Der Bitcoin und der Tulpenwahn

Der Tulpenwahn liegt nun schon lange zurück. Fast 400 Jahre sind vergangen, seit er in den Niederlanden stattfand. Und obwohl kaum jemand sind wirklich detailliert mit ihm beschäftigt hat, weiß doch fast jeder Börsianer, dass es ihn mal gegeben hat. Damals. In grauer Vorzeit.

Was vermag uns der rasante Aufstieg der Tulpe zu einem Gut, in das tausende von Menschen ihr Erspartes investierten heute noch zu sagen? Wie kam es, dass sie ihr Haus oder ihr Gewerbe beliehen oder verkauften, nur um bei der Spekulation auf Tulpenzwiebeln mit dabei sein zu können?

 

 

Die Tulpenmanie ist eine Anlageblase, die in unserer Zeit als besonders absurd erscheint. Aber das war damals ganz und gar nicht der Fall. Geflammte Tulpen galten Sammlern schon seit vielen Jahrzehnten als wertvoll. Und da sie sich nur sehr langsam vermehren ließen, waren sie sehr begehrt – und teuer.

Das ist nicht anders als heute mit einem Oldtimer, für den manche Autofans hohe Summen bezahlen, die weit über dem ursprünglichen  Kaufpreis liegen. Ein 40 Jahre alter Opel Rekord hat nur deshalb einen Wert, weil interessierte Sammler bereits sind, sehr viel Geld für so ein altes Auto zu bezahlen. Diese Einschätzung kann sich allerdings ändern. Ob ein Opel Rekord von 1963, der derzeit den stolzen Preis von 12.000 Euro wert ist, in 50 Jahren noch wertvoll sein wird? Diese Frage kann heute niemand zuverlässig beantworten.

Bei der Tulpe aber wissen wir sehr genau, was passiert ist – sie hatte nach dem Crash zwar immer noch eine hohe Zahl an Liebhabern, verlor aber über die Jahrzehnte und Jahrhunderte ihren Wert als Sammlerobjekt. Die Tulpe wurde zu einer Massenware.

 

Schon Jahre vor Ausbruch der Tulpenmanie und auch Jahre später noch, wechselten besonders gefragte Exemplare für extrem hohe Preise den Besitzer – oft tausende von Gulden. Die Liebhaber die sie kauften, wollten sich an ihnen erfreuen – wenn sie blühten.

 

Die Geschichte der Tulpenmanie

 

Wie aber wurde aus dem Liebhabergewächs eine Manie mit stark übertriebenen Preisen und einem fulminanten Zusammenbruch der Kurse am Ende? Zunächst einmal wurden die Niederlande in den Jahren vor dem Tulpenwahn reich. Es floss viel Geld ins Land durch den Überseehandel. Wer sein Geld anlegen wollte, der hatte dazu seinerzeit nicht viele Möglichkeiten. Warum sollte man es nicht in die so begehrten Tulpenzwiebeln anlegen?

 

Hinzu kam noch die enorme Wertsteigerung in den Jahren 1633-1636. Tulpen hatten dadurch die Aufmerksamkeit der Spekulanten auf sich gezogen. So startet eine Manie – steigende Kurse ziehen weiteres Kapital an. Die Spekulanten wollten Tulpen nicht besitzen und sich auch nicht an ihnen erfreuen wenn sie blühen. Sie wollten sie kaufen um sie möglichst schnell zu einem guten Preis wieder zu verkaufen.

Als die Spekulanten in den Markt einstiegen, begannen die Preise ab Herbst 1636 erst richtig abzuheben. Immer neue Akteure kamen hinzu. Die Großspekulanten animierten kleinere Anleger, ebenfalls auf steigende Preise bei Tulpenzwiebeln zu setzen, die in den Hinterzimmern von Kneipen Tag für Tag ganz offiziell gehandelt wurden. Einfache Handwerker verloren den Kopf, verkauften alles was sie hatten – nur um bei dem anschwellenden Hype mit dabei zu sein.

