Wer bestimmt bei Apple die Strategie?

Tim Cook ist der CEO von APPLE. Er macht diesen Job in meinen Augen sehr gut. Das war die Kernthese meines letzten Textes zu APPLE („Was macht das iPhone?“), am vergangenen Samstag, hier bei grossmutters-sparstrumpf. Ich habe das aber auch schon vor über einem Jahr betont, als APPLE noch von einem Erfolg zum nächsten eilte und im Weihnachtsquartal 2015 wiederum etwa 75 Millionen iPhones verkaufen konnte.

Aber Tim Cook ist nicht der wichtigste Mann bei APPLE. Er ist nicht der strategische Kopf von APPLE. Wer ist es dann? Oder gibt es keinen, der dort strategisch denkt und handelt?

 

Ein Blick zurück

 

Als Steve Jobs 1997 bei APPLE wieder das Ruder übernimmt, trifft er eine ganze Reihe von wichtigen Entscheidungen. Auch Personalentscheidungen. Zwei davon sollten sich als besonders wichtig herausstellten: Steve Jobs heuert für das Tagesgeschäft einen erfahrenen Chief Of Operations (COO) an – Tim Cook.

Drücken wir es vorsichtig aus: Steve Jobs war ein lausiger Chief Of Operations. Das gute an Steve Jobs Jahrelanger Abwesenheit von APPLE war: Er hatte Zeit, dazuzulernen. Im Jahr 1998 war er weise genug zu wissen, dass er nicht der richtige Mann für das Tagesgeschäft war. Also heuerte er den besten Mann an, den er für diese Arbeit bekommen konnte. Das war Tim Cook.

Die zweite entscheidende Weichenstellung in dieser Zeit betrifft noch eine Personalie und eine Grundsatzentscheidung zugleich: Steve Jobs stieß bei APPLE auf den Designer Jony Ive und dessen Vorstellungen vom Vorrang des Designs vor der Technologie.

Die Produkte von APPLE sollten nach Steve Jobs’ und Jony Ives Ansicht die Konsumenten begeistern, weil sie intuitiv waren und weil sie gut aussahen. Um diese beiden Ziele zu erreichen, musste die Macht der Ingenieure zurückgedrängt werden. Ihre Ideen zählten fortan weniger, als die der Designer. Die Designer entwarfen nun das Produkt, die Ingenieure mussten es technisch möglich machen.

 

CHI A

Bei dieser Vorgehensweise kamen vier der wegweisende Produkte heraus: Der iMac. Der iPod. Das iPhone. Und das iPad. Mit diesen vier Produkten hat Apple nicht nur Designgeschichte geschrieben, sondern auch Industriegeschichte.

Der iMac hatte die geringste Wirkung. Der iPod aber revolutionierte eine ganze Branche. Vorher besaßen Musikliebhaber einen tragbaren MP3-Player, der nur schwer zu bedienen war. Nun hatten sie einen iPod, der einfach war und durchdacht. Die Konkurrenz (Sony) hatte das Nachsehen und musste mit ansehen, wie ihre Produkte in den Regalen liegenblieben.

 

iphone 7

Das iPhone verurteilte NOKIA und BLACKBERRY zum Niedergang.

 

Das war allerdings erst der Anfang. Das iPhone warf gleich zwei Imperien um. NOKIA – ist Geschichte. BLACKBERRY, das kanadische Kultunternehmen, das es leicht gemacht hatte Mails auf dem Handy zu empfangen und zu schreiben ist ebenfalls – Geschichte.

Ob iPod, iPhone oder iPad – immer ging es bei diesen Produkten um den Nutzer und sein Erlebnis. Alles andere war ihm unterzuordnen. Auf diese Weise würden die Kunden die Produkte lieben – und andere nur mögen. Das war das Ziel von Steve Jobs. Dazu musste die Design-Abteilung die Führung übernehmen.

 

Wer hat die Macht?

 

Wer hat die Macht bei APPLE. Die Antwort ist einfach: Das Design-Team – genannt ID (industrial design) und sein Chef Jony Ive. Der Mann der den iMac formte, den iPod entwarf, das iPhone und das iPad und die Apple Watch. Er ist heute Chief Design Officier (CDO).

Und was macht er so den ganzen Tag? Als Chefdesigner?

 

jony ive

 

Er lässt sich zum Beispiel mit seinem Bentley zur Arbeit fahren. Von einem Chauffeur. Ive ist durchaus in der Lage, selber mit seinem Wagen, einem Bentley Musanne zu fahren – derzeit will er das aber nicht. Er will wissen, wie es sich anfühlt, in einem Wagen nicht selber zu fahren. Der Wagen fährt gewissermaßen autonom.

