Ich habe da mal eine Frage: Ich habe mir die Aktie von MICRON mal angeschaut und mich gefragt, warum sie derzeit so stark konsolidiert. Die Gewinne bei dem Chiphersteller sind in den letzten drei Jahren um rund 25% im Jahr gestiegen. Das KGV (forward) liegt gerade einmal bei 4. Solche Bewertungen sind ja ein Witz – selbst wenn sich das Wachstum abschwächen sollte.
Felix Krausche, (finanzblogroll)
Danke für deine schöne Frage, Felix. Ich bin kein wirklicher Chip-Experte. Und ich fürchte, genau das muss man sein, um Aktien wie MICRON wirklich gut einschätzen zu können. MICRON ist einer der großen Hersteller von Speicherchips (DRAM und NAND-Flash). Sie werden in Smartphones, Tablets und Computern eingesetzt. Der Markt wächst beständig. Für den Erfolg der Aktie von MICRON ist es allerdings nicht entscheidend, ob sie viel verkaufen, sondern ob sie mit ihren Umsätzen auch Gewinne machen können.
Kann man Micron anhand des KGVs beurteilen?
Nein. Das ist nicht möglich. Das hat einen einfachen Grund. MICRON ist ein Zykliker, so wie Solar-, Rohstoff- und Autoaktien auch. Über Zykliker habe ich vor einiger Zeit schon mal geschrieben. Ein niedriges KGV hilft bei einem Zykliker leider überhaupt nicht weiter. Es deutet auch nicht darauf hin, dass diese Unternehmen gerade günstig sind. Das Gegenteil ist der Fall – Zykliker sind eine gute Kaufgelegenheit, wenn sie bei einem KGV von 20-30 stehen. Dann geht es ihnen wirtschaftlich schlecht und ihr Kurs ist am Boden. Sie sind billig.
Und auf der anderen Seite sind Zykliker für ein Depot eine große Gefahr, wenn sie bei 8 stehen. Warum? Wenn sie bei 20 oder 30 stehen kommt der Aufschwung bei ihren Gewinnen und ihr Kurs steigt mit den anschwellenden Gewinnen. Wenn sie aber unter 10 fallen, dann kommt bald der Abschwung ihres Geschäfts. Ihr Kurs fällt. Das liegt auch daran, dass jetzt viele Profis versuchen, aus der Aktie rauszukommen. Sie wollen raus, bevor der nächste Abschwung für alle offenkundig ist.
Deshalb fallen Zykliker schon, wenn ihre Umsatz- und Gewinnzahlen noch super sind. Ein KGV von 4 oder 5 bei MICRON (aktuell: 5,04 sagt Yahoo Finance) bedeutet deshalb zunächst einmal nicht mehr, als dass der Markt von fallenden Gewinnen bei dem Unternehmen ausgeht. Oder genauer: Von stark fallenden Gewinnen.
Warum der Markt das macht? Weil alle Hersteller gerade neue Produktionskapazitäten für NAND-Flash-Speicher aufbauen, einem der beiden Kernprodukte von MICRON. NAND-Flash-Speicher kennen Konsumenten einerseits als SD-Karten oder aber als SSD-Festplatten.
Alleine SAMSUNG nimmt in diesem Jahr 6,4 Mrd. Dollar für die Erweiterung der Produktion in die Hand. Im nächsten Jahr sollen es dann 9 Mrd. Dollar sein. Das ist nicht nur viel Geld – die Summe steigt auch noch sehr deutlich um immerhin 40 Prozent.
MICRON ist leider auch nicht die Nummer eins in der Branche. Hier kommt eine Grafik mit den Marktanteilen verschiedener Produzenten:
SAMSUNG ist der Platzhirsch. Das ist leicht zu erkennen. MICRON ist die Nummer Vier im Markt. Das ist in der Regel keine wirklich schöne Position. Nach meiner Erfahrung ist die Nummer Eins in einer Branche in der Regel die beste Wahl für Langfristanleger.
