Was ist eigentlich Volatilität? Und warum fallen gerade die besten Aktien in Schwächephasen so stark?

Aktien steigen im Kurs. Und sie fallen. Das Zweite ist der Punkt, der viele Anleger verunsichert – das Fallen. Steigende Kurse mag jeder von uns. Was aber tun, wenn die Kurse fallen? Sofort aussteigen? Das ist riskant, wie wir in dieser Woche einmal mehr erlebt haben.

Am Montag fielen die Kurse an den Börsen weltweit. Die Aktie von NETFLIX zum Beispiel fiel um sagenhafte 7,5 Prozent. Das ist kein Wunder. Die Aktie hat in diesem Jahr schon um mehr als 100 Prozent zugelegt. Kommt es zu einem kleinen Ausverkauf an den Börsen, dann sind gerade Aktien wie NETFLIX am stärksten betroffen.

Das ist kein Crash.

Das ist auch keine Korrektur.

Das ist an der Börse völlig normal. Der Begriff hierfür lautet: Volatilität.

Volatilität kann Anleger enorm verunsichern. Die schönen Gewinne der letzten Zeit – weg sind sie. Aber werfen wir mal einen Blick auf den Aktienkurs von NETFLIX in den letzten sieben Handelstagen. Dann sehen wir mehr.

 

 

Der Kurs der NETFLIX-Aktie ist zwar volatil gewesen, aber trotz des starken Falls am Montag steht er über sieben Handelstage gerechnet noch immer im Plus. Um immerhin 2,4 Prozent im Plus (Stand: 26. Juni). Du kannst gerne mal nachrechnet, wie stark eine Aktie über ein Jahr gerechnet steigt, wenn sie in sieben Handelstagen immer auf ein Plus von 2,4 Prozent kommt. Es sind rund 90 Prozent.

Die Anleger fanden die Aktie von NETFLIX nach ihrem Sturz am Montag plötzlich wieder sehr interessant – und haben sich am Dienstag schon wieder munter eingedeckt. Die Aktie stieg um 4,5 Prozent.

Dabei haben wir jetzt nur wenige Tage zurückgeschaut. Wir können uns auch einen längeren Zeitraum anschauen. Volatilität – das ist für eine Aktie wie NETFLIX gar nichts besonderes, wie du am Kurs der letzten sechs Monate erkennen kannst:

 

 

Hier siehst du die versprochenen 100 Prozent, die NETFLIX in diesem Zeitraum zugelegt hat. Das Depot von grossmutters-sparstrumpf hat sich über den Erfolg der Aktie sehr gefreut. NETFLIX ist dort von 3,5 Prozent Depotanteil bis auf 7,5 Prozent gestiegen. Da ich das Unternehmen für ein eher riskantes Investment halte (verglichen mit APPLE oder MASTERCARD), kann es gut sein, dass ich den Anteil von NETFLIX demnächst etwas reduziere.

Wenn du nicht so genau auf den Kursverlauf oben achtest, dann könntest du denken, dass es bei NETFLIX 6 Monate lang nur bergauf ging. Aber das ist falsch. Schau bitte mal ganz genau hin. Im Januar hatte die Aktie ihren ersten Einbruch – der zog sich bis in den Februar. Im März kam der zweite Knick nach unten und der dritte dann im April.

Stark steigende Aktien gehen fast immer mit einer besonders hohen Volatilität einher. NETFLIX ist da keine Ausnahme. Besser als in dem geglätteten Kursverlauf oben kannst du das sehen, wenn wir uns die vergangenen Monate in einer anderen Darstellungsform anschauen, als Candlestick-Chart. Da fallen die Abschläge die NETFLIX-Aktionäre hinnehmen mussten schon alleine wegen ihrer roten Farbe besser auf.

 

 

Im Februar hat NETFLIX um immerhin 13 Prozent nachgegeben. Im März wiederum um 13 Prozent. Im April war der Abschlag optisch etwas geringer. Wenn du aber genau hinschaust, dann siehst du im April zum Ende der Korrekturbewegung der Aktie einen dünnen schwarzen Stab unten herausschauen. So tief ging es an dem Tag.