Jony Ive ist Bentley-Fan. Er hat schon mehrfach gesagt, wie unbefriedigend er das Design der allermeisten Autos findet. Das war ein deutlicher Hinweis darauf, wohin die Reise bei APPLE und der Abteilung ID geht. Sie arbeiten an einem Apple Car.

 

Strategisches Denken

 

Strategisches Denken ist bei APPLE allerdings nicht auf die ID-Abteilung beschränkt. Auch die Cheftechniker und das Marketing fragen sich: Welches Produkt wird als nächstes von der fortschreitenden Miniaturisierung von Computerteilen erfasst – und gehört damit in den Focus von APPLE.

 

apple-watch

 

Die Apple Watch ist dafür ein gutes Beispiel. Erst das Smartphone hat dazu geführt, dass viele Menschen gar keine Uhr mehr tragen. Sie ziehen es vor, ihr Handy rauszuholen und nachzuschauen. Das ist manchmal ein wenig umständlich, schon gar, seit Smartphones erst einmal entsperrt werden müssen.

Die Miniaturisierung hat einen voll funktionsfähigen Computer in Form eines Handys möglich gemacht. Sie wird auch einen voll funktionsfähigen Computer in Form einer Uhr ermöglichen – deshalb gibt es die Apple Watch.

Der Apple Car

 

Die Führung von APPLE, darunter auch Jony Ive, ist zutiefst davon überzeugt, dass das Auto der nächste wichtige Alltaggegenstand ist, der von der Computerisierung der Welt erfasst wird. APPLE ist fest dazu entschlossen, keinen Fußbreit des Terrains anderen zu überlassen.

Als Microsoft-Gründer Bill Gates im Jahr 2000 auf der Consumer Electronics (CES) in Las Vegas von Entertainment-Centern schwärmte und von Waschmaschinen und Kühlschranken, die alle mit seinem Betriebssystem arbeiten würden, da haben Steve Jobs, Jony Ive, Tim Cook und viele andere bei APPLE sehr aufmerksam zugehört. APPLE-Führungskräfte wie Avie Tevaniau und Jon Rubinstein forderten eine Sondersitzung wichtiger Entscheidungsträger bei APPLE mit diesem einen Thema: Wer wird die Software liefern, die diese neue digitale Welt ermöglicht?

Und sie alle haben eine Entscheidung getroffen: Diese Welt voller computergesteuerter Geräte wird nicht Microsofts Welt sein – sondern ihre.

 

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Ob Word oder Powerpoint – noch nie haben Microsoft-Programme bei mir zuverlässig funktioniert

 

Ich will nicht in einer Microsoft-Welt leben

 

Ich bin ihnen dafür sogar persönlich dankbar. Immer wenn ich eine Software von Microsoft benutzen muss (wie jetzt in diesem Augenblick, das Textverarbeitungsprogramm Word, das Microsoft für den Mac programmiert hat), passieren die seltsamsten Dinge. Vorhin erst zwang mich das Programm, in einer winzig kleinen Schrift zu schreiben. Einfach so. Das macht es regelmäßig. Noch nie hat sie anstandslos einfach nur funktioniert.

Bill Gates Plan, die Welt mit Software von Microsoft zu erobern, erschien mir persönlich schon immer als ein Horror. Ich würde meinen Kühlschrank nicht mehr öffnen können, wann ich es will und die Waschmaschine würde nicht schleudern, wann sie soll und erst damit aufhören, wenn ich den Netzstecker ziehe.

Jony Ive, Steve Jobs und Tim Cook haben entschieden, dass sie die besseren Programme schreiben und die besseren consumer devices herstellen können. Viele Menschen respektieren Microsoft – APPLE aber lieben sie. Die APPLE-Führung hat schon damals erkannt, dass eine Welt, in der consumer devices unseren Alltag beherrschen, eine Welt ist, in der das Design der Produkte und ihre Nutzerfreundlichkeit über ihren Erfolg entscheidet.

So haben sie gedacht, damals bei ihrem Notfall-Meeting im Garden Center Hotel von Palo Alto. Und so ist es gekommen. Sie haben dem industrial design (ID) die Priorität eingeräumt.

 

 

apple car

Vorschläge für einen Apple Car gibt es viele. Wie er am Ende wirklich aussieht, das wissen wir erst in einigen Jahren.