So kam es in der Zeit von November 1636 bis März 1637 zu noch nie gesehenen Wertzuwächsen. Eine Tulpenzwiebel (Admirael de Man) die noch im Herbst für 15 Gulden verkauft worden war, war nun plötzlich 175 Gulden wert. Und eine andere (Gheel en Root van Leyde) stieg in diesem Zeitraum um das zwölffache ihres Wertes von 45 Gulden auf 550 Gulden.

 

 

Die Tulpe und der Bitcoin

 

Kommt dir das alles bekannt vor? Vielleicht ging es dir ja wie mir und du hast bei diesen Zahlen auch an den Bitcoin denken müssen. Der Preis des Bitcoin ist in den letzten sechs Monaten ähnlich stark gewachsen.

Und auch andere Momente sind beim Bitcoin und beim Tulpenwahn verblüffend ähnlich. Auch beim Bitcoin gibt es einen harten Kern an Liebhabern. Daran hat sich seinerzeit auch nach dem Zusammenbruch des Marktes nichts geändert. Die stark gefragten Tulpenzwiebeln fanden – deutlich billiger allerdings – immer noch ihre Fans.

 

Der Bitcoin und sein Preis – steil nach oben.

 

Wer damals allerdings mit Tulpen spekulierte, der hatte nicht vor, sich an der blühenden Tulpe zu erfreuen. Er wollte sie vielmehr nur kaufen, um sie mit Gewinn wieder verkaufen zu können. Das ist beim Bitcoin ähnlich. Kennst du jemanden, der einen Bitcoin besitzt, weil er gerne einen Bitcoin besitzen will? Oder weil er mit ihm bezahlen möchte und es cool findet, im Internet mit der digitalen Währung zu bezahlen? Ich nicht.

Mittlerweile gibt es neben dem Bitcoin noch viele andere Kryptowährungen, mehr als 900 sollen es schon sein. Das in sie angelegte Geld ist in den ersten 8 Monaten des Jahres von 17,7 Mrd. Dollar auf 160 Mrd. gestiegen. Die Hälfte davon entfällt auf die bekannteste dieser „Währungen“, den Bitcoin. Auf Platz zwei folgt derzeit Ethereum.

 

Wer braucht den Bitcoin?

 

Ich kenne niemanden, der den Bitcoin nutzt. Aber ich kenne viele, die ihr Geld in Bitcoin anlegen, um einen Gewinn damit zu machen. Sie spekulieren darauf, dass diese im Wert stark gestiegene digitale Währung weiterhin stark steigt. Noch etwas anderes ist ähnlich wie damals: Immer mehr Anbieter machen es möglich, dass du dein Geld in Teile eines Bitcoins oder einer anderen digitalen Währung anlegst. Du kannst sogar regelrechte Sparpläne darauf eröffnen. Auf diese Weise versuchen Spekulanten, immer mehr Menschen in die sich entwickelnde Blase zu engagieren. So lange ihnen das gelingt, steigen die Kurse.

Auch das war damals in den Niederlanden ganz ähnlich. Da sich viele Anleger keine ganze Zwiebel leisten konnten, so teuer waren manche Sorten, teilten sie sich oft in den Besitz.

In dieser Phase des Hypes ist es sehr wichtig, stets neue Anleger in den Rausch des Marktes zu bringen. Weitere Gewinne sind nur möglich, solange neue Spieler hinzukommen.

 

Anlagemanien gab es schon viele

 

Die niederländische Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts ist nicht die einzige derartige Anlageblase geblieben. Gerade einmal 100 Jahre später verzeichneten die Niederländer eine Hyazintenmanie – mit ganz ähnlichen Folgen.

Im Immobilienbereich hat es schon oft ähnliche Phänomene gegeben. Berühmt ist der Immobilienwahn Anfang des Jahrhunderts in Florida. Florida legte damals seine Sümpfe trocken und galt als ein aufstrebender Staat – völlig zu Recht wie sich gezeigt hat. Die Preise für Grund und Boden schossen steil in die Höhe. Viel zu steil.