Auch TOSHIBA und SANDISK wollen zusätzliche Kapazitäten für NAND-Flash-Speicher aufbauen. Die gesamte Branche setzt also auf neue Kapazitäten. Das ist nichts Neues. Im Bereich der NAND-Flash-Speicher wechselten sich in der Vergangenheit zwei Jahre mit einer Knappheit an Kapazitäten stets mit zwei Jahren mit einem Überangebot ab. Eine Folge davon: Die Preise sinken.
Das war in der Vergangenheit auch bei DRAM-Speichern so. In der nächsten Grafik sind nicht die Marktanteile der Akteure zu sehen, sondern die Umsätze, die sie in der Vergangenheit erzielen konnten:
Hier siehst du die Wellenbewegung sehr genau. Im Jahr 2012 war eine Umsatzkrise – und genau vier Jahre später war es wieder soweit. Und dann ging es wieder nach oben mit den Umsätzen. Der Grund für diese sinkenden Umsätze ist stets der gleiche: Das Angebot auf dem Markt ist so groß, dass die Hersteller mit den Preisen runtergehen müssen. Was du noch gut erkennen kannst: SAMSUNG ist auch bei diesen Chips die Nummer Eins.
Was sagen die Experten?
Ich bin kein Chip-Experte. Woher weiß ich also von der Zyklik bei diesen Speicherchips? Zum einen lese ich regelmäßig bei wirklichen Chip-Experten wie Ashraf Eassa oder Harsh Chauhan (Motley Fool). Harsh Chauhan hat schon im Mai darauf hingewiesen, dass MICRON wie die gesamte Branche möglicherweise Überkapazitäten aufbaut. Aber auch die Experten von Search Storage vermuten genau das.
Wenn der Markt mit seiner günstigen Bewertung von MICRON Recht hat, dann werden die neu aufgebauten Kapazitäten zu einem heftigen Preiskampf führen, wie ihn die Branche schon oft erlebt hat. MICRON ist ja nicht für stabile Gewinne bekannt. Im Gegenteil. In den letzten Jahren hat MICRON immerhin zwei Mal Verluste eingefahren. Einmal moderate (2016) und einmal sehr hohe (2012). Im Chart über die letzten Jahre sind diese Phasen gut zu erkennen.
Wenn MICRON in den nächsten Jahren wiederum Verluste machen wird, dann habe ich eine Annahme, wo der Zielkurs des Unternehmens wohl liegt. Man sieht es im Chart oben schon ganz gut: Der Zielkurs liegt dann bei rund 10 Dollar – und das ist das optimistische Szenario. Im Langfristchart ist gut zu erkennen, dass das leicht auch 5 Dollar werden können:
Zwei Mal hat MICRON in den letzten zehn Jahren auch schon im Bereich um die 5 Dollar notiert. Das eine Mal war in 2009, das zwei Mal in 2012.
Zurück zur Ausgangsfrage!
Ist MICRON derzeit billig? Die Aktie wird zu 47 Dollar gehandelt. MICRON, oder genauer gesagt: MICRON TECHNOLOGY müsste bei einem KGV von 17 bei fast 200 Dollar stehen. So denken Anleger, die nur auf das KGV schauen – und die Zyklik nicht beachten.
Die Jungs an der Wallstreet aber wissen, dass MICRON in zwei Jahren wieder bei 10 Dollar stehen kann. Oder bei 5 Dollar. Also werden sie sich hüten, das Unternehmen höher zu treiben. Ich persönlich würde jedem Anleger und jeder Anlegerin dringend raten, die Meinung der Jungs an der Wallstreet sehr ernst zu nehmen. Die machen die Preise – nicht wir Kleinanleger.