 

Projekt Titan

 

Das Auto der Zukunft – derzeit wird es vor allem von Elektroauto-Pionier TESLA gebaut. Das Auto der Zukunft ist ein Computer-Roboter. Es fährt seine Nutzer alleine an ihr Ziel. Deshalb sitzt Jony Ive so gerne im Fond – und lässt sich von einem Chauffeur fahren. Er kann so viel besser über das Auto der Zukunft nachdenken. Und über APPLES Projekt Titan.

Die Menschen werden auch in Zukunft viel Zeit in ihren Autos verbringen. Was werden sie in dieser Zeit tun? Sie wollen dann unterhalten werden, wollen arbeiten können, Mails lesen und schreiben. Und sie werden ihrer Assistentin Siri Aufträge erteilen, die die dann umstandslos erledigt.

Jony Ive ist derzeit der strategische Kopf bei APPLEs Projekt Titan. Rund 1.800 Mitarbeiter arbeiten hier an APPLEs Version des Autos der Zukunft. APPLE hat sich bei einem großen Testgelände eingemietet und angeblich auch eine Forschungseinrichtung in Berlin, berichtet die FAZ.

 

Tim Cook’s Rolle

 

Welche Rolle fällt bei alledem Tim Cook zu? Eine große. Zunächst einmal repräsentiert er die Firma nach Außen. Zudem sorgt er dafür, dass das richtige Personal an der richtigen Stelle sitzt. Und er kümmert sich einmal mehr um die Fertigungskette.

Denn die Frage, wie so ein Apple Car in großer Zahl hergestellt werden kann, diese Frage kümmert weder Jony Ive noch das ID-Team. Ihre Aufgabe ist es, das Auto der Zukunft zu entwerfen und APPLE damit zu einem mächtigen Herausforderer der amerikanischen, japanischen und deutschen Automobilkonzerne zu machen.

 

BMW Werk Leipzig

 

Tim Cook hält derweil nach möglichen Produzenten Ausschau. Er war in Deutschland, hat sich das Werk von BMW in Leipzig angeschaut. APPLE hat zudem auch lange mit BMW und DAIMLER über eine Zusammenarbeit in der Produktion gesprochen. Erfolglos.

DAIMLER als Auftragsfertiger?

Nein, das wollten sich die stolzen Untertürkheimer denn doch nicht antun.

 

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TESLAs produziert selber – APPLE wird das nicht tun

 

APPEL kann und will aber kein Autoproduzent werden. Das iPhone wird von Auftragsfertigern wie FOXCON hergestellt, nicht von APPLE selber. Diese Form der Zusammenarbeit ist Für APPLE ein Erfolgsmodell. Zudem ist es extrem schwer, eine Automobilproduktion aufzubauen – TESLA muss das derzeit leidvoll erfahren. Die Produktionszahlen steigen zwar, doch immer langsamer als gewünscht.

Wer wird den Apple Car bauen – das ist die Fragen, die Tim Cook beschäftigt und die er lösen muss. Die strategische Planung aber macht ID – und damit Jony Ive. Sir Jony Ive, genauer gesagt. Der gebürtige Brite, der in den 90er Jahren schon Handys für Nokia gestaltete, wurde 2011 von der Queen zum Sir geadelt. Für seine Verdienste um das britische Empire.

Der Apple Car wird unser Verständnis von einem Auto gründlich umkrempelt, dafür wird das ID-Team sorgen. Gut möglich, dass er uns ein wenig an einen Bentley erinnern wird. Die Queen wird es freuen. Immerhin ist Bentley der offizielle Hoflieferant der britischen Königsfamilie. Es ist ja nicht alles schlecht auf der Insel, die zum Kontinent gehört und dann doch wieder nicht.

 

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MAGNA ist als Produzent für den Apple Car im Gespräch.

 

Um die Fabriken, die den Apple Car herstellen, wird sich Tim Cook kümmern. MAGNA aus Österreich und mit kanadischen Niederlassungen, kommt in Frage. Auch in China wird er Partner finden. Und wer weiß, vielleicht kommt ein Teil der Apple Cars – die teuersten und nobelsten – ja aus der Fabrik Crewe, in der auch der Bentley von Sir Jony Ive hergestellt wurde.

 

Dieser Text geht auf die Lektüre von Dutzenden von Texten auf dem Blog AboveAvalon.com von Neil Cybart zurück und hunderte Beiträge bei fool.com, dem größten privaten Investmentdienst der Welt. Zusätzlich verdanke ich ein Fülle von spannenden Einsichten dem wunderbaren Buch „Becoming Steve Jobs“ von Brent Schlender und Rick Tetzeli, sowie dem Buch „Elon Musk: Tesla, SpaceX and the Quest for a Fantastic Future“ von Ashlee Vance.

 

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