Immobilienentwickler verkauften Anlegern immer neue, bislang unerschlossene Flächen. Die kauften in der Hoffnung, dass die Bodenpreise weiterhin so stark steigen würden. Irgendwann kostete ein Quadratmeter Land in Miami mehr als in Manhattan – die Immobilienmanie mit ihren ständigen Berichten über steigende Preise hatte zu abenteuerlichen Bewertungen geführt. Dann sanken die Preise – und kollabierten im Herbst 1925 schließlich völlig. Es dauerte viele Jahrzehnte, bis sie die alten Höhen wieder erreicht hatten.

 

Wohin geht der Bitcoin?

 

Ist das auch der Weg des Bitcoins?

Gute Frage. Meine These ist: Ja, auch der Bitcoin ist eine Manie. Den Besitzern wird es ähnlich ergehen, wie den Spekulanten damals. Der Markt wird kollabieren. Danach wird es den Bitcoin und einige andere Kryptowährungen vermutlich noch geben und sie werden auch einen Wert haben. Weil es immer noch einen harten Kern an Liebhabern von digitalen Währungen gibt. Allerdings wird der Wert wohl weit unter den derzeitigen Preisen liegen.

Und es wird lange dauern, bis sie ihre alte Höhe wieder erreichen. Wenn es ihnen überhaupt gelingt! Nur wenige Kryptowährungen haben eine Chance, den derzeitigen Gründerrausch zu überleben.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, sich vom Bitcoin fern zu halten. Das Risiko, dass einer der großen Spieler (EU, USA, Japan, China) gegen den Bitcoin vorgeht, ist sehr groß. China hat das in den letzten Wochen in Ansätzen schon versucht. Die Regierung gab bekannt, dass sie die Emission von neuen Kryptowährungen untersagt und setzte die Betreiber von Bitcoin-Börsen unter Druck, ihr Geschäft einzustellen

Wer sein Geld in den Bitcoin anlegt, der macht sich, zusätzlich zu all den Risiken eines Hypes, der jederzeit zusammenbrechen kann, von den politischen Entscheidungen in Washington, Tokyo oder Peking abhängig.

 

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Mehr lesen

 

Mike Dash: Tulpenwahn. Die verrückteste Spekulation der Geschichte. München 1999.

 

Wer sich den langsamen Aufbau und den Zusammenbruch einer Manie oder eines Hypes lieber literarisch zu Gemüte führen möchte, der ist bei Emile Zolas wunderbarem Roman „Das Geld“ richtig.

 

Bitcoin is a fraud (fool.com)

 

Video: Market Foolery (fool.com)

 

 

6 Kommentare

  1. Basti

    Wenn der BTC Kurs weitersteigt kommen die ReGIERungen (wie in China schon erfolgt) und verbieten es. Dann sackt der Kurs wieder etwas runter. Oder man schaltet der Welt das Internet ab – das wäre noch schlimmer wie ein Goldverbot. Aber Kryptowährungen sind nicht aufzuhalten und definitiv das Zahlungsmittel der Zukunft. Ich sag mal ganz frech, wenn du nicht auch spekulierst, dass BTC zur Krypto Leitwährung wird, kann es passieren dass dir in ein paar Jahren jemand deine Qualitätsaktien gegen einen kleinen Bitcoin Betrag abkauft.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Hallo Basti,

      ich wünsche niemandem, dass er mit seinen Investments daneben liegt. Das der Bitcoin Zukunft hat, dass sehe ich selber ja auch so – diese Zukunft ist in meinen Augen nur eben nicht so groß, wie in deinen.

      Für Gold wie für den Bitcoin gilt: neue Werte schaffen sie nicht. Gold bleibt immer was es ist. Der Bitcoin auch. Eine Firma aber kann neue Produkte erfinden und auf den Markt bringen – und damit Gewinne machen. Deshalb bleiben APPLE, MASTERCARD, NOVO NORDISK oder NIKE nicht was sie sind. Sie wachsen – und an diesem Wachstum beteilige ich mich, wenn ich Aktien kaufe. Das scheint mir persönlich deutlich zuverlässiger als eine Spekulation auf einen weiter steigenden Bitcoin.

