Interview: Geldanlage ist keine Raketenwissenschaft

Privatanleger, Erben, Risikobewusste – für wen hast du dein Buch »Schatz, ich habe den Index geschlagen!« geschrieben?

Zunächst einmal will ich die Menschen mit interessanten Geschichten unterhalten. Börsenbücher können ja so schrecklich langweilig sein – das wollte ich vermeiden. Bei mir liest du eben von der reichen Erbin, die nicht weiß, was sie mit den Aktien machen soll, die sie von ihrem Vater geerbt hat – es sind die schlechtesten, die der DAX zu bieten hat. Und du liest von dem Goldbarren, den er noch eigenhändig in ein Schließfach gelegt hat. Aber auch der bringt nichts ein, weil das Schließfach so teuer ist.

Oder du hörst die Geschichte des Mannes, der mit riskanten Börsengeschäften jedes Jahr tausende Euro in den Sand setzt.

Manche Menschen schieben die Beschäftigung mit ihrem Geld oder mit der Frage der Altersvorsorge gerne vor sich her.

Viele Menschen finden das Thema Geld unangenehm. Sie halten es oft auch für sehr kompliziert. Das führt zu einem spannenden Phänomen: Für einfache Entscheidungen wie den Kauf einer Waschmaschine oder eines Autos wenden Männer sehr viel Zeit auf, zehn bis zwanzig Stunden. Für ihre Rentenabsicherung nehmen sie sich dann noch etwa eine Stunde Zeit und bei der Partnersuche entscheiden sie sich oft schon nach drei Minuten, dass es die Richtige ist.

Ich denke, wir alle sollten uns etwas mehr mit Geldanlagen beschäftigen. Das Thema sollten wir nicht den Banken und den Versicherungen überlassen. Und so schwer ist das alles auch gar nicht. Geldanlage ist ja keine Raketenwissenschaft. Wer schon seit Jahren denkt „Ich müsste mich mal mit meinem Geld beschäftigen und mit dem Sparen fürs Alter“, für den ist mein Buch genau richtig.

Was sagst du jemandem, der sich bisher nicht getraut hat, in Aktien zu investieren?

Zunächst einmal kann ich das gut verstehen. Wir sind mit anderen Anlageformen zumeist auch viel vertrauter als mit der Aktie. Unsere Eltern hatten Bausparverträge, Sparbücher und Sparbriefe. Und vielleicht noch Festgeld. Das war’s.

Zudem hat Deutschland keine Aktienkultur. Hier haben 6 Prozent der Menschen Aktien, in der Schweiz 20 Prozent und in den USA sind es 25 Prozent.

Die Menschen haben Angst davor, mit Aktien ihr Geld zu verlieren.

Und diese Angst sitzt bei uns sehr tief. Da hilft ein Blick auf die langfristige Entwicklung von Aktien, von Gold und von Anleihen. Wer sich das in aller Ruhe anschaut der sieht: Aktien sind eine gute Wahl für den Vermögensaufbau. Sie bringen nach Abzug der Inflation um die 6 Prozent und damit deutlich mehr als jede andere Form der Geldanlage.

 

sp500 100jahre

Langfristig wächst dein Geld mit Aktien stetig. Aus einem Dollar angelegt in den amerikanischen Index S&P 500 wurden in 100 Jahren stolze 18.000 Dollar.

In der Regel erzielen Privatanleger weniger Gewinn als der Index. Du hast den Index geschlagen – was hast du anders gemacht?

Ich habe mich wirklich intensiv mit den Aktien beschäftigt, die ich gekauft habe. Und dann habe ich sie auch nicht gleich frustriert verkauft, nur weil sie mal einige Monate nicht stiegen oder gar gefallen sind. Auch eine gute Aktie wie etwa Amazon kann fallen – und genau das ist mir auch passiert. Ich habe sie aber behalten. Am Ende war Amazon einer der größten Gewinner im Depot. Wer in Aktien anlegt, der braucht nicht nur Wissen, sondern auch Geduld. Viel Geduld.

Wie entscheidend ist es, sich genau über die Firmen zu informieren, in die man investiert?

Völlig unnötig. Du musst ja nicht in Einzelaktien investieren wie ich es mache. Wer es sich einfach machen will, der kauft zwei oder drei ETFs, also Fonds, die schlicht alle Aktien aus einem Index enthalten – und Ruhe ist. Du kaufst zum Beispiel einen ETF auf den MDAX – und schon besitzt du 50 mittelgroße deutsche Firmen. Und dann kaufst du für den gleichen Betrag noch den amerikanischen Index S&P 500 – und auf einen Schlag bist du an 500 der größten und innovativsten Firmen der Welt beteiligt. Was die im Einzelnen machen, das ist bei diesem Vorgehen völlig einerlei.

 

Interview mit Gerd Kommer in London

Interview mit dem Anlageexperten Gerd Kommer im Sommer 2016 in London.

 

Manch einem Anleger ist das aber zu langweilig.

Richtig. Mir ja auch. Der ETF-Spezialist Gerd Kommer sagt dazu: Eine Anlage in den Index ist so, als wenn Sie Farbe beim Trocknen zuschauen. Oder die eigene Schwester küssen. Alles nicht sehr spannend. Deshalb legen manche Menschen lieber in einzelne Aktien an.

Was sollten diese Anleger beachten?

Wer unbedingt Einzelaktien kaufen will, der sollte sich in der Tat mit den Unternehmen beschäftigen, die er kauft. Ich kenne einige, die haben vor drei oder fünf Jahren Aktien von EON gekauft – ohne sich je zu fragen, ob das ein gutes Unternehmen ist mit hinreichend Wachstum in den nächsten Jahren. So etwas endet oft in sehr hohen Verlusten.

Viele Menschen halten Immobilien für ein sicheres Investment. Du sagst, es ist weniger sicher und rentabel als wir glauben. Wieso?

Die Zahlen sind ernüchternd. Für die meisten Menschen ist es lohnender zu mieten und das Geld das sie sparen in Aktien oder Anleihen zu stecken. Immobilien können im Durchschnitt über lange Zeiträume zumindest mit der Inflation mithalten und darüber hinaus noch ein kleines Plus von etwa 0,8 Prozent erwirtschaften. Mehr nicht.

In vielen Teilen Deutschlands fallen die Immobilienpreise allerdings ständig. Wer dort baut, der hat vielleicht ein schönes Haus in dem er sich wohl fühlt. Eine Form der Geldanlage ist das allerdings nicht. Darüber sollte man sich im  Klaren sein.

Du hast dich ja auch mit Börsenlegenden wie Benjamin Graham und Warren Buffett beschäftigt. Kann man aus den Lehren der »alten« Börsengurus für heute überhaupt noch etwas lernen?

Aber ja! Die haben sich eine Menge Gedanken darüber gemacht, wie eine Geldanlage in Aktien wirklich funktioniert – und wie sie nicht funktioniert. Zum Beispiel warnen sie uns eindringlich, ständig Aktien zu kaufen und zu verkaufen, weil Anleger auf diese Weise sehr hohe Kosten haben. Und sie warnen auch deshalb, weil Privatanleger gerade dann verkaufen, wenn Aktien billig sind – und kaufen, wenn sie teuer sind. Das ist der Herdentrieb des Menschen. Wenn gerade alle Anderen auch glauben, dass Aktien gut sind und in sie anlegen wollen, dann sind Aktien in der Regel teuer. Sie sind schon lange gestiegen – und wer jetzt kauft, der kauft mit dem größten Risiko. Das ist bei ETFs nicht anders.

Die richtigen Börsenlegenden, wie etwa Warren Buffett, kaufen dann schon lange nicht mehr.

Warum machst du um Bankberater seit Jahren einen großen Bogen?

Die Banken wollen verkaufen. Sie bevorzugen dabei Produkte, die der Bank viel einbringen. Das gleiche gilt für Versicherungen. Die Mitarbeiter dort müssten also – wie in jedem Geschäft auch – Verkäufer heißen. Im Grunde ist es unseriös, dass eine Bank damit wirbt, dass sie ihre Kunden berät. Das tut sie genau nicht. Sie will ihnen etwas verkaufen. Und das ist dann sicherlich zum Vorteil der Bank – aber nicht zu Ihrem und nicht zu meinem.

 

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