidenschaftlich gerne bei AMAZON einkaufe. Und der Rest der Familie auch. Deshalb bin ich seit nunmehr sechs Jahren in AMAZON investiert. Mein Depot freut sich über den sehr guten Return (von 600 Prozent) in dieser Zeit.

Wenn Menschen eine Internetadresse häufig nutzen, dann ergibt sich die Möglichkeit, durch Werbung Geld zu verdienen. Für AMAZON war das eine realistische Perspektive. So die Annahme von damals. Doch dann kam zunächst einmal alles ganz anders. Dank Amazon Web Service.

 

 

Auftritt: Amazon Web Service

 

AMAZON ist schon früh den Weg zu einer eigenen Infrastruktur gegangen. Selber versenden, selber ausliefern, eine eigene Frachtflugzeugflotte – und die eigenen Daten in eigenen Datacentern lagern. AMAZON hat bald damit angefangen, seinen Service auch anderen Unternehmen anzubieten. Verkäufer können über AMAZON ihre Ware verkaufen. Und wer keine Zeit und Energie darauf verwenden will, seine Daten selber zu lagern, der kann das von AMAZON erledigen lassen. Von Amazon Web Service (AWS).

NETFLIX macht das so. Und viele andere Unternehmen machen es ebenfalls. AWS wurde schnell zu einem sehr profitablen Geschäft für AMAZON. Damit schien die Frage beantwortet zu sein, wie das Unternehmen eines Tages profitabel werden könnte. Durch das Lagern von Daten in der Cloud.

Wie sich jetzt zeigt, ist das nur eine Antwort auf die Frage, wie AMAZON profitabel werden kann. Da ist ja auch noch der Bereich Retail. Auch der kann profitabel werden. Fünf Prozent Marge sind in dem Bereich ein guter Wert. Das wird eines Tages das zweite ökonomische Standbein des Unternehmens sein. Die hohe Bewertung der Aktie können diese Gewinne allerdings nicht rechtfertigen. Bleibt die Frage: Was ist eigentlich aus der Idee mit Advertising geworden?

 

Was macht das Advertising?

 

Immer mehr Internetnutzer beginnen ihre Suche nach einem Produkt nicht etwa bei Google – sondern bei AMAZON. Das geht schon seit Jahren so. Schließlich hat AMAZON die Gunst der Stunde genutzt und hat seine Seiten mehr und mehr für Anzeigen geöffnet. Advertising.

Da ist sie also wieder, die Annahme, die von Anbeginn an im Raum stand um zu erklären, wie AMAZON seine Profitabilität erreichen würde. Im Bereich Retail sind die Margen ausgesprochen dünn. Wer fünf Prozent verdient, der ist gut. Beim digital advertising dagegen sind hohe Gewinne zu erzielen. Wenn man denn eine Webseite hat, die ein hohes Kundenaufkommen generieren kann. Wenn man also eine der beliebtesten Webseiten des Planeten besitzt.

 

Wie stark wächst das Advertising?

 

Schwer zu sagen. AMAZON spielt ein wenig Versteck mit den Analysten. Advertising ist im Segment Others gelistet und jeder der sich ein Bild der Entwicklung in dem Bereich machen will, der muss zwangsläufig ein wenig spekulieren. So viel ist klar: Im BereichOthers wachsen die Einnahmen rapide. Derzeit mit einem Tempo von um die 40 Prozent.

Zum Glück gibt es gerade für die Frage, des digital advertising, eine Fülle von Unternehmen (zum Beispiel Uniper Research), die die Entwicklung in dem Bereich genau analysieren und die erfassen, welcher Anbieter welche Marktanteile hat. Und wie diese Marktanteile sich verändern.

 

 

Was können Facebook und Google verbuchen?

 

FACEBOOK und ALPHABET finanzieren sich nahezu ausschließlich über die Einnahmen aus Anzeigen. FACEBOOK konnte alleine im vierten Quartal 2019 den Betrag von 20,7 Mrd. Dollar aus Anzeigen einnehmen. ALPHABET kam in dem Zeitraum auf nahezu den doppelten Betrag. Hier bleiben 37,9 Mrd. Dollar hängen. AMAZON hat vermutlich zwischen vier und fünf Milliarden Dollar eingenommen.

 

Ein Blick in die Zukunft

 

Wer die Aktie von AMAZON kauft, der kauft die Zukunft des Unternehmens. Er kauft all die Ideen, die Chef Jeff Bezos und sein Team in den nächsten Jahren noch ausbrüten werden. Für mich ist das eine angenehmen Vorstellung – Jeff Bezos hat bewiesen, dass er eine gute Hand hat bei der Entwicklung seines Business.

Wer die Aktie von AMAZON kauft, der kauft zudem den zukünftigen Cash-Flow des Unternehmens. Wie hoch der sein wird? Schauen wir mal. Hier kommt zunächst ein Blick auf die aktuelle Entwicklung:

 

 

Rund 25 Mrd. Dollar Free Cash Flow stehen für die vergangenen 12 Monate zu Buche (trailing twelve month – TTM). Das ist beeindruckend. Noch beeindruckender ist aber das enorme Wachstum beim Free Cash Flow. Der hat sich in knapp zwei Jahren verdreifacht. Respekt.

 

Schauen wir in die Zukunft

 

Beim Investieren ist der Blick in den Rückspiegel immer klar. Wir kennen die Entwicklung des Unternehmens AMAZON für die letzten zehn Jahre ebenso wie die Entwicklung seiner Aktie in diesem Zeitraum. Was aber erwartet uns, wenn wir versuchen, durch die Windschutzscheibe zu schauen, nach vorne? Dieser Blick ist immer getrübt. Niemand von uns kennt die Zukunft.

