Während ich diese Zeilen schreibe, rüstet der Elektroauto-Hersteller Tesla seine Fahrzeuge der Modellreihe S gerade darauf um, auf amerikanischen Autobahnen nahezu selbstständig zu fahren.
Nein, das ist keine Science-Fiction. Wir befinden uns in der Wirklichkeit. Oktober 2015.
Fahrassistenten gibt es schon lange. Die einen halten Fahrer bei der Fahrt auf der Autobahn in der Spur. Die anderen sichern die Distanz zum vorausfahrenden Auto und bremsen autonom, wenn der Abstand zu gering wird. Tempomaten schließlich steuern die Geschwindigkeit – ganz ohne Gaspedal.
Ist autonomes Fahren etwa erlaubt?
Alle diese Assistenten sind rechtlich zulässig und seit Jahren erprobt. Sie sind bei den meisten Autos aber nicht einmal Bestandteil der Serienausstattung. Wer einen Audi A6 will der automatisch bremst wenn der Vordermann zu nahe kommt, der bestellt diese Funktion extra. Mit einem saftigen Aufpreis von 1.600 €.
Bislang hat noch niemand alle diese Möglichkeiten konsequent zusammengefasst. In einem Auto der Serienproduktion. Tesla hat das jetzt getan. Und damit das am meisten selbstfahrende Auto der Welt auf die Straße gebracht. Ganz legal.
Wie geht das technisch?
Die technischen Mittel, die das selbstfahrende Auto nutzt, sind folgende: Es hat GPS. Es hat Radar. Es hat Ultraschall. Und es hat eine Kamera.
Eine Kamera und ein Ultraschallsensor mitsamt GPs machen natürlich noch lange kein selbstfahrendes Auto. Der zentrale Baustein, der dies ermöglicht, ist vielmehr die Software. Sie alleine ist in der Lage, die Informationen zusammenzufügen und die Reaktionen des Autos sinnvoll zu steuern. Ohne Software sind Ultraschall, GPS und Radar nur technische Spielereien. Durch die Software aber werden sie zu Hilfsmitteln für ein Auto, das eigenständig fährt.
Was macht der Fahrer?
Was macht eigentlich der Fahrer, während sein Fahrzeug im Stop-and-go-Verkehr einer Autobahn fährt oder auf der mittleren Fahrspur bei Tempo 120 dahingleitet?
Der Fahrer liest Nachrichten oder Mails auf dem großen Bildschirm in der Mittelkonsole des Modell S. Außerdem meldet er sich noch in einer Aktiengruppe bei Facebook zu Wort. Er bestellt ein Jackett bei einem Herrenausstatter oder er lässt sich von Siri die ersten Börsenzahlen vorlesen, weil er das bequemer findet, als auf den Bildschirm zu schauen.
Und weil das alles genau das ist, was der Fahrer ohnehin am liebsten machen möchte, werden Besitzer des Modell S ziemlich begeistert sein in nächster Zeit.
Die Software
Das zentrale Mittel um ein Auto selbstständig fahren zu lassen ist die Software. Das ist der Grund, warum einmal mehr das Silicon Valley führend ist bei dieser Innovation. Tesla hat seinen Sitz im Silicon Valley. Die Firma denkt und handelt wie eine typische Internet- oder Computerfirma – und nicht wie ein behäbiger Automobilkonzern.
Weil das so ist, lässt Tesla die annähernd 100.000 Autos, die gerade mit der Software für das eigenständige Fahren auf der Autobahn ausgerüstet werden, auch nicht in eine Werkstatt fahren, um ein Update ihrer Software zu bekommen.
Du weißt vielleicht, dass die Firma VW genau das mit ihrer Schummel-Software für Dieselfahrzeuge vorhat. Tesla nutzt stattdessen ein Verfahren, das Besitzer von iPhones und iPads gut kennen. Die Software wird automatisch und ohne jeden Besuch einer Werkstatt von der Zentrale auf das Gerät gespielt. Fertig.
Jedes Modell S ist mit einem Funkmodul ausgestattet, dass es dem Fahrer ermöglicht, im Internet zu surfen. Das macht es für Tesla leicht, jederzeit die gesamt Software des Wagens zu aktualisieren und ihm auf diese Weise neue Funktionen zu ermöglichen.
Fünf Tage braucht Tesla, um allen amerikanischen Besitzern des Modell S die neue Software 7.0 zu installieren. Dann können die Käufer die neuen Funktionen nutzen. Sie werden begeistert sein und werden ihren Freunden von dem tollen Erlebnis berichten, dass ihr Wagen nach einem Software-Update plötzlich autonom fahren kann.
Bislang muss der Spurwechsel auf der Autobahn vom Fahrer noch per Tastendruck gesteuert werden. So bleibt Tesla innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen für autonomes Fahren. Werden die Regelungen geändert, kann Tesla jederzeit ein erneutes Update seiner Software vornehmen. Und der Tastendruck entfällt.
Im neuen Modell X ist die neue Software 7.0 natürlich bereits enthalten. Es wird gleich so ausgeliefert.
Warum das Silicon Valley nach dem Auto greift
Schon heute liegt die Wertschöpfung der in einem modernen Auto enthaltenen elektronischen Bestandteile bei rund 45 Prozent. Durch den Umstieg auf die E-Mobilität sinkt die Bedeutung der anderen Bauteile eines Autos noch einmal. Am deutlichsten ist dies beim Motor, der in einem Tesla nicht nur ein Bruchteil so groß ist wie zum Beispiel in einem 7er BMW, sondern auch sehr viel weniger kostet. Die Leistung die der Elektromotor erbringt, beruht zudem zu großen Teilen auf der Elektronik, die ihn steuert.
Das Auto der Zukunft wird weit über 50 Prozent an Elektronik und Software enthalten. Sein zentraler Bestandteil ist nicht mehr der Motor, über den sich heutige Besucher der IAA in Frankfurt ehrfurchtsvoll beugen, sondern der Bordcomputer. Schon in einigen Jahren werden jüngere Autokäufer ihr Auto nach den Merkmalen dieses Computers kaufen. Dazu werden sie keine Messe mehr besuchen – sondern ins Internet gehen oder zu Apple in einen Apple Store kommen.
Die Merkmale des Autos der Zukunft werden nicht von den Herstellern der Hardware abhängen – chinesische Auftragsfertiger vermutlich – sondern von denen, die die Software liefern. Diese Software wird zu 99 Prozent aus dem Silicon Valley kommen.
Apple betritt die Bühne
Enter Apple. An dieser Stelle betritt der nach Börsenwert größte Konzern der Welt die Bühne. Der Konzern, der die wertvollste Marke der Welt besitzt. Wenn ein Auto in Zukunft ein Computer ist, der auch Räder hat und der Software braucht, um ein optimales Fahrerlebnis zu gewährleisten, dann ist dies die Stunde des größten und weltweit bekanntesten Herstellers von consumer devices. Es ist die Stunde von Apple.
Apple hat die Elektromobilität nicht erfunden. Das Smartphone ebenso wenig. Auch den MP3-Player nicht. Sie haben alle diese consumer devices so optimiert und auf ein Konsumentenerlebnis zugeschnitten, das die Kunden begeistert. Und Sie haben natürlich die dafür nötige Software entwickelt. Apple wie das gesamt Silicon Valley steht für diese Form der disruption. Sie wollen bestehende Geschäftsmodelle angreifen, wenn sie glauben, dass sie sie radikal revolutionieren können.
Genau das steht nun dem Auto bevor. Es wird angegriffen. Vom Silicon Valley.
Projekt Titan
Apple hat das Team, das an seiner Version des Autos der Zukunft arbeitet, von 600 auf 1.800 Personen aufgestockt. So viel ist bekannt über das Projekt „Titan“, wie Apple das Vorhaben intern nennt. In drei Jahren soll das fertige Produkt auf den Markt treffen. Das ist ambitioniert. Gut möglich, dass es vier Jahre werden, bis 2019 also.
Wo geht es lang für VW und Co.?
Haben die etablierten Hersteller von Autos eine Chance gegen Tesla, Apple und auch Google? Die Antwort lautet: Nein. Sie haben keine Chance. In den Plänen des Silicon Valley für das Auto ist für Konzerne wie General Motors, Fiat Chrysler Automobiles und VW kein Platz. Sie sind in deren Augen so antiquiert, dass für sie im Markt der Mobilität der Zukunft kein Raum ist. Sie können Auftragsfertiger werden. Oder sie gehen langsam aber sicher unter.
Daimler, Porsche und BMW werden sich vermutlich retten können. Leicht wird das aber auch für sie nicht. Tesla wird ihnen in den kommenden Jahren einen großen Teil der Marktanteile in der automobilen Oberklasse in den USA abnehmen. Dort werden die Gewinne gemacht. Auch in anderen Ländern steht Tesla mit dem Modell S in der Oberklasse bereits auf Platz 1. Kommt Apple hinzu, wird es sowohl in der Oberklasse als auch in der Mittelklasse richtig eng.
Deutsche Premiumhersteller werden sich vermutlich trotzdem retten können, müssen aber mit einem Verlust an Marktanteilen rechnen. Von VW würde ich das alles nicht behaupten. Dazu ist der Konzern zu behäbig und hat immerhin drei Akteure (die Familie Porsche; die IG Metall, den Staat), die ihn auf Ziele verpflichten, die mit der Mobilität der Zukunft rein gar nichts zu tun haben. Bei VW geht es um Besitzstände.
Wie Software unsere Zukunft bestimmt
Das Auto der Zukunft besteht weitgehend aus Elektronik und aus Software. Die Software wird nicht von Daimler kommen und nicht von BMW. Beide Konzerne öffnen ihre Autos gerade – ebenso wie andere Hersteller – den beiden wichtigsten Entertainment-Plattformen der Zukunft, für Android Auto und Apple CarPlay. Auch VW beschreitet diesen Weg.
Sie alle können nicht anders, als einen zentralen Bestandteil des Erlebnisses Auto (Musik, Internet, Mail, sprachgesteuerter Assistent) den beiden großen Spielern im Markt zu überlassen, den Firmen Apple und Google.
Apple gegen Google
Im Kampf um die Herrschaft im Cockpit hat Apple bislang noch die Nase vorn. Google erwartet – einmal mehr – von den Herstellern, dass die ihnen eine Vielzahl von Daten über den Wagen und seine Bewegung überlassen. Apple tut das nicht und sieht für sein System nur eine einzige Information über das Auto vor: Ist es in Bewegung, oder ist es das nicht.
Dieser auffällige Unterschied hat zwei Folgen: Erstens werden viele Konsumenten sich in Zukunft gegen die unglaubliche Anmaßung von Google zur Wehr setzen, alles über sie zu wissen, sogar wann sie in welcher Geschwindigkeit wohin fahren. Google kann diese Daten jederzeit sammeln und – auf amerikanischen Servern – für lange Zeit aufheben. Zweitens sind aber auch die Autohersteller selber von der Datenwut von Google nicht eben begeistert. Die Firma Porsche hat deshalb entschieden, dass ihre Wagen nur mit Apple CarPlay ausgeliefert werden.
Der Kampf um das Auto der Zukunft wird zwischen den Firmen Apple und Google geführt werden – mit unterschiedlichen Konzepten. Apple braucht die Daten der Kunden nicht, da sie an den verkauften Produkten reichlich Geld verdienen. Auch das der Apple Car dürfte eine Gewinnmarge von 35-40 Prozent aufweisen, wie immer bei Apple. Google aber will die Daten – das ist ihr Ziel beim Auto der Zukunft. Sie wollen diese Daten, um die Fahrer mit gezielter Werbung zu versorgen. Und um daran zu verdienen. Ob die Konsumenten sich darauf einlassen, das wird sich zeigen.
Doppelter Umsatz für Apple
Die Gewinner im Kampf um das Auto der Zukunft heißen – bislang – Apple und Tesla. In dieser Reihenfolge. Ob Tesla je die Größe erreicht, die es anstrebt, ist noch nicht ausgemacht. Der Weg dahin ist mit dem kommenden Modell 3 (2017) allerdings klar vorgezeichnet. Gelingt das alles, wäre Tesla immer noch eine Firma mit gerade einmal einer halben Millionen verkauften Autos im Jahr. Das ist bescheiden.
Der weltweite Absatz an Autos liegt in diesem Jahr bei rund 75 Millionen. Apple wird sich einen großen Teil aus diesem Kuchen herausschneiden. So kann Apple seinen derzeitigen Umsatz verdoppeln. Seinen Gewinn auch. Der Gewinner heißt Silicon Valley.
Die amerikanischen wie die deutschen Autohersteller sind auf diesen Angriff des Silicon Valley nicht eingerichtet. Sie werden verlieren. Das Silicon Valley wird gewinnen. Wie schon bei seinem Angriff auf die Handyhersteller Alcatel, Blackberry, Motorola, und Nokia. Nur Samsung hat das überlebt – weil sie schnell auf Smartphones umgestellt haben. Alle anderen sind in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt oder haben die Produktion von Handys ganz aufgegeben.
Meine Kinder kennen den ehemals unangefochtenen Weltmarktführer bei Handys, die Firma Nokia, nur noch unter der Bezeichnung „das Steinzeit-Handy“. Meine Enkel werden von dem Steinzeit-Auto reden. Sie werden damit Marken meinen wie VW, Fiat, Renault und Citroen.
Tesla ist ein Kauf
Die Aktie von Tesla ist ein Kauf. Sie eignet sich allerdings nur für Anleger, die auch starke Kursschwankungen vertragen können. Wachstumsunternehmen steigen oft stark, fallen aber bei konjunkturellen Problemen oder bei firmeninternen Problemen ebenfalls extrem.
Wer eine ruhige Aktie für das Auto der Zukunft besitzen will, die weniger schwankungsanfällig ist, der entscheidet sich für Apple.
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