Zudem stützt sich der Markt bei seiner Einschätzung auf sehr valide Erfahrungswerte. Die Zyklik von MICRON ist eine Erfahrungstatsache. Sie reicht über mehr als 20 Jahre – der Chart oben macht das deutlich. In über 20 Jahren konnte sich der Kurs nie dauerhaft nach oben bewegen – obwohl er ja regelmäßig hochgeschossen ist.
Immer wieder hat der Kurs von MICRON Anlegerinnen und Anleger mit steilen Anstiegen verzaubert – nur um dann wieder heftig in sich zusammenzufallen.
MICRON war für Langfristanleger in meinen Augen ein Höllenritt. Die Aktie hat extrem hohe Schwankungen. Sie ist ein Extremzykliker – kaum ein Anleger hält das auf Dauer aus. Und wozu auch? Es gibt bessere Alternativen.
Und wenn alles ganz anders kommt?
Natürlich kann der Markt sich ganz anders entwickeln als von den Experten bei Search Storage und als von Harsh Chauhan und auch von mir angenommen. Wir alle wissen ja nicht etwa was passiert. Wir haben Annahmen. Mehr nicht. Ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich, dass die Aktie von MICRON diesmal ein anderes Schicksal haben wird als in der Vergangenheit. Aber es ist ohne jeden Zweifel möglich.
Wenn es der Branche gelingt, die Zyklik zu verhindern, wenn die Unternehmen nur maßvoll investieren und den drohenden Preiskampf wegen des jetzt einsetzenden Aufbaus von Überkapazitäten vermeiden können – dann wäre MICRON auf dem derzeitigen Niveau in der Tat günstig. Manche Analysten versprechen genau das. Ihr Credo lautet: This time it’s different. Sie glauben zudem, dass der Bedarf an Speicherlösungen im Bereich Gaming und Cloud sehr stark wachsen wird. Und sie sind überzeugt, dass ein Überangebot an NAND-Flash-Speichern diesmal nicht eintreten wird.
Ich bin mit solchen Aussagen nicht so leicht zu überzeugen. Ich bin mit meinem Geld nicht an der Börse, um es unnötigen Risiken auszusetzen. Und wozu auch? Es gibt bessere Alternativen, Aktien, die ein viel niedrigeres Risiko haben als die des Chipherstellers MICRON.
Zudem: Die tieferen Taschen als MICRON hat ohnehin der koreanische Branchenprimus SAMSUNG. Wer die Nummer Eins in einem Markt kauft, der fährt in der Regel besser. Zudem ist SAMSUNG auch als Chip-Hersteller viel breiter aufgestellt – und deshalb weniger volatil. Das ist auch am Aktienkurs des Unternehmens gut zu erkennen:
Für mich sieht das viel solider aus als der Kursverlauf bei MICRON.
Wer MICRON kauft, der wettet darauf, dass der Branche diesmal kein Überangebot an Speicher-Chips droht. Der Chart von MICRON über 25 Jahre zeigt ganz klar, das es der Branche noch nie gelungen ist, stabile Preise zu erzielen. Für mich ist MICRON ein Kauf, wenn sie bei 10 Dollar notiert, so wie DAIMLER bei 30 Euro ein Kauf ist. Alles andere ist mir zu riskant.
Sollte ich mit meiner Skepsis Recht behalten, dann wird es einige Verlierer geben. Alle Anleger die jetzt bei 47 Dollar MICRON kaufen zum Beispiel. Aber es wird auch Gewinner geben. Kommt der Abschwung der Gewinne bei MICRON, dann wird das aufgrund stark fallender Preise passieren. Fallen die Preise der Chips, dann freuen sich die Hersteller von Smartphones. Sie können dann billigere Speicher-Chips einkaufen. Einer der größte Abnehmer für solche Speicher heißt übrigens – APPLE.