      Aber wie gesagt: ich wünsche niemandem, dass er daneben liegt.

      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian Thiel

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  2. Der will Geld essen

    Anders als seltene Tulpenarten oder rare Autos wird Bitcoin gerade zu einem einzigartigen Werkzeug. Millionen von Leuten in – vor allem asiatischen – Mittelschichten können zum ersten Mal Werte langfristig aufbewahren und trotz wenig demokratischen Regimen über Grenzen hinweg transferieren. Menschen die noch nie ein Girokonto besessen haben, haben nun ein Bitcoin-Wallet auf ihrem Smartphone. Dieser Nutzen ist kaum zu überschätzen. Mit Bitcoins lässt sich im Alltag nicht der Supermarkteinkauf bezahlen, schon richtig. Aber das will auch niemand tun. Die hohe Volatilität macht das Aufbewahren von Werten in dieser digitalen Währung noch nicht handhabbar genug, genau dort sehe ich aber die Zukunft von Bitcoin.

    Die Frage ist doch, ob dieser Nutzen auf Dauer bestehen bleibt und Millionen oder gar Milliarden von Menschen in Entwicklungsländern langfristig dieser Art der Wertaufbewahrung vertrauen werden. Im Moment machen es immer mehr. Bleibt es dabei, platzt auch keine Blase.

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  3. Andreas Hofer

    Es gibt allerdings einen gewichtigen Unterschied zwischen Tulpenzwiebeln und Bitcoins.
    Der Bestand an Tulpenzwiebeln lässt sich beliebig vermehren, wohingegen Bitcoins auf 21 Mio. Einheiten limitiert sind. Dieser Umstand macht es auch sehr unwahrscheinlich, dass Bitcoins jemals als tägliches Zahlungsmittel eingesetzt werden. Ein Gut wie Bitcoins, welches limitiert ist und von vielen Menschen nachgefragt wird, wird man schwer wieder aus der Hand geben. Somit wäre die Umlaufgeschwindigkeit dieses Zahlungsmittels sehr gering und damit wenig brauchbar für einen normalen Handelsablauf. Allerdings könnte ich mir Bitcoins als zusätzliches Wertaufbewahrungsmittel vorstellen. Die Welt ist doch voller Wertaufbewahrungsvehikel wie Gold, Kunst, Diamanten, Oldtimer u. a., die oftmals genau so stark und erratisch schwanken wie der Wert der Bitcoins, so dass die Bitcoins sich eines Tages durchaus als eine zusätzliche Möglichkeit der Wertspeicherung erweisen könnten. Ich wäre also vorsichtig in dem Urteil, die Bitcoins würden das gleiche Schicksal wie die Tulpenzwiebeln erleiden.

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    1. Marc

      Der Bitcoin ist begrenzt, aber nicht die Summe der Kryptowährungen. Es kommen dauernd neue dazu. Mit Gold kann man das nicht vergleichen, das wäre als kämen immer neue Goldarten dazu. Das ist inflationär.

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  4. Petra Wolff

    Dieser Artikel spricht mir total aus der Seele. Es ist inzwischen wirklich so, dass immer, wenn ein Gespräch auf „Geldanlage“ kommt, auf Anhieb der Begriff Bitcoin fällt, und das von Menschen, die sich bisher überhaupt nicht dafür interessiert haben und Aktien nicht von Anleihen unterscheiden können. (Das soll nicht wertend sein.) Das ist mir erst vor ein paar Tagen wieder aufgefallen. Das sollte einem doch zu denken geben. Möglicherweise geht der Wahnsinn noch eine Weile gut, aber ich bin eher der Meinung, das ist das beliebte Spiel „Den letzten beißen die Hunde“ 😉

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