Soll ich Elring-Klinger verkaufen?

Ich habe nach einer Empfehlung von fool.de Aktien von Elring-Klinger gekauft, einem Automobilzulieferer. Leider ist der Wert seit dem Kauf um über 50 Prozent gefallen. Ich überlege zu verkaufen, obwohl ich ungerne einen Verlust realisiere – aber in dem Fall fühle ich mich mit der Aktie zunehmend unwohl. Es kann ja auch noch mal viel weiter runter gehen. Was meinst du?

Martin (42)

 

Zunächst einmal zwei klare Antworten: Ja, es kann noch weiter runtergehen. Ja, ein Autozulieferer ist derzeit eine extrem unsichere Wahl. Und zudem ist ELRING-KLINGER auch noch ein small cap, gehört also ohnehin zu den sehr riskanten Investments. Ich würde so etwas hier auf grossmutters-sparstrumpf niemals empfehlen. Und ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum der deutsche Ableger von Motley Fool zu so einem Kauf rät.

Leider machen sie so etwas öfter. Vor fast genau einem Jahr hat fool.de die Aktie von DAIMLER wärmstens empfohlen. Hier kommt der Chart von DAIMLER seither:

 

 

Du siehst, die Akte war vor einem Jahr schon in einem Abwärtstrend – und sie ist es bis heute. Wer in diesen Abwärtstrend hinein kauft, der muss schon sehr gute Argumente haben. Und genau die hatte der Autor von fool.de nicht. Er behauptete, die Aktie könne Anlegerinnen und Anleger in den nächsten zehn Jahren nur reich machen. Der Mann hat Nerven. Er weiß auf zehn Jahre im voraus, dass DAIMLER gut laufen wird. Glückwunsch. Neulich hat fool.de noch einmal nachgelegt und geschrieben, dass DAIMLER in den nächsten Jahren AMAZON schlagen wird.

Oh weh!

 

Wovon nicht die Rede ist

 

Interessant ist bei allen diesen Texten, welche Fakten die Autoren ausblenden. Das Wort Strukturkrise in Bezug auf die Automobilindustrie kommt zum Beispiel nicht vor. Ein Rezession, die für die nächsten zehn Jahre zumindest sehr wahrscheinlich ist, kommt ebenfalls nicht vor. Zum Dritten kommen die enormen Schulden, die DAIMLER in den letzten Jahren angehäuft hat, ebenfalls nicht vor. Diese Schulden hat DAIMLER in den hinter uns liegenden guten Jahren gemacht. Die schlechten kommen ja gerade erst.

Geht es um die Automobilindustrie, dann setzt in meinen Augen bei vielen deutschen Autoren die über Aktien schreiben schlicht der Verstand aus. Im Fall DAIMLER ist das besonders auffällig, schon gar, wenn man den Chart für die letzten 20 Jahre kennt. Der sieht nämlich so aus:

 

 

Du siehst, das Ergebnis ist ziemlich genau so, wie das über ein Jahr (-27%) und endet diesmal bei knapp 30 Prozent Verlust. Zugegeben, da sind die Dividenden noch nicht mit eingerechnet, die ziehen dich wieder ins Plus. Aber ein Unternehmen mit einer angeblich so großen Zukunft sollte in meinen Augen zumindest eine akzeptabel Vergangenheit haben. Und das ist nicht der Fall.

Kommen wir zu ELRING KLINGER. Da sieht alles noch viel schlimmer aus als bei DAIMLER. Hier kommt der Chart für die letzten fünf Jahre:

 

 

Nein, da möchte man nicht mit dabeigewesen sein. 81 Prozent Verlust sind kein Spaß. Schon seit Jahren fallen die Gewinne des Unternehmens, ein Fakt, der auch dem Autor auf fool.de nicht entgangen sein kann. Fallende Gewinne bei steigenden Umsätzen, ja so etwas gibt es. Es kommt noch schlimmer: Diese fallenden Gewinne hatte der Autozulieferer in einer Zeit, in der es gut lief für die Branche. Was das für schlechte Zeiten heißt, das ist klar – Verluste. Diese Verluste können klein ausfallen – oder auch groß. Sie können sogar existenzgefährdend groß ausfallen. Keiner weiß es.

 

Elring-Klinger macht Verluste

 

Genau dieser Umschwung von immer noch schwarzen hin zu roten Zahlen ist nun gerade erfolgt. Für das erste Quartal 2019 meldete das Unternehmen einen Verlust – von 1,5 Mio. Euro. Die Börse reagierte (einmal mehr) mit einem Abverkauf der Aktie.