Ich habe mir die Mühe gemacht und auch in dem Fall die genauen Kurse rausgesucht (das geht auf onvita.com besonders leicht, da sie dort einen interaktiven Chart haben). Das Ergebnis: NETFLIX hat auch im April vom Hoch bis zum Tief wiederum 13 Prozent abgegeben.

Der Mai war dann ruhig – was zumindest in meinen Augen nur einen logischen Schluss zulässt: Im Juni müsst NETFLIX wiederum 13 Prozent verlieren. Mindestens. Das ist – bislang – aber nicht passiert. Das Unternehmen legt in einigen Wochen seine Quartalszahlen vor. Alle Beobachter gehen von einem sehr hohen Wachstum bei den Abonnentenzahlen aus – das treibt den Kurs schon seit Wochen zu immer neuen Höhen. Es treibt ihn ein wenig zu stark, wie ich finde. Ein Abschlag von 13 Prozent wäre passender.

 

 

Stark steigende Aktien haben in der Regel eine erhöhte Volatilität

 

Volatilität gehört nicht einfach nur dazu am Aktienmarkt. Volatilität gehört vor allem zu stark steigenden Aktien dazu. Die Regel ist: Je stärker sie steigen, desto höher ist ihre Volatilität. Nur wenige Aktien wie etwa MASTERCARD oder FACEBOOK passen nicht in dieses Schema. Sie laufen in der Regel ohne größere Korrekturbewegungen einfach nach Norden. So etwas ist an der Börse eher ungewöhnlich.

Das Fazit lautet: Wenn du starkes Wachstum willst, dann musst du mit Volatilität leben. Und wenn du keine Volatilität möchtest sondern Sicherheit, dann musst du dein Geld dem Bundesfinanzminister mit seinen Minus- und Minizinsen (je nach Zeitraum) anvertrauen.

Bezogen auf das gesamte Depot von grossmutters-sparstrumpf (als wiki: Global Champions) hat der Abverkauf in dieser Woche genau betrachtet nicht viel bewirkt. Hier kommt der Chart für die letzten Wochen:

 

 

Die Gewinne von vier Wochen sind in gerade einmal vier Tagen (mit nur zwei Handelstagen) verschwunden. Ist das schlimm?

Kommt drauf an. Wer erst vor ein paar Wochen an der Börse eingestiegen ist, der ist natürlich frustriert. Die schönen Gewinne der letzten Wochen wurden einfach ausradiert. Das fühlt sich nicht gut an. Klar.

Ganz anders sieht es aus, wenn du schon länger mit dabei bist, sagen wir mal ein Jahr. Hier kommt der Blick auf den Jahreschart für das Depot:

 

 

Auch der Langfristchart des Depots hat Einbrüche gehabt. Die waren allerdings nie so tief wie die von NETFLIX. Die beiden Einbrüche im Februar und im April sind aber gut zu erkennen. Beim Beginn der Korrektur im Februar hat das wiki am Tiefpunkt ziemlich genau 9 Prozent verloren. Das Depot selber läuft also ruhiger als einzelne Aktien es tun. So soll es sein.

Aus der Sicht des langfristigen Anlegers zählt vor allem eine Zahl. Die steht über dem Chart in der Mitte, da wo du die Performance sehen kannst. Das Depot hat in den letzten 12 Monaten um 24 Prozent zugelegt. Natürlich stand dieser Wert vor einer Woche deutlich höher. Aber wenn ich mir den starken Anstieg des Depots vor allem seit Mitte April anschaue, dann kann eine leichte Abkühlung der Kurse nicht verwundern.

 

Wer sind die Gewinner?

 

Getrieben von den Tech-Werten (NETFLIX, AMAZON, FACEBOOK) auf der einen Seite und von einer sehr guten Performance der defensiveren Titel wie LINDT, DISNEY und NIKE ist das Depot von 125 bis auf 150 Punkte gestiegen. Das ist ein Anstieg von genau 20 Prozent. In gerade einmal zehn Wochen.

Die Betonung lag auf dem Wort „und“. Dass nahezu alle Aktien im Depot nach oben streben, das habe ich so noch nicht erlebt.

Natürlich habe ich mich sehr gefreut über diesen Höchststand bei 150 Punkten. Ich kann dir aber auch verraten, was ich gedacht habe: So kann es nicht weitergehen. Zwanzig Prozent in zehn Wochen – das ergäbe ein Plus von rund 100 Prozent in einem Jahr. Sehr unwahrscheinlich.