Auch ich habe keine Glaskugel. Was bleibt sind möglichst realistische Annahmen. Und genau das will ich jetzt versuchen. Hier kommt meine Annahme, wie es finanziell bei AMAZON weitergeht. Es ist eine These. Eine Investmentthese.

In vier Jahren kann AMAZON nach meiner Rechnung folgende Beträge beim Free Cash Flow aufweisen:

Retail

 

Bei einem Umsatz von dann 580 Mrd. Dollar und einer Marge von 5 Prozent kann das Unternehmen hier 29 Mrd. Dollar verbuchen. Diese Rechnung geht davon aus, dass der Umsatz des Unternehmens weiterhin mit einem Tempo von 20 Prozent pro Jahr wächst. Das ist eine optimistische Annahme. Ich gehe davon aus, dass Jeff Bezos weiterhin versuchen wird, möglichst große Marktanteile für sein Unternehmen zu erzielen. Und dass es ihm gelingen wird. AMAZON wird dann den Retail-Giganten WALMART vom Umsatz her übertreffen. Eine Wachablösung.

 

 

AWS

 

Stagniert der Bereich Web-Service in den nächsten Jahren, dann sind 10 Mrd. Dollar Free Cash Fow für AWS ein möglicher Wert. Das ist jetzt zur Abwechslung eine eher unrealistische und pessimistische Annahme. Keinerlei Wachstum bei AWS ist nicht eben wahrscheinlich.

 

Advertising

 

AMAZONs Anteil am Gesamtmarkt des Advertising soll in den nächsten Jahren auf rund 8 Prozent steigen. Im vier Jahren kann das Unternehmen bei 40 Mrd. Dollar liegen. Sagt Uniper Research.

40 Mrd. Dollar – das ist eine starke Hausnummer, schon gar wenn man bedenkt, dass in dem Bereich die Gewinnmargen enorm hoch sind. 20 Mrd. Dollar Free Cash Flow sind dann für AMAZON drin.

 

Die Rechnung

 

29 Mrd. Dollar (Retail)

+ 10 Mrd. Dollar (AWS)

+ 20 Mrd. Dollar (Advertising)

59 Mrd. Dollar (Free Cash Flow)

 

Mein Fazit

 

50-60 Mrd. Dollar Free Cash Flow – ich nenne das gerne auch die APPLE-Liga. Einzig APPLE kann derzeit so viel Cash generieren. AMAZON kann möglicherweise schon in wenigen Jahren ähnlich profitabel sein und damit in die APPLE-Liga aufsteigen.

Ob Chef Jeff Bezos dann wie APPLE das Geld an die Anlegerinnen und  Anleger ausschütten wird – durch Dividenden und Aktienrückkäufe? Ganz schwer zu sagen. Ich halte das für eher unwahrscheinlich. Jeff Bezos wird weiterhin versuchen, die Geschäftsfelder des Unternehmens auszuweiten. Vermutlich wird er auch in vier Jahren noch allen Cash in die Expansion stecken wollen. Ich gehe allerdings davon aus, dass ihm das dann nicht mehr gelingen wird.

AMAZON wird dann Cash horten, so wie auch APPLE das über Jahre gemacht hat. Und so wie FACEBOOK und ALPHABET es derzeit immer noch tun. Möglichweise wird Jeff Bezos eines Tages damit anfangen, eigene Aktien im großen Stil zurückkaufen. Zwar hat das Unternehmen ein Programm zum Aktienrückkauf – hat von dieser Möglichkeit aber seit 2012 keinen Gebrauch mehr gemacht.

Die Aktie von AMAZON ist und bleibt mit einem Umfang von 8 Prozent die drittstärkste Position im Depot von grossmutters-sparstrumpf. Und ob DAIMLER ein besseres Investment war als AMAZON – das schauen wir uns in vier Jahren noch einmal ganz genau an.

 

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5 Kommentare

  1. Rastaman

    Ist Alibaba noch 10 Jahre in der Entwicklung hinter Amazon zurück? Oder sogar schon weiter? Die Welt teilt sich in einen riesigen Amazon-Bereich und Alibaba-Bereich ( Asien und Afrika ) auf. Ist Alibaba im Vergleich zu Amazon nicht geradezu spottbillig? Oder sind China-Aktien zu intransparent, zu undurchsichtig und man sollte besser die Finger davon lassen?

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  2. Chrischaan

    Eine interessante Frage ist: Kann ein Unternehmen zu groß werden? Und somit in den Fokus der Wettbewerbshüter geraten…

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ich habe die Gefahr lange Zeit auch gesehen. Deshalb ist es wichtig, dass es zumindest eine Alternative gibt (zum Beispiel einen zweiten relevanten market place für Dritthändler). Die gibt es zum Glück durch den Einstieg von WALMART in das Online-Geschäft.
      Ganz auszuschließen ist eine Wachstumsgrenze für die Giganten wie AMAZON, APPLE, ALPHABET und FACEBOOK allerdings nicht. Eine Zerschlagung wäre allerdings nicht im Interesse der USA. Diese Unternehmen sichern die Dominanz der Vereinigten Staaten in großen Teilen der Welt.

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      1. Klaus

        Aber auch die Amis haben strenge Wettbewerbs- und Kartellbehörden.
        Ob Wal Mart ein relevanter Marktplatz ist, hängt nicht nur von von der Absatz- Seite ab, sondern auch von den Beschaffungsmärkten der Wettbewerber.

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        1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

          Ja. Die sind strenger als wir. Andererseits wollen sie auch, dass sie die Märkte beherrschen. Da wohnen gerade zwei Seelen in ihrer Brust. Aber man wird das wohl beobachten müssen. Da AAMZON in den Markt des advertising expandiert, sorgt das jedenfalls schon mal für mehr Wettbewerb.

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