ELRING KLINGER ist noch aus einem weiteren Grund eine extrem gefährliche Aktie. Es ist ein small cap. Das Unternehmen hat einen Börsenwert von nur 300 Mio. Euro. Im Amerikanischen würde man in dem Fall sogar von einem micro cap sprechen. Small caps sind sehr volatil und in Krisen sehr anfällig für extreme Verluste.

Mit dem Kauf von ELRING KLINGER gehst du also gleich zwei sehr große Risiken ein. Du kaufst eine Aktie von einem Automobilzulieferer – mitten in einer großen Strukturkrise der deutschen Automobilwirtschaft. Viele Unternehmen werden diese Krise nicht überleben, vor allem die kleineren nicht. Und du kaufst einen small cap, eines der ganz kleinen Unternehmen also.

 

Es geht bergab – und keiner weiß wie lange noch

 

Der Abwärtstrend der gesamten deutschen Automobilindustrie ist ungebrochen – dabei stehen ihr noch immer drei große Herausforderungen bevor. Die erste, das ist der Schwenk hin zur eMobilität. Die zweite ist die ungeklärte Lage bei den Zöllen für die USA. Donald Trump wird da so schnell keine Ruhe geben. Und die dritte ist eine kommende Rezession, insbesondere eine, die auch China betrifft. Dort sind die deutschen Autohersteller mittlerweile sehr gut im Geschäft. Bis zu einer Rezession.

Schon ein geringes Nachlassen des Wirtschaftswachstums führt in der Regel zu einem starken Rückgang bei der Zahl der verkauften Autos. Eine Rezession aber ist deutlich schlimmer. In ihr fallen die Verkaufszahlen für Autos wie ein Stein. Viele Unternehmen schreiben dann von einem Tag auf den anderen hohe Verluste. Das alles steht DAIMLER, das alles steht auch dem Zulieferer ELRING KLINGER erst noch bevor.

 

Kursverluste der großen deutschen Autohersteller und -zulieferer Ende November 2018.

 

Niemand weiß derzeit, wie lange die Krise der deutschen Automobilindustrie noch anhalten wird. Ich beobachte sie jetzt seit August 2018 mit einer eigenen „Überwachungs-Tabelle“, in der ich den Abschwung der wichtigsten Unternehmen vom Hoch aus messe. Im August 2018 standen diese Unternehmen zusammengenommen bei einem Minus (vom Hoch) von 42 Prozent. Damals schon habe ich darauf hingewiesen, dass es noch viel schlimmer kommen kann.

So ist es dann auch passiert. Ende November 2018 waren die Autohersteller und ihre Zulieferer bereits um rund 50 Prozent vom Hoch gefallen (sieht Tabelle oben). Hier kommen die aktuellen Zahlen.

 

 

Im Durchschnitt haben diese Unternehmen nun 57,7 Prozent an Wert verloren. Der Abschwung hat sich also noch einmal fortgesetzt. Die Zahl wäre noch deutlich höher, wen ich auch ELRING KLINGER (-84,3%) und den Maschinenbauer AUMANN (-77,7%) mit aufgenommen hätte. Ich habe es aber wegen der besseren Vergleichbarkeit bei dieser Liste von sechs bekannten und relativ großen Unternehmen belassen.

Ein Ende dieser Abwärtsentwicklung für die Automobilindustrie ist derzeit nicht in Sicht. Es wird zweifellos kommen. Alle Kurse drehen irgendwann einmal. Allerdings werden nicht alle Unternehmen diese Krise überhaupt überleben, vor allem die kleineren nicht.

 

Mein Fazit

 

Es gibt gemütlichere Orte für mein Geld, als die Automobilwerte. AMAZON zum Beispiel, das Unternehmen, das nach Meinung von fool.de in den nächsten Jahren schlechter laufen wird als DAIMLER. Oder APPLE. Oder MASTERCARD. Oder NOVO NORDISK. Mir fallen da gleich eine Reihe von Werten ein, die in einer Rezession deutlich besser dastehen werden. Keines der von mir genannten Unternehmen ist durch die letzte Rezession in die Verlustzone gekommen. DAIMLER aber schon.

Für alle die glauben, nun aber sein die Automobilwerte ein Schnäppchen und sie müssten sie jetzt unbedingt kaufen, gilt die alte Börsenweisheit: Was um 50 Prozent gefallen ist, kann noch einmal um 50 Prozent fallen. Und dann noch einmal.

 

8 Kommentare

  1. Marco Dargrel

    Ich habe heute etwas ziemlich Lustiges gemacht. Ich bin bei Wallstreet-online auf Aktien, Top/Flop Dow Jones gegangen und habe mir den ein Jahres Gewinner angesehen: Procter&Gamble. Fand ich lustig, ist eine Dividendenaktie. Dafür ist natürlich die 10 Jahres Performance schlecht. Aber die 50 Jahre Performance ist super. Warum ich das schreibe? Nun ja, viele Highflyer müssen noch beweisen, dass sie eine 50 Jahresperformance überhaupt überleben. Das soll kein Angriff sein. Du hast mich schon zu einigen Überlegungen inspiriert. Mach eine Bilanz war super. Und ich schaue mir jetzt auch Wikifolio an. Aber als alter Hase denke ich auch, dass die Zeit kommen wird, dass die Techs fallen. Das hat nicht soviel mit diesem Artikel zu tun. Aber ein anderer Punkt schon. Wenn Du recht hast, kann sich Mc Donald’s über viele neue und vor allem deutsche Arbeitskräfte freuen. Und die haben es auch nötig. Automobilindustrie ist der deutsche Wohlstand. Wenn der fällt, heißt es Mc Donald’s, Putzfrau oder eine andere Form der Gastronomie mit Putzen. Ich würde es toll finden, wenn mehr Leute bei Mac arbeiten, die deutsch können und auch Samstag Nacht dort sind. Aber der Deutschen Autoindustrie könnte es auch ergehen wir Procter&Gamble.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Ich habe wenig Zweifel, dass es die deutsche Automobilindustrie in zehn Jahren noch geben wird. Ich habe nur Zweifel, dass mein Geld dort gut aufgehoben ist.
      Den Gegensatz zwischen Highflyern und Old Economy sehe ich ganz anders. NIKE, ADIDAS oder DISNEY sind sowohl in margenstarken Branchen unterwegs als auch schon seit Jahren auf Wachstumskurs als auch Old Economy. Und haben schon viele Krisen überlebt.
      APPLE, FACEBOOK, NETFLIX und AMAZON teilen eine großes Stück der Zukunft untereinander auf. Wer hier nicht investiert ist, der läuft dem Index hinterher.
      Ob PROCTER die Kurve kriegt, das muss sich erst noch zeigen. Kann sein, dass es ihnen gelingt. Es gibt deutliche Warnhinweise. Da gehe ich lieber auf Nummer sicher. Und bleibe im Konsumbereich bei LINDT.

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  2. Klaus

    In fast jedem Deiner Kommentaren fällt NOVO NORDISK. Warum? Die Aktie war mal gut, ist abgestürzt, wg. einem einzigen Präparat. Es ist wohl immer noch einer Deiner Lieblinge, obwohl nichts dafür spricht die Aktie heute zu kaufen.

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Umsätze und Gewinne bei NOVO stagnieren jetzt seit drei Jahren. Das ist am Kurs der Aktie gut zu sehen. Ich gehe davon aus, dass sich das wieder ändern wird. Mit neuen Medikamenten und/oder kleineren Übernahmen. In der letzten Rezession ist der Kurs von NOVO sogar gestiegen. Weil niemand der Diabetes hat an Medikamenten spart.
      Letzter Punkt: NOVO notiert derzeit zu einem (für seine Verhältnisse) sehr günstigen KGV von knapp unter 20.

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  3. Günther Schwarz

    Was hat denn das hier gelobte NOVO NORDISK in den letzten 4 Jahren gemacht? Mitte 2015 stand der Kurs bei knapp 55 Euro, heute bei reichlich 40 Euro. Und das in einem fulminanten Börsenumfeld.

    Und das soll dann ein Beispiel für einen gemütlichen Ort für unser Geld sein?

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    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      DISNEY ist drei Jahre seitwärts gelaufen. LINDT auch. So schnell lasse ich nicht von einer guten Aktie – aber ich habe sie reduziert.

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  4. Martin

    Hallo Christian,

    wieder ein sehr gut lesbarer Text. Hoffentlich hilft er meinem Namensvetter.

    Beste Grüße aus dem Ruhrgebiet.

    Martin

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  5. Werner Kraus

    Verluste notfalls zu realisieren ist immer schmerzhaft, gehört aber an der Börse leider dazu. Das positive ist der Lerneffekt, den man daraus ziehen kann und die bereinigte Depotausstellung mit weniger roten Positionen.

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