Ein Endstand von 160 Punkten – das halte ich bei einem weiterhin guten Verlauf des Börsenjahres für realistisch. Mehr aber nicht. Die Kurse können nicht noch einmal um 20 Prozent steigen, auch nicht die Kurse meiner „besten Aktien“.

Oder vorsichtiger ausgedrückt: Sie können das zwar noch ein zweites Mal schaffen – aber es ist eben sehr unwahrscheinlich.

 

 

Be patient!

 

Halten wir fest: Volatilität gehört an der Börse mit dazu. Was du bei Volatilität tun kannst? Nichts. Du kannst sie nur aushalten. Geduldig sein.

Im Abschwung seine Aktien zu verkaufen, dass kann für dich teuer werden. APPLE ist am Montag bis auf 181 Dollar gefallen. Hast du sie in Panik verkauft, dann hast du nichts gewonnen. Du hast erstens die Kosten für den Verkauf zu tragen. Du musst zweitens damit leben, dass sie zwei Tage später schon wieder bei 184,50 Dollar stehen. Und wenn du sie jetzt schnell wieder haben willst, dann musst du, drittens, noch einmal in dein Portemonnaie greifen und die Kaufkosten entrichten.

Das ist ein ganz schlechtes Geschäft.

Börsenlegende Ken Fisher rät Privatanlegern davon ab, es überhaupt mit market timing zu versuchen. Es ist zu aussichtslos. Und es kostet Anleger in der Regel Performance, statt sie zu erhöhen.

 

Volatilität in der Vergangenheit

 

Vielleicht hilft dir ja ein Blick in die Vergangenheit, um dich mit der Volatilität der Börsen heute und mit dem gelassenen Nichts-tun etwas anzufreunden. Im Jahr 1998 konntest du mit Aktien 22 Prozent Gewinn machen, wenn du das ganze Jahr über in den S&P 500 investiert warst. Du musstest dazu vor allem – nicht tun. Du durftest nicht in Panik plötzlich verkaufen, ganz so wie Ken Fisher es rät. Hier kommt der Chart für den DAX, den Euro STOXX und den S&P 500:

 

 

Was für eine Achterbahnfahrt! Hast du das erwartet? Aus heutiger Sicht zählt das Jahr 1998 zu jener goldenen Periode, als Aktien angeblich stets stiegen und Anleger ganz locker reich wurden.

Vergiss es.

Das sind alles Mythen. Obwohl der S&P 500 im Jahr 1998 stolze 22 Prozent gestiegen ist, hat der durchschnittliche Privatanleger damals gerade einmal 7 Prozent Gewinn machen können. Er hat in der Panik verkauft. Im September. Oder im Oktober, als die Kurse ihren Tiefpunkt hatten. Und dann hat er die anschließende Erholung verpasst. Auf diese Weise bringen sich Anleger um ihre Gewinne. Jahr für Jahr.

Wenn wir wissen, wie das Jahr 1998 ausgegangen ist, ist deutlich zu erkennen, was damals richtig war: In der Panik kaufen. Im September. Oder im Oktober, als die Kurse ihren Tiefpunkt hatten. Das war auch in der Wirtschaft- und Finanzkrise von 2008/09 nicht anders. Wer damals gekauft hat, der ist heute reich. Wer damals verkauft hat, der steht möglicherweise immer noch an der Seitenlinie. Und traut den steigenden Kursen nicht.

 

Die Zahlen für den Return des S&P 500 – und für den durchschnittlichen Anleger (Average Equity Investor). Quelle: Finanzforschungsinstitut DALBAR.

 

Der Preis der Ungeduld

 

Erstens. Volatilität ist der Preis, den wir als Aktienanleger für die hohen Gewinne bezahlen, die die Börse einbringt. Diese Gewinne liegen im Durchschnitt der letzten hundert Jahre bei 9 Prozent im Jahr – während Anleger in Staatsanleihen und Festgeld derzeit von Erträgen nur träumen können und auch in guten Zeiten mit ihren Renditen oft unter der Inflationsrate liegen.