Richtig ist, dass die Aktie – gemessen am KGV – sehr günstig erscheint. Dennoch muss man auch sehen, dass die Aktie in den letzten 12 Monaten um 60 % gestiegen ist, wenn man die letzten 24 Monate betrachtet hat sie sich fast verdreifacht. Sie hat zwar ca. 20-25 % zum Hoch verloren, dennoch ist der Aufwärtstrend intakt. Ich würde die Einschätzung überhauot nicht teilen, dass der Markt bzw. die professionellen Anleger Micron gering schätzen.
Die Verluste der letzten Wochen von Micron haben Ihre Gründe: der chinesische Markt ist der wichtigste Absatzmarkt ist. Der Rechtsstreit mit dem chinesischen Konkurrenten UMC und ein drohendes Importverbot nach China belasten die Aussichten ganz konkret.
Sieht man es positiv (so wie ich), dürfte eine Auflösung des Handelskonflikts Micron besonders zu Gute kommen. (Ich denke insb., dass sich die Trumpsche Regierung bei Fragen von Patenten und von geistigem Eigentum letztlich durchsetzen wird)
Ich spekuliere seit ein paar Monaten auf einen weiteren Kursansieg bei Micron. So unglücklich bin ich über Micron bisher nicht.
Allerdings hat Chr. Thiel hier aber auch recht. Es ist sicherlich keine „beste“ Aktie, da sich die Rahmenbedingungen zu sehr ändern könnten. Kaufen und liegen lassen, würde ich Micron nicht.
Grüße N. Schoell
Zykliker sind eine gute Kaufgelegenheit, wenn sie bei einem KGV von 20-30 stehen. Dann geht es ihnen wirtschaftlich schlecht und ihr Kurs ist am Boden. Sie sind billig.
Diese Aussage erschließt sich mir nicht ohne weiteres: Ein hohes KGV deutet doch eher auf einen hohen Kurs im Verhältnis zum (niedrigen) Gewinn hin.
Als DAIMLER ein KGV von 18 hatte (2008) waren die Gewinne im Sinkflug – wie die Aktie auch. Im Jahr darauf hatte DAIMLER überhaupt kein KGV mehr, da sie Verluste geschrieben haben – die Aktie notierte zu Rekordständen (unter 20 Euro). In 2010 stand das KGV dann bei 16. Die Gewinne waren niedrig, der Kurs aber auch.
Wenn dann die Gewinne wieder stark wachsen, dann steigt natürlich auch der Kurs.
Dieses Muster findest du auch bei Rohstoffaktien. Geht es ihnen schlecht, dann siehst du das am Kurs (er ist niedrig) UND am KGV – es ist hoch. Sie befinden sich am Boden. Wenn du dann kaufst, dann wirst du einen guten Gewinn machen. Aber eben nur, wenn du beizeiten wieder verkaufst – und das ist nun mal dann der Fall, wenn es den Unternehmen richtig gut geht. Das siehst du dann an sehr hohen Kursen. Und an einem sehr niedrigen KGV.
Alle die glauben, jede Aktie sei eine gute Kaufgelegenheit, wenn nur ihr KGV niedrig ist, fallen deshalb leicht auf Zykliker rein. Zykliker sind aber nicht billig, wenn das KGV niedrig ist – sondern stehen dann in der Regel vor einem extremen Abschwung bei den Gewinnen. Bei DAIMLER kann das schnell von 5 Mr. Euro Gewinn runter gehen bis auf 5 Mrd. Euro Verlust. In 2009 waren es „nur“ 2,6 Mrd. Euro. In der nächsten schweren Krise dürften es deutlich höhere Verluste sein.
Zykliker sind günstig zu kaufen, wenn sie kaum Gewinne machen oder sogar Verluste. Und sie sind sehr absturzgefährdet, wenn sie gerade auf dem Zenit ihrer Gewinne stehen – denn danach geht es bergab. So einfach ist es schon. Du kannst also gerne auch auf die Höhe der Gewinne achten. Wenn die Medien jubeln „Daimler fährt Rekordgewinn ein“, dann verkaufen die Profis ihre Aktien – an die Privatanleger.