 

Zweitens. Die Volatilität ist in den letzten Jahren nicht etwa hoch gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie war niedrig. Vielen Anlegern ist das nicht bewusst. Sie haben sich über durchschnittlich 14 Prozent Rendite in den letzten Jahren gefreut. Volatilität auszuhalten, geduldig zu sein – das ist der Preis, den du für diese 14 Prozent der letzten 5 Jahre oder für die 9 Prozent der letzten 100 Jahre zahlen musstest.

Findest du das zu viel verlangt? Ich nicht.

 

Drittens. Die ungeduldigen Anleger haben in den letzten drei Jahrzehnten wieder und wieder in Abschwüngen verkauft. Ihre Performance lag (laut DALBAR) – bei 3,66 Prozent. Mehr nicht. Das ist der Preis der Ungeduld.

Der Preis der Ungeduld ist hoch. Sehr hoch sogar.

Nimm bitte einen Taschenrechner und rechne aus, was in 30 Jahren aus deinem Geld wird, wenn du 9 Prozent Rendite machst – und was aus deinem Geld wird, wenn es nur 3,66 Prozent sind. Dann kennst du den Preis der Ungeduld ganz genau. Auf Heller und auf Pfennig.

Be patient – and stay tuned!

 

Wenn du keinen Beitrag mehr verpassen willst, dann bestell doch einfach den Newsletter! So wirst du jedes Mal informiert, wenn ein neuer Beitrag erscheint!

 

4 Kommentare

  1. Barbara Reeh-Bonny

    Sehr schön erklärt und sehr hilfreich für jeden Anfänger.

    Vielen Dank für diesen guten Artikel!

    Antworten
  2. Rolf Grotjahn

    Ich habe mal nachgerechnet, wie stark eine Aktie über ein Jahr gerechnet steigt, wenn sie in sieben Handelstagen immer auf ein Plus von 2,4 Prozent kommt. Es sind ungefähr 140%, nicht 90%!
    Es grüßt
    Rolf Grotjahn

    Antworten
  3. Dominik von depotstudent.de

    Sehr guter Artikel. Lässt alle Zweifel verschwinden, wenn es mal wieder etwas turbulenter zugeht.

    Eine Frage: Lässt sich Volatilität als normaler Anleger ausnutzen? Sprich: Beim Ordern der Papiere zeitlich nicht begrenzte Limits beispielsweise etwa 1-2 % unter dem momentanen Kurswert setzen. Ist kein Market-Timing, sondern eher der Ansatz, dass die Werte regelmäßig in einer gewissen Breite schwanken und der Wert des Papiers so mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten Tage oder Wochen (wenn auch nur kurz) diesen niedrigeren Wert erreicht.

    Wäre über die Ansicht dazu gespannt.

    Viele Grüße vom Depotstudent Dominik

    Antworten
    1. Christian Thiel (Beitrags-Autor)

      Dieses Abfischen nach tieferen Kursen machen einige Profis. Ich selber habe bislang nur bei starken Rücksetzern von 20-30 Prozent zugekauft. APPLE als sie von 132 auf 104 zurückgefallen waren. NETFLIX als sie von 130 Dollar bis auf 95 zurückgekommen waren. Da lohnt es nachzukaufen. Wegen ein oder zwei Prozent würde ich persönlich mir keine großen Gedanken machen – da ist die Frage welche Aktien ich halte und welchen Anteil sie am Depot haben dürfen für mich wichtiger.
      Derzeit betrifft das NETFLIX, die bei über 7 Prozent stehen. Will ich das so lassen? Noch bin ich nicht ganz entschieden, aber eigentlich finde ich, mehr als 5 Prozent sollten es nicht sein. Ich denke nach.
      Oder AMAZON mit nunmehr 14,2 Prozent. Was mache ich mit denen? Sie wieder auf 10 Prozent zurückstutzen? Ich denke nach.
      Zudem weise ich in der Facebook-Börsengruppe „Kleine Finanzzeitung“ (https://www.facebook.com/groups/307115443111658/) auch immer gerne darauf hin, wenn Aktien gerade billig sind. APPLE war schon zwei Mal in diesem Jahr deutlich billiger zu haben, zuletzt für nur 155 Dollar. Das gleiche gilt bei FACEBOOK. Die gab es auch mit einem deutlichen Abschlag.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian Thiel

      Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Barbara Reeh-Bonny Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert